Es Molí d´en Bou – Menü-Marathon beim einzigen mallorquinischen Sternekoch

Tomeu Caldentey ist einer von insgesamt fünf Sterneköchen auf der Insel und als einziger Mallorquiner (weltweit) hält er seit 2004 einen Michelinstern für seine gradlinige Modernisierung der traditionellen Inselküche. Wir sind sehr gespannt! Sein Restaurant „Es Moli d´en Bou“ liegt gut versteckt im Dörfchen Sant Llorenc de Cardassar. Die ehemalige Mühle erinnert eher an eine Burg, die steinerne Muscheltreppe führt hinauf ins Restaurant, einem sandsteinschweren, lang gezogenen Gewölbe. An einem Ende des Raumes werkelt hinter einem Panoramafenster die sechsköpfige Küchen-Crew.
Dreierlei warme Brotsorten werden gereicht und ebenso viele heimische Olivenöle, von samtig bis kratzig-robust, dazu Meersalz von der Insel. Wir wählen das große Menü in sieben Gängen, zwölf Köstlichkeiten sollten es letztendlich werden.

Zum Auftakt gibt es Coca, die traditionelle Mürbteig-Pizza der Mallorquiner, hier mit süßen Zwiebeln und Sobrasada belegt. Ein knuspriger Kontrast zu den weichen, salzigen Mini-Bisquits, die ebenfalls mit der mallorquinischen Paprika-Mettwurst gewürzt wurden.

Es folgt, bereits zu Beginn, ein Höhepunkte des Abends: Ein cremiges, blütenweißes und ebenso sahnesattes Entenleber-Mousse auf einem breiten Pinselstrich glänzender Bitterschokolade serviert, belegt mit gerösteten Maiskörnern. Eine grandiose Kombination, ein Geniestreich.
Die kräftige Pilzconsomée vermählt sich im Schnapsglas mit fluffiger Pilzmayonnaise. Das Wort Mayonnaise ist hier (wie auch in einem folgenden Gang) nur bedingt im Wortsinn zu sehen; Basis ist zwar mit Olivenöl emulgiertes Eigelb, bei Tomeu Caldentey ist „Mayonnaise“ aber eher ein so luftiger wie geschmacksintensiver Schaum.

Die Meerestiersuppe ist cremig-samtig und schmeckt klassisch. Das Erlebnis ist hier die Einlage: neben Krabbenfleisch und Mini-Zucchinischeiben finden sich beinahe rohe, winzig kleine Blumenkohlröschen in der Suppe, ein knackig frisches Bissgefühl, geschmacklich perfekt ausbalanciert.
Die weißen Tagliatelle-Nudeln aus Reis baden in einer gebundenen, klaren, sehr intensiven Krustentier-Consomée, die roten Garnelen dazu sind perfekt glasig gegart und von nussigem Geschmack. Wären Garnelen immer von solcher Güte und Zubereitung, ich würde glatt wieder welche essen. Das Topping aus Paprikamayonnaise vermischt sich während des Essens mit der Consomée, es entsteht eine rahmige Nudelsauce. Großartig!

Der Bacalao ist auf der Haut gebraten, selbstverständlich auf den Punkt gegart, und wird von orangefarbenem Kürbispüree und wildem Reis begleitet. Auch hier wieder die oben beschriebene Consomée, eine Dopplung, aber eine sinnvolle, der Reis ist dadurch geradezu saftig, brillant!

Wir gehen ein bisschen auf die Knie, vor der Küchenleistung, aber auch in die Knie wegen Sättigungsgefühl und Serviertempo. Der aufmerksame, freundliche Service serviert in Zusammenarbeit mit der Küche in schwindelerregendem Tempo. Zwischen den Gängen verstreichen nur wenige Minuten, nicht einmal der Gang zur anderen Räumlichkeiten ist möglich, wir ziehen die Notbremse und bitten um eine längere Pause.

Nach der Pause steht das „Secreto Iberico“ auf der Karte. Das „Geheimnis“ vom iberischen Schwein ist ein bei uns weitestgehend in Vergessenheit geratenes Fleischstück, eher ein Fleischlappen, der, fein mit Fett marmoriert, an und auf einem Ende des Rippenbogens sitzt. Bei uns essen das kluge Metzger selbst, wahlweise verschwindet das Teil im Hack. Tomeu Caldentey vakuumiert das Fleisch und gart es acht Stunden (!) bei geringer Hitze. Anschließend brät er das Fleisch mit Zucker scharf an, es entsteht eine hauchdünne, knusprige Karamelkrust! Er würzt nur mit Meersalz, schneidet das Stück in fingerdicke Streifen, saftiges, butterweiches Fleisch, serviert auf einem Hauch samtigem Blumenkohlpüree und einer dunklen Jus.
Ich sitze vor dem besten Fleischgericht dass ich je aß, ein vollkommenes Glück.

Jetzt kommt was für Fortgeschrittene: Käseeis. Mahon, ein mallorquinischer Käse, feinst gerieben, darauf ein salziges Cremeeis von eben diesem Käse, dazwischen stückiges Kompott aus Melone, Apfel und Aprikose. Die Kombination so einleuchtend und dennoch: das muss man mögen, eine echte Herausforderung.
Das gewürzte Vanilleeis ist dann aber wieder für alle da, mit rahmigem, tiefem Vanillegeschmack. Der Clou ist ein Milchschaum der mit Nelke gewürzt ist, sowie ein unter dem Eis versteckter, winziger aber hocharomatischer Geleestreifen aus…Curry. Einmalig gut.

Das zweite der insgesamt drei Desserts nennt sich auf der Karte schlicht „Erdbeeren in Ziegenmilch“ , eine bescheidene Umschreibung für eine köstlich süße Mousse aus Ziegenkäse sowie einem leicht säuerlichen Ziegenjoghurt-Schaum zu dunklen, reifen Erdbeeren von der Insel. Es folgt eine teelöffelgroßen Nocke Canaché, sahnig-schokoladig auf einer dunklen, schweren Dattelsauce in der kleine Würfel von süßem Pedro Jimenez Sherry-Gelee funkeln. Applaus!

An dieser Stelle verschwimmen meine Aufzeichnungen, werden unleserlich. Zu entziffern ist noch: „Karamelcreme und Minzecreme zum trinken, lecker!“ sowie „alle Pralinen super!“
Woran ich mich aber stark erinnere ist der Preis für diesen köstlichen Marathon. Nur 80 Euro zahlten wir für ein Menü, dass so in Deutschland für nicht unter 120 Euro zu bekommen wäre. Die korrespondierenden Weine, die uns der sachkundige Sommelier glasweise ausschenkte kosteten zwischen 5-8 Euro. Weinkenner erfreuen sich übrigens an einer ca. zwei Kilo schweren Weinkarte mit beinahe ausschließlich mallorquinischen Gewächsen von großer Qualität zum kleinen Preis. Wir waren mit spanischsprachigem Begleiter unterwegs, die angenehm herzlichen und dennoch unaufdringlichen Servicefachkräfte sprechen aber bei Bedarf Deutsch, auch die Menükarte wird auf Wunsch in deutscher Sprache gereicht.

Es Molí d´en Bou
Sol 13
07530 Sant Llorenç des Cardassar

Tel: +34 971 / 56 96 63
Mi-So 13:30-15:30 Uhr, 20:00-22:00 Uhr

Anfang Januar bis Mitte Februar geschlossen
Nichtraucher/Raucher

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