Wie ich gestern mal kurz ein Restaurant eröffnen wollte

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Mir ist immer noch ganz schlecht. Beinahe hätte ich gestern ein Restaurant mit 250 Sitzplätzen und großer Sommerterasse gekauft durchfinanziert. Der Zufall spülte mich am späten Nachmittag direkt vor die Immobilie, ein großes Plakat „zu vermieten“ über dem Eingang lockte mich. Neugierig trat ich näher, ganz unverbindlich blickte ich, nur mal so, durch baustaubblinden Fenster: nichts zu sehen im Dunkel. Schlüssel klirrten, drei Herren machten sich am Eingang zu schaffen, mein Mund sprach ungefragt: „Ist das eine öffentliche Besichtigung?“ Nein, nein, eine Baubesprechung sei angesetzt, aber bei Interesse könne man die Immobilie gleich gemeinsam begehen. Interessanter Weise hatte ich Interesse. Schön wenn man sich noch selbst überraschen kann.

Mit dem Eigentümer ging ich durch die Räume, es fiel jetzt Sonnenlicht durch die staubigen Bogenfenster, auf grauglatte Wände, Kabel und Buchsen lugten aus sauber verputztem Beton, durch die Gasträume hindurch in die Küche, die große Küche ganz leer, rot leuchteten die Starkstromanschlüsse, hier der Herd, die Abzugshaube, hier steht der Spüler, da die Regale mit dem Geschirr, der Pass, aus dem Gastraum ist Stimmengewirr zu hören, leise Musik. „Bon neu!“ ruft der Service-Chef. Die neue Karte wird sehr gut aufgenommen, das ganze Konzept funktioniert großartig, ich wusste um diese kulinarische Lücke in Hamburg. Und wie geschmackvoll, wie elegant und doch einladend warm die Liebste alles eingerichtet hat, dieses Licht! Im Garten genießen die Sauvignon-Trinker aus den umliegenden Büros die letzten Sonnenstrahlen, drinnen decken die Mädchen die Tische ein, sie arbeiten gerne hier, ich zahle allen Angestellten Höchstpreise. Wie riecht das wieder gut heute! “Ausverkauft!” rufe ich den Köchen zu, die lachend die blitzenden Messer in die Luft strecken, auf in den Kampf, wir werden das Schiff schon …

…ja und der Mietpreis, da ist natürlich nicht mehr dran zu rütteln, das ist schon Unterkante, sehen sie mal der Stadtteil boomt, da ist Umsatz mit so eine Fläche gar kein Problem mit dem richtigen Konzept, erklärte mir der Eigentümer, nannte Zahlen, stellte Gewinnprognosen auf, zitierte aus Untersuchungen, sprach von Bauämtern, Architekten, Denkmalschutz und der Eröffnung im Sommer. Schicken sie mir ihr Konzept! Schönen Tag noch!

Interessanter Weise hatte ich das gesamte Konzept im Kopf, es muss da schon ein paar Jahre rumgelegen habe, völlig unbemerkt. Alles da: Partner, Innenarchitekten, Händler, Angestellte, Einrichtung, Öffnungszeiten, Speisekarte, Weinkarte, Name des Restaurants, alles da, alles in meinem Kopf. Ich war einigermaßen euphorisch. Beim Abendessen jonglierte die Liebste für mich mit den Zahlen des Eigentümers und fügte noch ein paar Zahlen hinzu, die ich gar nicht bedacht hatte, nicht „auf der Rechnung“ hatte. Die Liebste sprach auch über die neuen Arbeitszeiten für die nächsten zwanzig Jahre, erinnerte sich spontan an die letzten zwei Gastronomen die den Laden mit Karacho an die Wand gefahren hatten und an die Menschen im Viertel, die dieses Wissen auch in ihren Hinterköpfen trugen. Sie schloss ihren Vortrag mit den Worten: „aber ich wäre auf jeden Fall dabei, ich wäre mit Dir!“ Da wurd mir ganz warm vor lauter Liebe und nacher ruf ich mal den Eigentümer an und sage ab.

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