Nur mit Rezepten online Geld verdienen? Dr. Oetker legt vor.

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Nur mit Kochrezepten online Geld verdienen? Im Internet wo Millionen Rezepte mehr oder weniger dubiosen Ursprungs die Server vermüllen? Und dann auch noch mit bereits veröffentlichten Rezepten, also Zweitverwertung? Geht nicht?

Geht doch, Dr. Oetker macht es vor. Mit dem eigenen guten Namen, der Bertelsmann-Tochter Wissenmedia und einer zugegebenermaßen cleveren Idee ging heute oetkerselect.de als Beta Version online. Bei OetkerSelect hat der registrierte User die Möglichkeit in drei einfachen Schritten aus dem riesigen Oetker-Rezeptarchiv sein persönliches Kochbuch zusammen zu stellen, inklusive persönlichem Vorwort mit eigenem Foto. Auch das Cover kann personalisiert werden. Das Buch wird dann als DIN A 5 Format Hardcover gedruckt und geliefert. Los geht es ab 22 Euro für 36 Rezepte, jedes weitere Rezept gibt es für 0,20 Cent, Versandkosten immer 2,50 Euro, auch für mehrere Bücher zusammen. Ich bin überzeugt, spätestens zum Weihnachtsgeschäft klingelt die Kasse:

oetkerselect.de

Magengrummeln dürfte das Geschäftsmodell allerdings bei den Zulieferern von Kochbüchern und Zeitschriften auslösen, bei Food-Fotografen, Foodsytlisten, Stylisten und Rezept-Autoren. Im Grunde kann jeder Kochbuchverlag, jedes Kochportal und auch jeder Zeitschriftenverlag mit kulinarischem Medienvertrieb ein Angebot dieser Art schalten. Vor diesem Hintergrund sind Honorierungen und Bildrechtvergaben in der Zukunft sicherlich neu zu überdenken.

  1. Dass da mehr als nur etwas Kleingeld in die Kasse kommt, kann ich mir nicht vorstellen: Sind doch die regulären Kochbücher des Doktors weitaus günstiger zu haben – z.B. die „Modetorten“, 300 Rezepte, Hardcover, ca 10 Euronen. Noch ein zweites Backbuch dazu, dann hab ich mehr als 500 Rezepte um immer noch weniger Geld als die günstigste peronalisierte Version – und meine mindestens 36 Lieblingsrezepte kann ich einfach mit Lesezeichen markieren, die brauch ich nicht noch als Extrabuch zusammengefasst.

    Stichwort Eigengebrauch – wo läge da ein Vorteil? Bereits von mir erprobte Rezepte liegen ja vermutlich schon in Kochbuchform zuhause rum, brauch ich nicht nochmal als eigenes Buch. Noch nicht erprobte, aber für reizvoll gehaltene Rezepte, mindestens 36 Stück davon fürs Grundformat: In dieser Zahl sicher in zwei dicken regulären Ö-Büchern (billiger als ein personalisiertes) zu finden und zu markieren – und das Lesezeichen ganz einfach zu entfernen, falls ein Rezept doch nichts taugt. Und was soll ich mit einem von mir selbst geschriebenen Vorwort in einem Kochbuch für den Eigengebrauch?

    Bleibt die Geschenkidee. Zum Vergleich: Personalisierte Kinderbücher sind günstiger (unter 20 Euro) zu haben und einfacher zu erstellen, grad mal Namen, Alter, Wohnort und ein paar Freunde des Kindes angeben, fertig. Aber mindestens 36 Rezepte auswählen? Bin ich selbst nicht in der Küche zuhause und suche ein Geschenk für einen Koch/Backfan: Warum soll ich dann mühsam Rezepte auswählen, deren Qualität ich nicht beurteilen kann, wenn die zugrunde liegenden Kochbücher viel umfangreicher und zudem billiger sind? Da kauf ich doch lieber das reguläre, dickere Buch, das dem zu Beschenkenden mehr Auswahl bietet, oder, wenns aufs Geld nicht ankommt, ein schickes Luxuskochbuch. Je nun, das selbst geschriebene Vorwort – ein kleiner Gag, geeignet für die erste eigene Wohnung, für Hochzeit vielleicht noch, aber sonst? Sonst tuts auch ein beigelegtes Kärtchen, da ist dann auch nicht jeder kleine Rechtschreibfehler für die Ewigkeit zementiert – bei Ö wird ja jeder Tippfehler mitgedruckt. 🙂

    Bich ich als Schenkender aber selbst auch Hobbykoch/Bäcker: Dann kann ich zwar beurteilen, ob ein Rezept was taugt, aber warum sollte ich dann eine kleine Auswahl treffen, statt gleich eins der regulären, umfangreicheren Ö-Bücher zu verschenken, die auch günstiger sind? Ja, vielleicht in Spezialfällen, für die es (noch) kein eigenes Themenbuch bei Ö gibt, vielleicht lactosefreie, vegane etc Rezepte zusammenstellen. Sehr mühsam, sehr aufwändig. Da würde ich doch eher nach Spezialkochbüchern auch anderer Verlage Ausschau halten, statt mich auf den Ö-Fundus zu beschränken zu müssen. Und überhaupt, als Geschenk soll sichs ja an den Vorlieben des zu Beschenkenden orientieren: Der hat seine Lieblingsrezepte ja aber auch schon zuhaus, und bei irgendeinem Lieblingsthema, Apfelrezepte, Einkochen, Eierspeisen, was auch immer, gibts mit Sicherheit schon fertige Kochbücher, die was hermachen und für die ich mich beim Kauf nicht erst durch hunderte Rezepte wühlen und eine Entscheidung treffen muss. Bleibt also auch hier nur das persönliche Vorwort als Kaufargument …

    Nein, ich glaube wirklich nicht, dass dieses Angebot ein Renner wird. 🙂

  2. Vielen Dank, Hedonistin, da haben Sie sehr recht mit Ihrer Einschätzung. Wahrscheinlich ist das Angebot, für das was geboten wird, doch zu teuer. Als Geschenk wird das aber sicher funktionieren, aus Zeitmangel, Bequemlichkeit und Einfallslosigkeit schenken sich Menschen ja die wunderlichsten Sachen, da ist ein personifiziertes Kochbuch nicht das schlechteste.

    Für die oben genannten „Zulieferer“ ist die Entwicklung dieses Models eine wirklich spannende Sache, insbesondere wenn sich das durchsetzt, eventuell erfolgreich. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang der free lense blog, auf dem momentan der Kampf Deutscher Fotografen mit dem Jahreszeitenverlag um die Nutzung von Bildrechten dokumentiert wird. Eine völlige und exklusive Abgabe sämtlicher Bildrechte (wie von Jalag gefordert) öffnet der Zweit- und Drittverwertung Tor und Tür, die Fotos erfahren einen ungemeinen Mehrwert, von dem der Produzent selbst aber nichts mehr hat:

    http://blog.freelens.com/

  3. Es gibt ähnliche Konzepte ja auch schon aus Amerika, wobei man dort aus einem wesentlich größeren Fundus aus Online-Rezepte schöpfen kann (etwa bei allrecipes.com). Der Preis ist auch relativ hoch. Ich denke nicht, dass das Leute abhalten wird, ein solches Buch als Geschenk zu drucken. Fotobücher sind auch sehr hochpreisig, sind aber in Deutschland ein voller Erfolg. Ich glaube auch nicht, dass sich dieses Konzept an den Kochbuch-Junkie wendet. Das ist eher etwas, was man als „netten Gag“ verschenkt.

    Für mich wäre hier der entscheidende Grund, KEIN Buch zu bestellen, dass ich eben nur Rezepte aus den Oetker-Büchern wählen kann. Dann wäre es – wie Hedonistin schon schreibt – vom Preis-Leistungs-Verhältnis günstiger, sich die einzelnen Bücher zu kaufen.

  4. Lieber Herr Paulsen,
    finden Sie mich zickig, oder was auch immer, aber schon als Kind konnte ich das Backbuch von Dr. Oetker, das in unserem Haus herumstand, nicht leiden, rein optisch. Außerdem vergötterte meine Mutter nahezu alles, was Oetker hieß. Und Jahre später, als ich anfing, mich so richtig für Essen und Kochen zu interessieren, fand ich die Rezepte so spießig wie die meiner Lehrerin, bei der ich ein Jahr lang Kochunterricht hatte (die Jungen hatten „Werken“). Und dieses Oktroyieren einer ganzen Produktpalette – nein, nein. Und als die Aufklärung auch in den Küchen, Töpfen und Köpfen Einzug hielt, war endgültig klar, was ich davon zu halten hatte.
    Lieber Herr Paulsen, aber ich möchte Ihnen Ihre Backfreude nicht vermiesen, nur „erschöpfend“ auskunften und antworten.

  5. Mitnichten wurde je Zickigkeit vermutet, vielmehr ahnte ich schon ein Kindheitstrauma/eine Katastrophe und war neugierig! Vielen Dank für die Aufklärung, Thea, ich verstehe das jetzt gut, Ihr „Nö!“ zu Dr. Ö.

  6. Herr Paulsen! Kreisch! Sie dürfen sich jetzt hemmungslos Ihrer Schadenfreude hingeben, ja sogar auf die Schenkel klopfen. In meinem Haushalt befindet sich ein Dr. Oetker!!! ;-o Gestern abend mußte ich etwas abwiegen. Ich stelle das erforderliche Gerät vor mich hin. Worauf fällt mein Blick? Auf das Dr.Oetker-Logo! Seit Jahren ist diese Waage bei mir im Gebrauch, und erst durch Sie wurde mir klar, daß mein Kindheitstrauma für ordentliche und funktionierende Verdrängung gesorgt hat. Nein, ich werde die Küchenwaage jetzt nicht entsorgen. Aber eine Neuanschaffung ist schon länger geplant, weil Dr. Oetker leider nur in 2-Gramm-Schritten zu arbeiten imstande ist.
    Nix für ungut lieber Herr Paulsen, und lachen Sie sich bitte jetzt einen Ast ;-D

  7. Was interessant gegenüber den anderen Backbüchern ist: Man kann sein eigenes Foto auf dem Cover erscheinen lassen (jedenfalls steht das auf der Seite beschrieben)! Zusammen mit einem selbst formulierten Titel ist das durchaus ein Unterschied zum 9,90 EUR-Buch vom Laden nebenan.

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