Ausgesucht: Highlights vom Hamburger Food Market 2009

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Die Tristesse des Hamburger Großmarktes ist immer wieder bemerkenswert, zum vierten Mal lud der DER FEINSCHMECKER gemeinsam mit dem Großmarkt Obst, Gemüse und Blumen Hamburg zum Food Market, zwischen grauem Waschbeton und gigantischen Kühlhäusern. Der Ort hanseatisches Understatement, das Angebot vom Feinsten.

Während die deutschlandweite Genußmesse eat’n STYLE eher auf Shows, Lifestyle und Kochprominenz setzt, ist beim Hamburger Food Market das Produkt der Star. Heimische Produzenten und Gastronomen zeigen den kulinarischen Reichtum des Nordens und stärken damit Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, der Verbraucher staunt, was es so alles gibt, bei ihm um die Ecke. Gestern habe ich mich akribisch durchs Angebot „gearbeitet“, einige der spannensten Produkte habe ich Ihnen, zumindest virtuell, mitgebracht:

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Es ging gleich knackig los mit einer Cider und Süßwein-Verkostung am Stand von most of apples. Die Firma aus dem Wendland produziert vorwiegend anspruchsvolle Cider der Spitzenklasse, raffinierte Apfelweine, zum Teil Cuvées aus alten Apfelsorten, einige werden mit frischen Aromaten wie Zitronengras, Kräutern, Chillschoten oder Espressobohnen vergärt. Der barrique cidre of apples hat mich am meisten begeistert, ein Cuveé aus 30% der alten Apfelsorte „Schöner von Herrenhut“, 20 % Quitte und 50 % Mischäpfeln. Sechs Monate im spanischen Eichenfass ausgebaut entfaltet er in der Nase einen reichen Duft, elegant eingebunden das Holz mit frischer Frucht durch die Quitte, vielschichtig und mit langem Nachhall. Bei 9-12 Grad, im bauchien Weinglas serviert, ein ungewöhnlicher Digestif mit nur 13 % vol. alc. der nach einer guten Zigarre ruft. Für 8,50 € gibt es den halben Liter.

www.mostofapples.de

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Was hier so dekorativ mit Gebrauchanleitung im Holzkästchen angeboten wird, sind zwei Spezialitäten von Henry Rasmus Fischhandel & Räucherei aus der Hansestadt Stralsund, es weht der Geist der Geschichte über diesem Stand, bietet der Traditionsbetrieb der Familie Wiechmann doch nichts Geringeres als den einzigen und originalen Bismarckhering. Urgroßvater Wiechmann, glühender Verehrer von Otto von Bismarck, schickte dem Reichskanzler ein erstes Probier-Fässchen zum Geburtstag und nochmals eines zur Reichsgründung 1871, mit der „untertänigsten“ Bitte um Erlaubnis zum Vertrieb des Ostesseherings unter dem Namen „Bismarck-Hering“ . Die Erlaubnis des Reichskanzlers kam per Handschreiben.

Die Autorin Petra Foede steht in ihrem Buch Wie Bismarck auf den Hering kam dieser Geschichte eher kritisch gegenüber (Flensburg hat da wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden), der Kulinariker mag sich am Städtezwist nicht weiter stören, denn was Familie Wiechmann da auf den Tisch bringt ist kein Katerfrühstück sondern ein Festessen.
Leider werde heute unter dem Namen Bismarckhering ja vorwiegend in sauerscharfen Reinigungsessig eingelegte Fischleichenfilets mit Alibi-Senfkörnern und grauen Deko-Dillzweigen angeboten. Ich esse das eigentlich nicht. Der Rasmusen Bismarck ist aber eine Offenbarung. Von Hand entgrätet und gehäutet und fangfrisch in Fässern mit lediglich 5 % Essig mild gereift, das schmeckt man. Eine weitere Spezialität des Hauses ist der Original Hiddenseer Pfefferlappen, eine süßsscharfes Heringshappening von der 18 Quadratkilometer großen Ostesseinsel. Vier Wochen sind die konservierungsstofffreien Köstlichkeiten haltbar, 500 g gibt es für 10 €.

www.bismarckhering.com

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Dieser freundliche Herr, der hier gerade so beherzt in den Grill greift, ist Michael Weißenbruch. Der Gourmetkoch betrieb bis 2007 das Restaurant Clasenhof im Hamburg-Ottensen und macht heute, gottlob, in Currywurst. Jede Woche gibt es bei den Currry Pirates neben den Klassikern Currywurst mit getrockneten Aprikosen inside, Salsiccia mit Tomaten-Senfsauce, Hamburger Weißwurst mit Kalbfleisch und Lachskaviar, Merquez mit Joghurt-Minzsauce, eine neue Kreation. Zur Zeit kann für 20 Euro die teuerste Bratwurst Deutschlands vorbestellt werden: mit Kalbsfilet, Trüffel und Gänseleber.

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Ich probierte die German Ox mit Apfelwürfeln inside, einer Wasabi-Mayonnaise und Algenblätterstreifen. Für Fortgeschrittene, empfand die Liebste, ich war eine Wurstlänge glücklich.

www.curry-pirates.de

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Von der teuersten Bratwurst Deutschlands zu einem Schweizer Käse, den es in Deutschland nicht gibt, weil er so teuer ist. 2e Gruyère nennt sich dieser Gruyère Käse der 36 Monate in Höhlen nachreift. Der Schweizer Rohmilch Bergkäse gehört zu meinen Lieblingskäsen, in dieser Version kommt der cremige-würzige Geschmack noch stärker zu tragen, salzig-kristallin knuspert der Käse im Mund, wie alter Parmesan, nur eben immer noch mit wunderbarem Schmelz. Den gibt es in Deutschland gar nicht, erklärt der Herr von Rêve de Fromage, das könne man in Deutschland nur mühsam verkaufen, einen Käse von dem 100 g knapp 4 Euro kosten, dass sei schon sehr erklärungsbedürftig. Mir erschließt sich der Preis allerdings sofort und der Herr hat auch übertrieben. Natürlich kann man den Käse in Deutschland bekommen. Bei ihm.

www.kaese-traum.de

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Die Liebste sagt ja, ich soll nicht immer soviel zu meinem Buch schreiben. Als ich aber um die Ecke biege und Martina Olufs entdecke, Inhaberin der geliebten Hamburger Buchhandlung Koch-Kontor, und auf ihrem Büchertisch mein Buch entdecke, da muss ich mich doch ganz kurz, sehr lautstark freuen. Ich werde mich (hoffentlich!) dran gewöhnen, aber im Moment noch: kreisch!

www.koch-kontor.de

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So groß war die Freude, dass ich fast Christine Bergmayer übersehen hätte, die ihre Zuckerbäckereien neben dem Koch Kontor präsentierte. Christine und ich kennen uns aus gemeinsamer Zeit in der Redaktion von schöner essen/essen&trinken und ich darf Ihnen sagen: Christine Bergmayer ist die Königin unter den Zuckerbäckern. Schon damals bewunderte ich ihre, mit mathematischer Akribie ausdekorierten Kunstwerke, ihre phantasievollen bunten Kreationen, die auch noch himmlisch schmeckten. Daran hat sich nichts geändert, ich bin allerdings ganz neu süchtig nach ihrem Heidesand mit Espresso. Zerfällt im Mund, sandig-süß, nussig-karamellig, mit einer markanten Epressonote und einem Hauch Salz im Nachhall. Ich verbeuge mich!

www.diezuckerbaeckerin.de

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