Gelesen: "Kochen ist Krieg!" von Gregor Weber

_THB3728JPGFoto:Thomas Hampel für Harbourfront

Das war schon eine höchst beeindruckende Kulisse, am Freitag vor einer Woche, bei der Lesung von Hellmuth Karasek, Gregor Weber und mir in der ehrwürdigen Katharinenkirche an der Peripherie der neuen Hafencity. Küchenchef Thorsten Gillert vom Artisan servierte den 160 Gästen zur Lesung im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals ein Dreigang-Menü. Die Hamburger Weißwurst, Kalbsbrät mit einem Hauch Hering und Matjes verfeinert, überraschte mit dem leichten Raucharoma, köstlich! Zum Hauptgang gab es Matjes satt mit Pellkartoffeln & Hausfrauensauce, zum Dessert Rote Grütze. Einfach, super.

Schon vor der Lesung durfte ich Gregor Weber kennen lernen. Erwartet hatte ich den Schauspieler Gregor Weber. Ich traf einen höchst sympathischen Kochkollegen mit dem es sich formidabel Fachsimpeln ließ. Denn Gregor Weber hat mit über 30 noch mal schnell eine Kochlehre gemacht, nicht irgendwo, sondern in Kolja Kleebergs VAU. Mit einer fulminanten und fachlich fundierten Tour der Force durch die Hölle einer Sterneküche und der mitreißenden Beschreibung jener Seelentiefs die jeder Koch während des abendlichen á la carte-Sturms durchlebt, beginnt Gregor Webers Buch Kochen ist Krieg!.

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Zehn Monate war Gregor Weber nach seiner Lehre in deutschen Küchen unterwegs, als Küchenhelfer auf Zeit in einer Pizzeria in Unna, auf einem Kriegschiff, bei Dreisternekoch Christian Bau. Er hat auf Amrum gekocht, in der Küche des Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue, in der O2world Berlin und in einem integrativen Restaurant, dass gleichzeitig Theaterkantine ist, hat hinter die Kulissen der traditionsreichen Bremer Schaffermahlzeit geblickt. Natürlich ist nur Krieg wirklich Krieg, sagte Gregor Weber. Mit seinem höchst unterhaltsamen Bericht aus den unterschiedlichsten Küchen setzt er den Helden ungezählter Küchenschlachten in den unterschiedlichsten Küchen ein Denkmal. Mit großer Sympathie für die Protagonisten und reicher Sprache, erzählt er vom täglichen Kampf der Köche mit der Zeit, den Produkten, dem eigenen Anspruch.

Doch das Buch ist weit mehr als lesenswerte Topfguckerei, Gregor Weber gelingt ein kulinarisch-soziologisches Kaleidoskop Deutschlands, das viel über dieses Land erzählt. Das Kapitel gastarbeit. bietet tiefe Einblicke in eine deutsche Gastarbeiter-Karriere und verrät wesentlich mehr über die Deutsch-Italienischen Freundschaft als Jan Weilers Erfolgs-Fresszette Maria, ihm schmeck´s nicht. Von den siebziger Jahren über die Toskanafraktion, bis hin zum Geheimnis wie man heute Stammgast bei „seinem Italiener“ wird, reicht der Bogen der Geschichte. Gregor Weber hat Küchen besucht, die nur die Wenigsten von uns je zu Gesicht bekommen dürften: von der Wahrung kulinarischer Werte und Ansichten in Deutschland (und deren sanfter Erneuerung) künden die Kapitel über den Küchenchef des „ersten Mannes im Staat“ und der Bericht von der Bremer Schaffermahlzeit, dem seit 1545 für Koch und Gast gleichermaßen herausfordernd-strapaziöse Traditionsessen. Im Berliner Eventtempel O2world organisieren Köche die Speisung der 15.000, in der Seekiste auf Amrum und im integrativen Restaurant zählt dagegen jeder Einzelne. Ihren Beruf lieben alle gleichermaßen.

Weber beobachtet genau, seine Küchenreisen sind höchst unterhaltsam geschrieben, oft genug sehr komisch, nie unkritisch und enden mit einer Visite bei Christian Bau. Staunend schlendert der Leser ums Gipfelkreuz, drei Sterne, höher hinaus geht es nicht mit der Kochkunst und warum das so ist und warum dass eine äußerst preiswerte Küche ist, erfährt man in diesem vorletzten Abschnitt, dem noch das sehr schöne Kapitel nachschlag folgt. Klug und klar hält Gregor Weber am Ende des Buches ein knackig-kurzes gastrosophisches Plädoyer für die Köche und das Kochen, für ein Miteinander von Bauern, Händlern, Herstellern, Köchen und Gästen zur Sicherung und Steigerung einer kulinarischen Grundqualität.
Drei Sterne!

Gregor Weber
Kochen ist Krieg!
Am Herd mit deutschen Profiköchen
Erscheint: Oktober 2009

288 Seiten, mit ca 20 s/w Fotos im Text
Gebunden
€ 19,95 [D], € 20,60 [A], sFr 34,90
ISBN: 9783492052931