FOODPHOTO 2010 Festival – Interview mit Organisator und Food-Fotograf Günter Beer

Parillada de verduras , El Bulli, Rosas, España © Günter Beer

Vom 30. September bis zum 17. Oktober 2010 findet im spanischen Tarragona das weltweit erste Festival für Food-Fotografie statt. Neben Werk-Ausstellungen namhafter Fotografen, werden verschiedene Workshops und Seminare für Laien und Fachbesucher angeboten. Der Foodfotograf und Organisator des Festivals, Günter Beer, hat mir für NutriCulinary ein paar Fragen beantwortet.

NutriCulinary: unglaublich, FOODPHOTO 2010 ist tatsächlich das erste Festival der Welt, dass der Food-Fotografie in allen Facetten huldigt, wie kamst Du auf die Idee ein solches Festival ins Leben zu rufen und wie war die Resonanz aus der Fachwelt?

Günter Beer: Fotografen und Stylisten sind ständig im Außendienst. Man kennt sich dem Namen nach, man sieht die Veröffentlichungen, aber man spricht sich nicht – man kennt sich nicht persönlich. Um dieses Defizit auszugleichen war ich über nun fast zwei Jahrzehnte Besucher des Photofestivals VISA in Perpignan in Frankreich. Mein Interesse schwenkte in dieser Zeit immer mehr zur Food Photografie – und ich fand mich damit immer weniger in den Ausstellungen wieder. Also beschloss ich vor drei Jahren das zu ändern, Kollegen aus der ganzen Welt einzuladen, ein paar Tage über Food Fotografie zu sprechen. Die Reaktion ist eigentlich einhellig: „Das wurde aber Zeit!“

NutriCulinary: Namhafte Food-Fotografen aus aller Welt werden zu Gast sein und ihre Werke ausstellen, es gibt Workshops in allen Bereichen von fototechnischen Kursen bis hin zum Seminar mit Frauke Koops, der Grand Dame des Foodstylings. Welche Programmhighlights legst Du den Besuchern besonders ans Herz?

Günter Beer: Ein Highlight wird sicherlich die Ausstellung „mein Polabuch“ von Frauke Koops sein. Sie hat in den letzten 40 Jahre den Fotografen die Einstell-Polaroids abgenommen, in Büchlein geklebt und handschriftlich mit Bemerkungen und Rezepten ergänzt. Seiten aus diesen 40 Jahren Food Photografie erster Klasse will ich scannen und auf 1qm vergrößert ausstellen. Aber auf der Website wird man schon in zwei Monaten viel Genaueres über die Ausstellungen erfahren können.

Wichtig für mich sind die Workshops – auch über den Tellerrand hinaus: Robin Willis (USA), in Deutschland durch den Chio Chips Werbespot bekannt gewordener Commercial Regisseur hat einen interessanten Fotofilm „Walter ate a peanut“ gemacht der in Cannes ausgezeichnet wurde. Wir stellen den Film aus und Robin wird einen Workshop zur Fotoanimation und Dramaturgie bei Fotofilmen geben. Titel: Drama and chow. Eine internationale Webagentur, spezialisiert auf Fotografen Websites gibt einen Workshop zu Fotopräsentation im Internet, ein anderer Workshop All about Apps zeigt neue Wege im Publishing, und so weiter. Also vieles was den Food Fotografen von heute interessieren muss.

NutriCulinary: apropos Frauke Koops: sie wird ja auch einen Foodstyling-Workshop geben. Welchen Stellenwert hat für Dich das Foodstyling in der Foodfotografie und wie findet das seinen Platz im Festival-Konzept?

Günter Beer: Food Fotos sind immer das Ergebnis von Teamwork. Kein noch so guter Fotograf mit noch so gutem Licht kann ohne gute Modelle Bilder machen. Der Foodstylist erzeugt in Absprache mit dem Fotografen die “Modelle” und ist meiner Ansicht nach Mit-Urheber. Übrigens vertritt auch das deutschen Urheberrechts diese Meinung. Die Preise für das Lebenswerk und das Food Photo des Jahres können ebenso dem Stylisten zugesprochen werden.

NutriCulinary: Die so genannten „Koch-Apps“, online zum Download angebotene Kochbücher und Rezeptsammlungen für Smartphones sind gerade immer stärker gefragt und auch du engagierst Dich, neben der klassischen Fotografie, in Sachen kulinarischer Apps. Wo siehst Du die Chancen und wo die Gefahren der Entwicklung?

Günter Beer: Darüber sollten wir mal in einem gesonderten Blog-Beitrag sprechen. Aber in Kürze: Jetzt kann ich neben Büchern und Zeitschriften auch in Apps veröffentlichen. Die sind einfach eine wunderbare Weiterentwicklung des Kochbuchs. Das entscheidende Merkmal ist die mobile Nutzbarkeit: Ich hab alles, was ich wissen muss immer dabei, im Supermarkt, im Restaurant, im Urlaub. Das kann kein Kochbuch. iPhone Apps brauchen nach meiner Überzeugung ein hohes redaktionelles Niveau. Genauso wie gute Bücher. In der Auswahl der Rezepte, der Aufbereitung und der medienspezifischen Präsentation. Zum Glück arbeite ich da, wie schon im Buch- und Magazinbereich mit den besten Autoren zusammen. Vom Gebrauchswert her konkurrieren Apps mit den besten Büchern. Und im Vergleich zu denen sind sie günstig. Gefahren sehe ich nicht – es ist vielmehr so wie mit deinem Blog. Du hättest nie eine Paulsen – Zeitschrift finanziell stemmen können. Aber es würde etwas fehlen ohne das NutriCulinary Blog.

NutriCulinary Auf der begleitenden Internetseite zum Festival sind Wein-Touren und Feinschmecker-Exkursionen angekündigt, was erwartet die Festivalbesucher in kulinarischer Hinsicht.

Günter Beer: Annett Abstoss, eine in Texas geborene Salzburgerin, die fließend Catalan spricht und die gesamte Gastro Szene genau kennt, wird Exkursionen organisieren – das Priorat liegt nahe – derzeit entwickelt sich abseits der etablierten „Molekularküche“ eine junge natürliche Küche. Gerade da gibt es im Umkreis von Tarragona viel zu entdecken.

NutriCulinary: Auch einen eigenen Food Photo Award hast Du für das Festival ins Leben gerufen. Wer kann sich wie dafür bewerben und wer sitzt in der Fachjury?

Günter Beer: Nominiert sind die Ausgestellten – ich laufe selbstverständlich außer Konkurrenz. Die Jury besteht aus Prof. Rolf Nobel von der Uni Hannover, Peter Steiner, Art Direktor des Feinschmecker, des weiteren sind angefragt: die Kochbuch-Chefin des Parragon Verlags, dem weltgrößten Kochbuch Verleger, sowie der Verleger eines belgischen Verlages der wunderschöne Food Bücher macht und Jose Luis Merino, Art Direktor aus Barcelona. Insgesamt werden es 5 Juroren sein.

Ferran Adrià, © Günter Beer

NutriCulinary: Du arbeitest selbst seit vielen Jahren als Food- Still- und People-Fotograf, hast mit vielen namhaften Köchen gearbeitet, einige von ihnen auch porträtier. Wirst Du in Tarragona Deine Portraits berühmter Küchenchefs zeigen, darunter Ferran Adrià, Michel Bras, Marc Veyrat, Joan Roca und Eckart Witzigmann?

Günter Beer: Ich bin noch nicht sicher ob ich die Küchenchef- Serie ausstelle oder lieber Step-Bilder aus meiner neuesten iPhone App Kochen! Das ist so genial wenn du als Betrachter in die Pfanne kriechst und siehst: bei Patrik Jaros bäckt es auch an. Aha, so geht das also. Ich denke, diese Bilder auf 1qm vergrößert sind beeindruckend.

NutriCulinary: Was erhoffst Du Dir für das- und vom FOODPHOTO-Festival? Wird es eine Fortsetzung geben?

Günter Beer: Das Festival verfolgt zwei Ziele, das Image der Foodfotografie und die Menschen dahinter. Dazu eine Anekdote: In Perpignan saß ich während einer der Diaschauen neben einer Fotoredakteuerin vom STERN. Sie frage mich, was ich denn derzeit eigentlich so mache. Ich: „Kochbücher“. 15 Minuten Pause und andere Themen. Dann sie: „Was für Kochbücher?“ Ich: „ach, z. B. Culinaria Spanien“. Wieder eine Pause und andere Themen. Dann sie: „Weisst du, Culinaria Spanien habe ich privat zuhause – ich bin Bild-Profi. Denkst du ich habe nachgeschaut, wer das Buch fotografiert hat?“

Food Fotografie ist überall- Fotografen wie David Loftus erreichen Auflagen von 16 Mio. weltweit. Aber wir, Fotografen wie Stylisten sind immer im Schatten der Nutzfotografie – des Kommerziellen. Das stimmt zwar, aber doch nicht ausschließlich. Thema Kunsthandel: Seit etwa 15 Jahren ist die Fotografie auch für den Kunsthandel interessant geworden. Aber auch da, Sozial Fotografie a la Martin Parr oder Landschaften a la Gursky…. Wenn du in der Kunstgeschichte zurückblickst, dann war vor ein paar Jahrhunderten, neben klerikaler Auftragskunst, das Food Stillleben das vorherrschende Subjekt der Maler. Frisches Obst und Gemüse, Fasane und ganze Wildschweine hängte man sich an die Wand. Wir wollen die Food Fotografie in den Focus des Kunsthandels rücken. Das geht natürlich nicht mit einer Ausstellung. Daher wird das FOODPHOTO Festival jährlich stattfinden und sich hoffentlich zu einem vergnüglichen und inspirierenden Treffen der Branche – von Stylisten über Köchen bis zu Fotografen und Verlagen entwickeln.

einer der Ausstellungsorte in Tarragona © Günter Beer

Die Umgebung dazu stimmt, Tarragona ist schön, gut zu erreichen, hat eine gute Infrastruktur und stellt dem FoodPhoto Festival renovierte Lagerhallen, Docks im Hafen, für die Ausstellungen und die Workshops sowie das Network Center zur Verfügung. Außerdem, vor den römischen Stadtmauern gelegen, ein mit Segeltuch bespanntes Amphitheater für die abendlichen Projektionsschauen und die Preisvergabe. Ach so, der Preis: Dennis Thies wird seine 2003 geschaffene Stahlskulptur „pumpkin heads“ für die Preise auf Schreibtischgröße verkleinern. Die Skulptur ist für mich symptomatisch für das Festival, von ästhetisch und künstlerischem Wert – aber auch augenzwinkernd Vergnüglich.

NutriCulinary: Du lebst in der Nähe von Barcelona, verrate uns bitte zum Abschluss noch Deine kulinarischen Lieblingsorte in der katalanischen Metropole.

Günter Beer: Seit ich zwei Kinder täglich aus der Studioküche abfüttere habe ich selten Gelegenheit für hippe Plätze. Aber das Restaurant unseres Schirmherren Juan Roca in Girona und auch Santi Santamaria in Sant Celoni sind eine Reise wert. Meine Lieblings Taps Bar, für die Seafood Liebhaber, heißt Cal Pep und liegt in Barcelona am Placa de les Olles.

NutriCulinary: Vielen Dank für das Interview!

Günter Beer: Danke dir.

Nähere Informationen und aktuelle Programm-Updates zum FOODPHOTO 2010 Festival in Tarragona findet sich unter:

www.foodphotofestival.org

Ausstellungen 1.- 17. Oktober 2010 (Eintritt frei)

Professional Week: 5.- 9. Oktober 2010 (Registrierung erforderlich 50,- EUR)

Screenings: 6. – 9. 10. 2010 (Eintritt approx 5,- EUR – für registrierte Profis frei)

Preisverleihung: 9. Oktober 2010 (Eintritt approx 5,- EUR – für registrierte Profis frei)