Unterwegs: Chianti – Die Bistecca des Signore Cecchini

When the moon hits your eye, like a big-a pizza pie, that´s amore… Dean Martin singt von der Liebe, die Lautsprecherboxen sind voll aufgedreht, Dario Cecchini zückt die blinkende Klinge, schmettert aus tiefster Stimmlage lautstark mit: „…’Scusami, but you see
back in old Napoli, that’s amore!
“ Weich gleitet das mächtige Messer durch dunkelrot marmoriertes Fleisch bis zum Knochen. Galant eine Verbeugung andeutend, wechselt der Meister zur Säge, das Publikum jubelt, als er das erste dicke Bistecca abtrennt und beidhändig, zärtlich in die Höhe hält. Szenenapplaus, Fotoapparate blitzen, Handycams werden geschwenkt und Gläser mit würzigem Chianti-Wein. Es ist ein schöner Sonntagmorgen im toskanischen Panzano und ein Tag wie jeder andere in Dario Cecchinis kleiner Metzgerei. Täglich hält der Dio di Bistecca hier Hof, ehrt und feiert das Fleisch des berühmten weißen Chianina Rind – und nebenbei ein bisschen sich selbst.

Dicht gedrängt stehen Kunden und Schaulustige, der Meister begrüßt die Neuankömmlinge persönlich, in der linken Pranke balanciert er einen hohen, gefährlich sich neigenden Turm aus ineinander gestapelten Wassergläsern, in das oberste Glas gießt er bis zur Neige Wein aus einer Korbflasche, buon giorno und hereinspaziert! Auf großen Platten werden dick bestrichenen Schmalz-Crostini rumgereicht, zum Rotwein am Vormittag ein Segen. Schon steht der Meister wieder hinter dem Tresen, schneidet und sägt verzückt die Fleischstücke für die berühmten Bistecca alla fiorentina.

Ein knappes Kilo, manchmal mehr, wiegen die einzelnen Steaks für zwei Esser berechnet, traditionell werden sie über Holzkohle gegrillt, mit Meersalz und schwarzem Pfeffer gewürzt und dann final in Olivenöl gebadet serviert. Beilagen Nebensache. Der Klassiker der toskanischen Küche kommt vom heimischen Chianina Rind, die ausschließlich mit Heu gefütterten Tiere haben ein besonders saftiges und zartes Fleisch. Bei Dario Cecchini reift dieses Fleisch trocken in der Kühlkammer, nicht im Vaakuum-Beutel, darum ist das Fleisch aus seiner Metzgerei besonders würzig und aromatisch. Im Chianti war Dario Cecchini schon lange bekannt für sein gutes Fleisch. Er selbst wurde während der BSE-Krise berühmt.

Aus Angst vor dem Rinderwahnsinn verbot die italienische Regierung den Verkauf von Rindfleisch an- und mit dem Geschmack gebenden Wirbelsäulenknochen. Dario Cecchini trug damals das letzte Bistecca alla fiorentina, in einem langen Trauermarsch theatral durch die Gassen des Ortes und wortwörtlich zu Grabe. Begleitet von reichlich Presse und TV. Den Grabgang belegen und beklagen bis heute zwei schwere Marmortafeln mit schwarzer Inschrift am Eingang der Metzgerei, mahnend klemmt eine rote Rose dazwischen. Fünf Jahre später, 2006, konnte man dann gottlob die Auferstehung der Bistecca alla fiorentina feiern, seitdem reisen Kulinariker aus aller Welt nach Panzano, zur Anbetung des ultimativen Steaks.

Anthony Bourdain war hier (und fürchtete sich zunächst ein bisschen vor dem großen und lauten Metzgermeister), auch Bill Buford, Autor des kulinarischen Bestellers Hitze war extra aus Amerika angereist um zu recherchieren. Wir haben Glück. Wir wohnen hier seit ein paar Tagen, vorübergehend, um die Ecke. Eines der schönen Steaks gibt es für uns aber trotzdem nicht. Der Meister blickt etwas irritiert zu mir herunter als ich mutig und vom frühen Wein befeuert meine Bestellung aufgebe: die Fleischstücke seien alle bereits vorbestellt und verkauft. Aber gerne Montag. Montag also. Für Signore Paul, vier Finger breit.

Gleich um die Ecke, ein paar Schritte die Strasse hinunter, lernen wir noch am selben Tag Signore Duilio Cavaciocchi kennen, Inhaber und Direktor der Enoteca del Chianti Classico.

In seinem schönen Geschäft findet sich das beinahe vollständige Weinangebot der Region Chianti, nicht nur fast alle Weingüter sind gelistet, auch weit in der Zeit zurückliegende Jahrgänge einzelner Lagen sind hier (noch) erhältlich. Lange Jahrgangslisten und Preistabellen auf handgeschriebene Kärtchen künden mit zartem Strich von den Schätzen in den Tiefen der Weinregale. Hier und da macht ein Querstrich seufzend. Obwohl wir kein Italienisch sprechen und Signore kein Deutsch, entwickelt sich sofort ein langes und lebhaftes Gespräch zwischen uns: Herr Cavaciocchi erklärt und erzählt mit Begeisterung auf Italienisch plus etwas Englisch dazu, wir fragen per Handzeichen nach, antworten begeistert mit irrtümlich der italienischen Sprache zugeordneten Wortfetzen in Spanisch. Wir verstehen uns. Einen besonders schönen Wein fürs Bistecca hat Herr Cavaciocchi dann natürlich auch da. Also mehrere Flaschen.

Montag! Das Rat Pack gibt zur Abholung ein Ständchen, die Bude ist schon wieder gerammelt voll. Glas Wein? Gerne! Da ist es: unser eigenes Bistecca vom Metzger Cecchini! Willkommen mir du Tag der Freude!

So ein richtiges Bistecca alla fiorentina wird es allerdings nicht werden, hier im Herzen des Chianti, inmitten von Weinbergen und Olivenhainen, ist offenes Feuer verboten, das traditionelle Grillen über Holzkohle entfällt. In der kleinen Küche unserer Ferienwohnung finde ich nach kurzer, hektischer Suche, die klassische Ferienwohnungspfanne: eine leichtgewichtige, schwer zerkratzte Alu-Bratpfanne mit hügelig verzogenem Boden aus den Tagen da Cyrenius Landpfleger von Syrien war.

Schreckensstarr lasse ich das eingeschweißte Fleischstück in der Pfanne probeliegen. Es passt! Ab hier gilt die Ferienwohnungskochregel Nummer eins: mit gutem Equipement kanns jeder. Ich gebe das Fleisch nicht mehr in den Kühlschrank, in zwei Stunden kann gegessen werden, solang darf es lüften und soll Zimmertemperatur annehmen, das gute Stück:

Derweil kümmere ich mich um die Beilagen, die eigentlich zu vernachlässigen sind, kurze Recherchen ergaben, dass zumindest etwas Gemüse wohl gelitten ist und ein paar Kartoffeln klar gehen.

Im Ofen gare ich Kartoffelwürfel mit Olivenöl und Rosmarin (der Rosmarin wächst hier als Gartenhecke!), ich gebe ein paar ganze, ungeschälte Knoblauchzehen dazu, ein duftend-aromatisches Knoblauchpüree lässt sich später leicht herausdrücken. Möhrenbalken, Zwiebelstreifen und jungen grünen Spargel dünste ich mit etwas Fenchelsaat im Topf an, lösche mit einem Schwupps Vernaccia di San Gimignano ab, gebe Salz, schwarzen Pfeffer und etwas Wasser dazu und lassen das ganze zugedeckt leise simmern. Durch die Säure des Weißweins gart das Gemüse langsamer und braucht in etwa genau so lange wie die Kartoffeln, die bei 200 Grad im Ofen garen: 20-25 Minuten. Sieht dann so aus:

Das Fleisch würze ich nebenbei auf einer Seite mit grobem Meersalz und schwarzem Pfeffer, brate es in der lustigen Ferienwohnungspfanne in Olivenöl an. Ein echtes Bistecca alla fiorentina kommt ohne Olivenöl auf den Grill, das Öl wird beim Anbraten bitter, sagen die Konservativen. Ich habe gar keinen Grill, ich habe hier eine öddelige Ferienwohnungspfanne. Obere Seite ebenfalls würzen rumdrehen und ebenfalls anbraten. Jetzt ungefähr 20-25 Minuten unter emsigen Wendemanövern braten, das geht in einer Ferienwohnungspfanne auf einem Ferienwohnungsherd so mittel. Der kann nämlich nur Voll-Gas oder aus. Zum Ende der Garzeit hat das dann doch überraschend viel Ähnlichkeit mit dem traditionellen Bistecca alla fiorentina, auch das ist leicht geschwärzt wenn es soweit ist:

Kerntemperatur ist zu diesem Zeitpunkt 40 Grad. Ja-ha, Sie lachen! Das ist mir aber egal, ich habe im Urlaub tatsächlich meinen Kerntemperaturmesser dabei. Der sagt mir auch, dass der 2005 Castellare Di Castellina aus dem Kühlschrank jetzt 6 Grad hat. Passt! Auf der Terrazza ist es noch warm, wenn das Essen gleich losgeht ist der Wein perfekt temperiert, ein bisschen atmen soll er auch noch. Die Aufmerksamkeit hat er verdient, der 2005er gehört zur Top Ten der Chianti Classico meint vinum, ich meine: grazie mille, Signore Cavaciocchi!

„Geht es jetzt mal langsam los?!“, ruft die Liebste. Ja, das wäre schön. Leider will ja auch alles fotografisch dokumentiert werden. Foodbloggen ist ein Schicksal, insbesondere für die armen Angehörigen. Nach einer kurzen Ruhepause neben den Beilagen im ausgeschalteten Ofen wird das Fleisch vom Knochen gelöst und in Scheiben aufgeschnitten. Trotz der doch sehr lauen Kerntemperatur ist das Fleisch zart, nicht zu roh. Mit Meersalz und Pfeffer bestreut und frisch mit dem Olivenöl der Nachbarin beträufelt, wird aufgetragen.

Beinahe perfekt! Das Fleisch hätte eine umsichtigere Behandlung als die Zubereitung in der Ferienwohnungspfanne verdient, aber den Umständen entsprechend war es dann doch eines dieser Gerichte die man nicht mehr vergisst, selbst wenn man Abendsonne und Aussicht abzieht.

Infos:

Das Fleisch

Antika Macelleria Cecchini
Via XX Lugio, II
55020 Panzano in Chianti (Firenze)
www.dariocecchini.com

Der Wein

Enoteca del Chianti Classico di Panzano in Chinati
Porpretario e Direttore alle vendite: Duilio Cavaciocchi
Via Chiantigiana, 15-19
50020 Panzano in Chianti (FI)
Tel: +39 055 852495

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