Probiert: Herpichs Petite Cuisine, Bayreuth

Kennen gelernt habe ich den Koch und Gastronom Heiner Herpich als ich im vergangenen Jahr auf Einladung des Bayreuther Literaturcafés für zwei Menü-Leseabende in seiner Brasserie Herpich zu Gast war. Damals kochte Herpich eine bodenständige, herzhafte Bistroküche, sein Restaurant lag nicht gerade in bester Lauflage.

Jetzt ist Herpich umgezogen, sein neues Restaurant liegt inmitten der historischen Bayreuther Friedrichstrasse, das großzügig breite Straßenband ist gesäumt von imposanten Sandstein-Prachtbauten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Hier, in der Nummer 10, lebte der Dichterfürst Jean Paul, hier findet sich seit ein paar Monaten Herpichs Petite Cuisine.

Im Erdgeschoss führt linkerhand eine Glastür zur angeschlossenen Bar Du Vin, Herpich ist Weinliebhaber, pflegt hier aber auch seine Leidenschaft für Whisk(e)y über 60 Positionen stehen hier zur Auswahl und Herpich weiß zu jeder Bottle was zu erzählen. Im freundlichen Restaurant, vereinen sich zurückhaltender Modernismus mit Artefakten aus alter Zeit, deutlich ist die weibliche Hand in der umsichtigen Gestaltung zu erkennen. Die Hand gehört Herpichs Lebensgefährtin Gerlinde Buhrs, die den Service leitet, den gesamten Abend getreu verfolgt von Dackeldame Jean-Paula.

Auf der Karte finden sich neben einigen À la carte Vorspeisen und Haupgängen eine ganze Seite mit kleinen Gerichten der “Petite Cuisine“, jede Köstlichkeit gibt es für 8,50 €. Ich wähle das Petite Cusine-Viergang-Menü Surpirse (28,50 €). Die Weinkarte ist überraschend stark italienischer Prägung, „Die Akzeptanz!“, erklärt mir Herpich später auf meine Frage, warum der Petite Cusine Weinkeller überwiegend in italienischer Hand ist. Die richtige guten, teuren Franzosen bekomme er hier nicht verkauft und im bezahlbaren, qualitativen Mittelfeld seien die Italiener einfach stärker, sagt Herpich.

Los geht es mit einem Korb krachend frischem Baguette und Thunfischcreme, als Apero ein Glas Sommerende: eisgekühlt vermählen sich feinster Williams Christ Birnenbrand mit prickelndem Prosecco im Glas. Der erste Gang wir aufgetragen, drei perfekt gebratene, dicke Jacobsmuscheln, auf einem scharfen Raukesalat der durch ein cremiges Sauerrahmdressing Milderung erfährt. Wenige Körner knuspriges Fleur du Sel und einige Tropfen aromatisches Olivenöl runden die Harmonie auf dem Teller. Nichts ist zu viel, nichts fehlt. Die Produkte dürfen ihre eigene Sprache sprechen und werden dabei zum ausdrucksstarken Chor. Perfekt!

Der Fränkische Sommerach Riesling, im offenen Ausschank für 4 € das Glas, ist mineralisch frisch, eine rustikale Angelegenheit, kernig und mit Charakter. Ich betrachte die historischen Fotografien an der Wand, die schwarz-weiß-braunen Bilder sind Zeugen einer Zeit, als die Fotografie noch etwas ganz besonderes war. Die portraitierten Bürger der Stadt blicken konzentriert und ernsthaft in die Kamera, einig im Wunsch, die Welt einen Moment lang festzuhalten.

Auf dem Teller vor mir finden sich drei knackige Garnelen auf Sauren Linsen, Letztere eine sehr süddeutsche Angelegenheit und in Kombination mit Garnelen so gewagt wie hier gelungen. Die nussigen Garnelen harmonieren bestens mit dem dunkel-cremigen Linsengemüse, das mit Balsamessig gesäuert und mit Honig in perfekte Balance gebracht wurde.

Der Hauptgang ein Höhepunkt, butterzart in Rotwein geschmorte Kalbsbäckchen in würziger Jus mit einer cremigen Polenta und erneut einigen Tropfen hocharomatischen Olivenöls, die für geschmackliche Dreidimensionalität sorgen. Die Crème brûlée zum Dessert ist ein Crème brûlée.

Auf meinen Wunsch hin, führt mich Frau Buhrs nach dem Essen noch schnell hinauf in die Heiligen Hallen des “Salon Jean Paul“. In den historischen Wohnräumen des Dichters findet sich Platz für bis zu fünfzig Personen, hier kann unter feinstem Zierstuck und Kronleuchtern im historischen Ambiente getafelt werden-selbst die Ochsenblut-dunkle Wandfarbe steht unter Denkmalschutz.

Und hier schließt sich der Kreis, denn das Literaturcafé Bayreuth, dass mich einst mit meinem Buch zur Menü-Lesung in die Festspielstadt einlud, ist mit Heiner Herpich umgezogen und präsentiert am 14. und 15. Oktober den geschätzten Kollegen Gregor Weber, der im Salon Jean Paul aus seinem Buch Kochen ist Krieg lesen wird. In guter Tradition wird auch diese Lesung durch ein Drei Gang Menü begleitet. Es gibt Saarländische Spezialitäten, Autor und Schauspieler Weber gibt nämlich regelmäßig auch den saarländischen Tatort-Kommissar Deininger.

Auf einen Absacker noch in die schöne Bar Du Vin, ein Trupp junger Damen versucht sich jauchzend am Sommerende, aus den Boxen schmeichelt alter Big Band Swing den Ohren und nur die Vernunft mahnt dann doch zum Aufbruch.

Herpichs Restaurant
Bar du vin / Salon Jean Paul /Petite Cuisine

Friedrichstraße 10
95444 Bayreuth
Tel: 0921 / 22 100
Montag bis Samstag
11 – 14 Uhr / 17 – 24 Uhr
www.herpichs.de

Menülesung mit Greogor Weber
Kochen ist Krieg

Do. 14. Oktober 2010, 19:30 Uhr
Fr. 15 Oktober 2010, 19:30 Uhr
Jean Paul Salon bei Herpichs, Friedrichstraße 10, Bayreuth
Vorverkauf: Theaterkasse Bayreuth und Herpichs Petite Cuisine
Karten: EUR 34,50 (Hörplatz: EUR 29,50) inkl. 3-Gang-Menue.

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