Kochen mit Spirituosen (1): Mit Hendrick´s Gin gebeizter Graved Lachs

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Barkultur, das war in den achtziger- und neunziger Jahren was für Popper, Sakkoträger und Tom Cruise-Fans. Wir waren jung, wir tranken Bier, entdeckten Wein und verachteten das bunte Gepansche, den Schirmchen-Zuckerrand-Obstsalat-Hokuspokus (Charles Schuhmann hatten wir im Gewühl übersehen). Dankenswerter Weise hat sich eine neue Generation von Mixologen in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich um eine komplette Reform der Bar bemüht: aus der Wiederentdeckung klassischer Cocktail-Kultur und historischer Vintage-Drinks entwickelte sich ein neues Stilverständnis – basierende auf Handwerk und hochqualitative Spirituosen, wird umsichtig modernisiert und weiter entwickelt, ohne dabei die Wurzel aus den Augen zu verlieren. Barkeeper und Koch nähern sich dabei in Arbeitsweise und Anspruch, die Verwandtschaft der Genuss-Disziplinen wird, gerade im Bereich Kreation, immer deutlicher.

In der Küche selbst eröffnet die Beschäftigung mit Spirituosen neue Welten und kulinarische Möglichkeiten. Alkohol ist dabei erstmal schlicht ein formidabler Geschmacksträger, darüber hinaus begeistert mich persönlich die Komplexität und Geschmacksvielfalt hochwertiger Spirituosen beim Kochen schon lange – über den wohlbekannten Einsatz in der Pâtisserie hinaus. Alleine die Verwendung diverser Sherrys und Portweine anstelle von Weißwein und Rotwein, zaubert ungekannt tiefe Saucen und vielschichtige Fonds. Französischer Wermut, wie etwa Noilly Prat, finden schon immer Verwendung in der Küche, aber auch Tequila, Gin, Rum, Whisky und Co. können, an der richtigen Stelle eingesetzt, zu raffinierten Würzern und überraschenden Aromaten werden.

In loser Folge möchte ich künftig Rezepte aus meiner Spirituosen-Küche vorstellen, beginnen will ich mit einem so schlichten, wie beispielhaft überraschenden Rezept für Graved Lachs mit Hendrick´s Gin. Als Gin Tonic wird Hendrick´s Gin immer mit Eiswürfeln und ein paar Salatgurkenscheiben im Longdrinkglas serviert, das unterstreicht und visualisiert das ausgeprägte Gurkenaroma, welches der schottische Wachholderschnaps von William Grant & Sons von sich aus mitbringt. Meine Mischung: 60 ml Hendrik´s Gin, Eiswürfel, Gurke, mit eiskaltem Thomas Henry Tonic Water auffüllen. Aber wir wollen ja kochen:

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Als die Liebste mich zum Wochenende bat, für ein Essen mit ihrer Familie einen Lachs zu beizen und zwar „klassisch bitte!“, kam mir die Idee. Am Freitag rieb ich eine Seite Wildlachs (superfrisch, geschuppt, auf der Haut, entgrätet) mit gerade mal 3 Esslöffeln Hendrick´s Gin ein, die charakteristischen Aromen des Gins, eben Wachholder und Gurke, habe ich genutzt um den Lachs zu aromatisieren. Es roch sofort appetitlich frisch und dezent nach Wachholder. Ich bedeckte das Lachsfleisch mit frisch geschnittenem Dill und fein abgeriebener Bio-Zitronenschale, mischte 60 g Zucker mit 40 g Salz und gab diese Mischung über den Fisch. Ich habe die Lachsseite dann in einer Form mit hohem Rand, zugedeckt im Kühlschrank 20 Stunden gebeizt.

Den fertig gebeizten Lachs habe ich anderntags unter kaltem Wasser abgespült, trocken getupft und von der Haut geschnitten. Das gehäutete Lachsfilet habe ich der Länge nach halbiert. Ds dickere Stück habe ich mit Olivenöl eingerieben und in frisch gehackten Kräutern (Dill, Schnittlauch) gewälzt (siehe oben). Das, sich zum Bauchlappen verjüngende, Stück des Lachsfilets ist kräftiger gebeizt (weil dünner), ich habe es fein gewürfelt und mit 150 g Créme fraîche, 1 Tl Dijon-Senf und einem Spritzer Zitronensaft zu einem Tatar verrührt, leicht gesalzen. Das Filetstück im Kräutermantel habe ich in 2 cm dicke Scheiben geschnitten, die wie Marzipan im Mund zergingen, die Konsistenz des Lachs erinnerte an rohen Thunfisch. Das Wachholderaroma sehr fein, dazu die Frische der Gurken-Aromen, die sehr gut mit Dill und Schnittlauch harmonierten. Den Tatar habe ich neben den Lachsscheiben in Nockenform angerichtet und alles mit Blattsalaten in Schalotten-Vinaigrette serviert. Baguette dazu und glücklich sein.

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