Burger Monday: wie der “Hamburg Hamburger” nach London kam

Der Mann, der den Burger Monday erfunden hat, sitzt an einem runden Ecktisch im The Draft House Pub am Fuße der Tower Bridge und lächelt die Besucher aus Deutschland entschuldigend an, zeigt auf seinen Mund, der verschlossen bleibt – Stimmverlust durch Erkältung. Dabei hat Daniel Youngs Stimme ansonsten durchaus Gewicht, Young ist Gastrokritiker, Café-Aficionado und Kochbuchautor, schrieb u.a. regelmäßig für die New York Post, er arbeitet heute freiberuflich für Zeitungen und Foodmagazine und pflegt ansonsten eine ganz besondere, kulinarische Leidenschaft: Daniel Young liebt Burger. Ein gut gemachter Burger ist für Daniel Young nicht Fast Food, sondern ein kulinarischer Glücksfall.

Regelmäßig läd er sich darum unter dem Label young&foodish Küchenchefs zum Burger Monday nach London ein, die dort ihre Version des Hackfleischbrötchen im Rahmen eines Dreigang-Menüs servieren. Und oben in der Küche des Pubs steht heute mein alter Freund und Kollege Oliver Trific vom Restaurant Trific in Hamburg, der erste deutsche Gastkoch beim Burger Monday – sein Auftrag: der Hamburg Hamburger. Der Speiseeraum des The Draft House ist an diesem Abend gleich zweimal ausverkauft, insgesamt 80 Londoner freuen sich auf den Burger aus der Heimatstadt des Burgers.

Oben in der Küche, einem kombüsenartigen Schlauch in S-Form, wirbelt die Küchenmannschaft bei steigenden Temperaturen: Neben Küchenchef Ricardo hat heute hier auch Richard ein Wörtchen mitzureden, mit rotem Bart, beeindruckender Statur und einem Händchen für die Feinheiten der Küche (“touch the salad gently, it´s a lady!”). Grillgott Greg aus Jamaica hat gut Lachen, während er die großformatigen Burger Patties aus schottischem Rindfleisch würzt, Carl ist Ire und beherrscht (u.a.) die Kunst 40 Wachteleier gleichzeitig zu braten, während Spüler Javier versucht, den Salat wie eine Dame zu behandeln. Freund Oliver findet sich in Mitten eine Küchenmannschaft wieder, die heute, hier und unter seiner Anleitung, seinen Hamburg Hamburger umsetzen wird. Ungewohnt für Oliver, der Zuhause im trific oft genug die Küche im Alleingang schmeißt.

Mit kreisenden Bewegungen streicht Richard die Creme für den ersten Gang mittig auf die Teller, es gibt Vitello Heilbutto, meines Erachtens jetzt schon ein Klassiker, ein signature dish des trifics, ein perfekter Gang: Wie beim italienischen Vitello Tonnato wird butterzart, rosa gegartes Kalbfleisch, kalt und hauchdünn aufgeschnitten, dann aber, statt mit Thunfisch-Zitronenmayonnaise, auf einer feinen Creme aus hausgemachter Mayonnaise mit geräuchertem Heilbutt (!) gebettet und mit Salat und frittierten Kapern angerichtet.

Die Räuchernote des Heilbutts gibt den Umami-Kick und veredelt das zarte Kalbfleisch, knackiger Salat sorgt für Frische und die frittierten Kapern sind für sich schon eine Sensation: durch das Frittieren intensiviert sich der Geschmack der würzig eingelegten Blütenknospen maximal, dazu sind sie schön knusprig.

Auch London ist begeister, Daniel Young hat seine Stimme für eine schöne Vorstellung des Gastkoches und seiner Idee des Burger Mondays gespart, jetzt wird die Vorspeise mit Vergnügen vom Publikum des ersten Reservierungs-Durchgangs weggespachtelt, laut und fröhlich geht es hier zu, der Service schenkt Bier aus großen, beschlagenen Pitchern ein – das einfache Lager des Hauses passt hervorragend zum ersten Gang.

In der Küche ist die Hitze gestiegen, Greg wirft die schwerwiegenden Fleisch-Patties auf den Rost, Flammen schlagen in die Höhe, es raucht ganz ordentlich, mit lässiger Konzentriertheit legt der Grillmeister Burger nach, wendet die Fleischklopse, nur seiner inneren Uhr verpflichtet – am Ende des Abends wird er alle 80 Burger perfekt medium gebraten haben. Na gut. 79. Ein Gast möchte seinen Burger well-done. Seufzend wirft Greg den Burger zurück aufs Gitter, what a waste.

Vorne stapeln Oliver und seine Küchencrew die schweren Teller auf der Anrichte, auch die Sesam-Brötchen wurden kurz geröstet, werden jetzt mit Salat belegt und hauchdünnen Scheiben von kurz-marinierter Rote Bete. Bitte, wie? Rote Bete auf einem Burger?

Als Oliver die Einladung erhielt, für London den Hamburg Hamburger zu kreieren, hatte er die Idee, das Hamburger Labskaus zu „dekonstruieren“ und aus den Einzelteilen des Klassikers einen Burger zu bauen. Für das klassische Labskaus wandern gepökeltes, gekochtes Rindfleisch mit Kartoffeln und Roter Beete durch den Schredder, zur rosa Mumpe gibt es ein Ei und eingelegten Hering. Bei Oliver wurde daraus: ein saftig gebratener Rindfleisch-Burger aus reinem Hack (nur mit Pfeffer und englischem Maldon-Salz gewürzt), auf geröstetem Burger Brötchen mit kurz marinierter Rote Beete, geräucherter Schalotten-Mayonnaise, Wachtelei und separat serviertem Herings-Tatar.

Es lohnt ein zweiter Blick auf die großartige Kombination. Die kurz marinierte Rote Beete war ursprünglich dem Umstand geschuldet, dass es im Wortsinn schwer werden würde, eingelegte Rote Beete für 80 Personen nach England zu schleppen. Oliver kam auf die Idee, die Rote Beete erst vor Ort roh und sehr fein aufzuschneiden, diese Scheiben dann mit einer kochenden Würzmarinade zu übergießen. In der Marinade erkaltet: köstlich schmeckende Rote Beete mit einer Konsistenz, die an eingelegten Sushi-Ingwer erinnert. Völlig verfallen bin ich persönlich auch der Mayonnaise von hausgeräucherten Schalotten- schlicht ein Meisterstück. Beim Probeessen in Hamburg war noch vorgesehen, die Mayonnaise nur dünn auf die Burger zu streichen, die Gäste bestellten gläserweise nach und versenkten ihre Pommes Frites darin. (Ab dieser Woche steht die Räucherschalotten-Mayonnaise auf der Karte des trific, wird zu den Moules-Frites serviert, das müssen Sie probieren!)

Den separat servierten Herings-Tatar beäugten wir schon beim Probeessen in Hamburg misstrauisch, ähnlich gings den Gästen in London. Und wie auch wir, bestellten die Londoner begeistert nach, nachdem die vermeintliche Hemmschwelle zum Genuss genommen war: die Kombination aus Hackfleisch und Hering ist Umami pur im Mund.

Die Burger, wie auch das Dessert werden vom Draft House-Publikum gefeiert, keiner der Gäste ahnte die Dramen, die sich abspielten, um dieses Dessert heute Abend in London in dieser Form auf den Teller zu bringen. Die Variationen von Holunderbeeren waren ernsthaft in Gefahr, in ganz London hatten wir keinen Holunderbeersaft auftreiben können. Den machen die Menschen hier nämlich selbst – wenn es der Holunderbusch im Garten überhaupt zur Frucht bringt, denn Holunderblütensirup und Limonaden gibt es hier tausendfach, die Briten sind verrückt nach Elderflower.

Oliver behalf sich letztendlich mit schwarze Johannisbeere-Direktsaft, leicht parfümiert mit Holunderblütensirup und das Dessert wurde beklatscht, wie die Probeversion, die wir in Hamburg hatten probieren dürfen: Holunder-Granité, Grießmousse mit Holunderäpfeln, weiße Schokoladen-Panna Cotta.

v.l.n.r: Trific, Young, Siepert, Trific, T-Shirts

Am Ende wars ein großer Abend der deutsch-englischen Küchen-Freundschaft, vermittelt von Florian Siepert (foodtrips.co.uk), der Kulinarik-Botschafter mit Wohnsitz in London hatte Daniel Young und Oliver Trific zusammen gebracht. Als Gastgeschenk gabs für alle Besucher Kaffee der Hamburger Kaffeerösterrei Quijote und ein Event-T-Shirt, dass Wertsteigerung erfahren wird, ich bin sicher. Das herzliche Serviceteam des The Draft House sorgte dafür, dass es an nichts fehlte und in der Küche stand am Ende des Abends eine fröhliche Küchenmannschaft mit Gastgeber Young und einem sehr glücklichen Küchenchef.

Großartig wars, danke & cheers!

Links zum Thema:

www.youngandfoodish.com
www.trific.de
www.foodtrips.co.uk
www.drafthouse.co.uk
www.quijote-kaffee.de

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