Teamarbeit: das Silvestermenü 2012

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Zugegeben: der Zeitpunkt war wirklich gut gewählt, zwei Tage vor Silvester erschien auf sueddeutsche.de eine Polemik zum Thema “komplizierte Esseneinsladungen”, in der Autor Hilmar Klute unterstellte, dass “private Essenseinladungen immer häufiger zum ostentaiven Vorzeigen der eigenen Geschmacksverfeinerung genutzt werden“. Klute staunte in Folge über besteckreich geschmückte Tische, mehrstündige Menüs und insbesondere die langatmigen Ausführungen und Gespräche zu den verwendeten “Produkten”, die früher “Zutaten” hießen. Klute schrieb wortreich gegen all jene Dinge an, die dem Foodblogger und Kulinariker schlicht eine Selbstverständlichkeit sind. Und weil Klutes Polemik kein wirklicher Aufreger war, sonder Geschmackssache, wurde die Sau auch nur sehr kurz und halbherzig durchs kulinarische Netz getrieben, auch bei den Freunden in Berlin wurde per eilig einberufener Mailkonferenz entschieden: wir bleiben dabei, wir machens ein bißchen kompliziert und wir reden ausgiebig darüber, schon im Vorfeld: gleich nachher im Restaurant der erste grobe Schlachtplan, später die Feinheiten im Ablauf, am Tresen der Lieblingsbar.

Das Silvestermenü 2012 war kein Alleingang sondern Teamarbeit, mit früher Planungsphase per Mail, federmausführend war hier Gastgeber und Foodblogger Paul Fritze, der zu sich nachhause lud, drei der fünf Gänge erdachte und den kompletten Einkauf eintütete. Bernd und Flo kümmerten sich derweil, auch in Zusammenarbeit mit Torsten Goffin, um korrespondierende Getränke und die Weinauswahl, ich steuerte eineinhalb Menügänge bei und unsere Ladys sorgten u.a. für den festlich gedeckten Tisch, Feuerwerk, Budenzauber, Glanz & Glamour. Herrn Klute wäre wahrscheinlich vor Schreck der Schaumwein aus der Hand gerutscht.

1 Gang

Toller Auftakt: “Jakobsmuschel mit geräuchertem Topinamburpuree, eingelegtem Blumenkohl, Dill und Apfel.”, geschmacklich ein Fest, knackiger Blumenkohl trifft auf cremiges Püree und wachsweiche Jakobsmuschel, dazu die Frische des rohen Apfels, grandios! Mein Lieblingsgang an diesem Abend. Der Wein dazu passend wie ein maßgeschneiderter Anzug: ein trockener Nahe-Riesling 2011 vom Weingut Schäfer-Fröhlich. Mit diesem Wein werd ich noch Kuscheln gehen, im neuen Jahr.

2 Gang

In meiner Verantwortung der zweite Gang: “Sashimi von gebratenem Thunfisch mit Wasabi-Schmand”, “Sashimi” und “gebraten” schließen sich natürlich aus, geben aber Geschmack an den beinahe rohen Fisch in Sashimi-Qualität, der mit süßer Sojasauce, frischem Ingwer und schwarzem Pfeffer gewürzt und in Sekunden rundum kurz und scharf angebraten wird. Die Konsistenz erinnert an Marzipan. Gurke und Rettich habe ich in gezuckertem Essig schwimmen lassen, den Queller kurz gebraten, für feine Schärfe sorgte der Wasabi-Schmand. Der Wein dazu, zum Niederknien: Van Volxem Schiefer Riesling 2011 (von Hand gelesen in Schiefersteillage, Herr Klute!), ganz groß.

3 Gang

Der dritte Streich: “Hirschfilet mit Mandeln, Mandelschaum, Balsamico-Jus, Ofenzwiebeln, irischem Kartoffelstampf (mit Lauchringen, Petersilie- und Sellerie-Blättern)” – alles an seinem Platz und perfekt im Zusammenspiel der perfekt gebratene Hirsch, der cremige Stampf mit dem luftigen Mandelschaum, der feinen Säure von Balsamico in kräftiger Jus und die weichen, würzigen Zwiebeln. Der Wein dazu machte glücklich, ein Südfranzose, 2007er la Devèze, Côtes du Roussillion von Anne-Lise und Olivier Bernstein. Mein Lieblingswein an diesem Abend, eine Empfehlung von Food- und Weinblogger Torsten Goffin der an diesem Abend leider selbst nicht dabei sein konnte. Auch so einer, der gerne darüber redet – und dem man gerne zuhört. Danke Torsten, wir haben Dich vermisst!

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Überraschung des Abends, Paul Fritzes “Chevre Chaud – kleine Ziegenkäsesuppe mit Milch, Olivenöl und weissem Pfeffer gekocht. Mit gezupftem Frisee-Salat als Einlage, in Walnussöldressing mariniert, und ein gerösteter Brotchip”. Das Süppchen ist unfassbar Schlicht in der Zubereitung und geschmacklich eine kleine Sensation: fein säuerlich das Süppchen, dazu der bittere Frisée, gutes Öl und knuspriger Brotchip – genial! (evtl. verrät Herr Fritze sein Rezept auf Nachfrage) Der Wein dazu, ein La Florane, Cotes Du Rhones Visan Rouge 2009, frisch und jung, harmonierte bestens.

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Nimmermüde erkläre ich ja gerne: ich kann keine Desserts. Bis auf dieses: Berliner-Auflauf. Mache ich seit Jahren, damit war ich sogar schon im Fernsehen. Paul Fritze servierte dazu ein cremiges, hausgemachtes Eis aus gerösteten Haselnüssen und Karamell. Novum und Knaller zur Teamarbeit: Freund Bernd hatte als passende Getränkebegleitung Hopfenstopfer-Bier besorgt und nach eingehender Verkostung war klar: wir machen noch eine Hopfenstopfer-Bier-Sabayon dazu. Genial: klassisch aufgeschlagene Sabayon und zum Schluss haben wir einfach einen kleinen Schwupps vom frischen Bier drunter geschlagen. Das zitronige Aroma des Citra-Hopfens entfaltete sich in Vollendung und stellte die Verbindung zwichen Berliner-Soufflé, Eis, Karamell und der fruchtigen Komponente Himbeermark her. Großes Kino, echte Teamleistung.

Und auch der letzte Gang machte klar: so ein Menü, mit neuen Geschmacks-Kombinationen und entdeckenswerten Weinen, findet sich nur, wenn sich interessierte Menschen darüber austauschen, sich gegenseitig inspirieren, darüber reden, darüber schreiben. Weiter gehts also, ich freu mich jetzt schon drauf!

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