Gelesen: „supen. Eine Betrachtung der flüssigen Speisen“ von Dieter Froelich

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Gut also, es wird nichts mehr mit dem Frühling da draußen, da könnte Dieter Froelichs neuer Band supen. tröstlich wirken, denn es geht um allerlei Flüssiges, Wärmendes, Berauschendes. 2011 legte der Künstler und Kulinaristik-Forscher seinen ersten Band Topografie der Gemengsel und Gehäcksel vor. „Meisterhaft. Ein neuer Klassiker.“ schrieb ich in meiner Buchbesprechung von damals, bis heute begeistert mich Froelichs wissenschaftlich-analytischer Blick auf das Sujet, praxisnah und lesenswert erklärt. Kochen als Handwerk.

Mit supen. gelingt Froelich eine brillante Fortsetzung des Vorgängers, diesmal hat er sich dem Flüssigen zugewendet, den Getränken und Brühen, den Suppen und Eintöpfen, den Sülzen und Gelees. Detailiert verdeutlicht er Struktur und Aufbau von Rezepten und Rezeptgruppen, erklärt genau und mit reicher Beispielhaftigkeit: erneut schenkt uns der Ursprungsforscher eine überbordende Schatzkiste an alten Rezepten, meist aus deutschsprachigen Kochbüchern, vom Mittelalter bis hinein ins 18. und 19. Jahrhunderts, in lesbarer Form, erweitert und angereichert mit erläuternden Anmerkungen des Autors und historisch-wissenschaftlichen Abhandlungen zwischen den Kapiteln.

Ein einzigartig beeindruckender Blick auf Tradition, Zeit und Entwicklung des Kochens. Da findet sich beispielsweise ein frühes Rezept für „Catchup“ aus Bier und Gewürzen von 1784, es werden Zubereitung für Brühen, Saucen (von Consómme über Demi-glace bis zur Velouté), Suppen und Cremes gezeigt, Mayonnaise, Senf, Milchhaut und Weinsuppe bereitet.

Ganz besonders der Blick auf die geistigen Getränke gefällt: supen. ist auch ein Buch für Bartender, Cocktail-Connaisseure und Mixologen, die (Wieder)-entdeckung uralter Limonadenrezepte (Ginger Lemonade, 1862), Punsch-Variationen, Kaltschalen, Rosen Julep und Curassao (von 1808), dürften in Zeiten von „liquid kitchen“ und der Rückbesinnung auf Bar-Traditionen für erfreuliche Inspiration sorgen.

Ebenfalls gewohnt schmucklos kommt der Band daher, die Fotografie ist in schwarz-weiß gehalten, hier und da alte Graphiken und Zeichnungen – der Band ist eher nüchtern und gestalterisch von vornehmer Zurückhaltung geprägt, Froelich selbst zitiert dazu im Vorbemerk ein russsisches Sprichwort: „Die kluge Köchin beurteilt das Fleisch nach der Brühe, die dumme beurteilt es nach dem Schaum.“

Zum Autor:

Der 1959 geborene Dieter Froelich studierte in den 1980er Jahren Plastik an der Städelschule in Frankfurt am Main und besuchte dort die Kochseminare von Peter Kubelka, der in seinen Jahren als Professor und Rektor der Städelschule mit seiner Klasse für Film und Kochen als Kunstgattung neue Wege beschritt. Seit 1999 lehrt Froelich selbst Kochen als Kunstgattung und ist Vertreter der puristischen kulinarischen Praxis. 2003 entwickelte er die konzeptuelle Form eines mobilen Speiselokals und darf mit dem Projekt Restauration-a-a-o getrost als Vordenker der heute so populären Private Dinner/Supperclub-Bewegung bezeichnet werden.

Froelichs Sicht auf das Kochhandwerk ist nicht altbackener Traditionalismus, sondern dient der Wiederherstellen des kulinarischen Grundwissens und Kochen-Könnens, eine Vermittlung von gastrosophischen Zusammenhängen und elementaren Prinzipien. Das ist, zwischen Schäumchenrausch, Eventgastronomie, copy&paste-Kochforen und lärmenden TV-Kochshows, eine wohltuende Erinnerung.

Das Buch:

»supen. Getränk, Brühe, Sülze, Mus, Suppe, Eintopf
Eine Betrachtung der flüssigen Speisen«

Leseprobe als pdf

228 Seiten, 24 x 20,5 cm, Hardcover mit Schutzumschlag,
mit 84 s/w-Abbildungen und einer beiliegenden, vierfarbigen Karte.
Tinto Verlag – ISBN 978-3-941684-10-2,
24,90 € (D)

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