Brot selber backen: für Dummies, Laien und Besser-Wisser

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Der Duft von frischem Brot gehört zu den schönsten Küchendüften. Im Hause Paulsen ist er ein eher seltener Gast, ich bin nämlich, was das Brotbacken anbelangt, ähm… eher minderbegabt. Stets verdichten sich Wasser, Mehl und Treiber in meinem Backofen zu Zement-harten Quadern an denen sich selbst Bieber die Zähne ausbeißen würden. Mit Schrecken erinnert sich auch die Liebste an meinen letzten Backversuch, ich hatte „Sonntagsbrötchen“ gemacht – jedes einzelne der putzig aussehenden Sesamteiglinge (s.o.) ein gelungener Beitrag zur Unterstützung der Welthungerhilfe: mit nur einem Brötchen kriegt man bis zu zwölf Personen satt!

Ich könnte ja Brot und Brötchen auch kaufen. Leider wohne ich aber in Hamburg/Eimsbüttel und alle 12 (!) fußläufig erreichbaren „Bäckereien“ verkaufen die immergleichen freudlosen Backmischungen und sind beleidigt wenn man ihre pappigen „Krusties“ aus Versehen mit den pappigen „Krossies“ der Konkurrenz verwechselt. Dabei ist es wirklich echt völlig egal wo man sich angestellt hat, für das Grauen in Teigform.

Eine Weile lang glaubte ich noch an ein Nord-Süd-Gefälle. Auf Reisen fand ich südlich des Mains stets tadellos-lobenswertes Backwerk aus familiengeführten Bäckereien auf meinem Frühstücksteller. Aber auch hier sterben die handwerklichen Betriebe langsam aus und die Filialisten übernehmen. So erreichte mich beispielweise vergangene Woche aus dem schönen Feuchtwangen die Meldung, dass der letzte, noch in der Stadt nach Handwerksart backende Bäcker, an Heiligabend seinen Laden schließen wird.

Es bleibt die Hoffnung, dass es mit dem Brot so werden wird, wie mit dem Bier. Erinnern Sie sich? Das Brauerei-Sterben? Die Heuschreckeneinkäufe der großen Bierkonzerne. Landauf-Landab die ewig gleichen TV-beworbenen Biere auf den Getränkekarten. Heute erobern Kleinst-Brauereien den Markt zurück, regionales und handwerklich gebrautes Craft-Beer mit Charakter ist gefragt wie nie.

Und ein paar wackere Kulinariker sind auch schon in Sachen Brot unterwegs, sie motivieren uns, den Teig endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen. Drei Brot-Rettungsmaßnamen möchte ich vorstellen:

1. Brotliebling – Brotbacken für Dummies!

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Das kann selbst ich! Beim Berliner Start up Brotliebling kann man sich Online sein Lieblingsbrot zusammenstellen, der Beutel mit der persönlichen Backmischung kommt per Post: mit Gebrauchsanleitung und sogar ein Bogen Backpapier ist dabei. Ob Mehl, Nüsse, Kräuter, Samen oder Früchte – Brotliebling verwendet ausschließlich Bio-Zutaten. Und mit jeder Bestellung tut man auch noch Gutes, denn Brotliebling unterstützt das Projekt Eine Mahlzeit für alle Kinder des Deutschen Kinderhilfswerks. Jeder Kauf eines Brotliebling-Brotes hilft bedürftigen Kindern in Berlin.

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Im Praxistest hat mich „mein“ Brot begeistert: Wasser dazu, kneten, gehen lassen, backen und fertig war mein Roggensauerteigbrot mit Roggenvollkornschrot, Meersalz, duftendem Kümmel und Sesam. Knusprige Kruste, lockere Krume, gehaltvoll, würzig. Das kann wirklich jeder:

www.brotliebling.de

2. Das Brotbackbuch – Lutz Geißler macht Lust auf „ursprüngliches Brot“

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Neidvoll blicke ich bisweilen ins kulinarische Internet, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen Foodblogger scheinen allesamt ein gutes Händchen für Brot zu haben. Einer der sich mit Leib und Seele der traditionellen Brotbackkunst verschrieben hat, ist der Geologe Lutz Geißler. Seit 2009 betreibt er sein Plötzblog – eine Online-Backstube in der Geißler die Geheimnisse von Bauernbrot, Brezel und Baguette erforscht. Die zahlreichen Rezepte sind mundwässernd bebildert, die Rezepte mit Akribie und Hingabe notiert. Nur das perfekte Ergebnis ist gut genug für Lutz Geißler. Videoanleitungen sorgen für visuelle Unterstützung, Tipps und Tricks rund ums Thema runden das Angebot ab.

www.ploetzblog.de

Jetzt hat Lutz Geißler ein Buch zum Thema geschrieben, im Juli erscheint Das Brotbackbuch im Eugen Ulmer Verlag und kann jetzt schon auf der eigens für das Buch eingerichteten Internetseite vorbestellt werden:

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www.brotbackbuch.de

Auf alleine über 100 Seiten ist das Grundlagenwissen zum Thema zusammengefasst: „…von wichtigem und unnötigem Zubehör über Warenkunde, Teigführungsmethoden, Möglichkeiten der Beeinflussung der Vorgänge im Teig, bis hin zu handwerklichen Fähigkeiten wie Dehnen und Falten, Kneten, Wirken oder Einschneiden von Teiglingen.“ schreibt Lutz Geißler selbst über sein Buch im Plötzblog.

Neben dem „Wie“ erklärt Lutz Geißler auch das „Warum“. Er möchte einerseits zeigen, wie einfach Brotbacken sein kann, „luftig-lockeres“-Halbwissen will er aber nicht vermitteln: Interessierte und Fortgeschrittene haben die Möglichkeit, sich bei Bedarf sehr intensiv ins Thema einzulesen. Geißler, selbst Rezensent zahlreicher Brotbackbücher schreibt: „Das Brotbackbuch ist, soweit ich das überblicken kann, momentan das einzige deutschsprachige Brotbackbuch für Hobbybäcker, das sich in dieser Fülle den Grundlagen des Brotbackens widmet.„.

Ich habe mein Exemplar heute bestellt.

3. journal culinaire N° 15 Brot backen – Kulturgeschichte und Wissenschaft

Das journal culinaire ist eine Schriftreihe, die sich der Veröffentlichung neuster Forschungsergebnisse auf dem aktuellen Wissensstand der Kulinaristik verschrieben hat. Das gebundene Magazin erscheint halbjährlich in der Edition Wurzer & Vilgis, die 15te Ausgabe beschäftigte sich schon 2012 auch mit dem Thema Brot.

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Der schöne Band versammelt Aufsätze zum Thema, geschrieben von Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaftlern, Fachjournalisten und Köchen. Von der Bedeutung des Brotes in religiöser Praxis und Theologie bis zu einer Betrachtung der Brotgewürz-Moden im Wandel der Zeit, spannt sich der inhaltliche Bogen.

Was auf den ersten Blick leicht nerdig wirken könnte, ist für interessierte Brot-Aficionados und Kulinariker eine erhellende Lektüre, mich haben insbesondere die geschichtlichen Herleitungen und Abhandlungen sehr interessiert. Rezepte finden sich auch, da verrät beispielsweise Küchenchef Andreas Sondej vom Söl´ring Hof das Rezept für Sylter Spitzkohlbrot und Lauchbrot, so wie Johannes King und er es ihren Gästen im Restaurant servieren.

Forum nennt sich der zweite Teil des Magazines, hier werden abseits des Hauptthemas kulinarische Entwicklungen abgehandelt, etwa die Sprachverwirrung bei der Fischbestimmung oder „Ängste, Risiken und Gefahren beim Sammeln von Wildkräutern“ beleuchtet. Es gibt eine Betrachtung zum Bamberger Rauchbier, es werden die Möglichkeiten akustischer Speisekarten ergründet und die barocke Kunst des Tranchierens in der Luft vorgestellt.

Möglichkeiten der Einzelheftbestellung finden sich auf der Homepage des Magazins, es hilft aber auch jede Buchhandlung weiter.

www.journal-culinaire.de

Insgesamt sieht es also so aus, als könnten wir den Krusties und Krossies dieser Welt doch noch entkommen – die richtigen Zutaten, verständlich geschriebene Backanleitungen, inspirierende Rezepte und ein bisschen Hintergrundwissen sind der kurze Weg zum besten Brot der Welt: dem Selbstgebackenen.

Und wie das duftet!

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