Gelesen: „Speisende soll man nicht aufhalten“ von Patrik Stäbler

Cover_Speisende

Eine Deutschlandreise über den Tellerrand hinaus, verspricht der Untertitel von Patrik Stäblers Buchs „Speisende soll man nicht aufhalten“, das jetzt im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen ist. Während der Lektüre ist man froh, den Journalisten vom Sofa aus auf seiner Reise durch die Regionalküchen begleiten zu dürfen – Stäbler reiste nämlich, kaum zu glauben, per Anhalter durch die Republik.

Den Autostopp per Daumenzeig, ein Relikt der Achtziger Jahre, glaubte zumindest ich längst ausgestorben, wer bitte trampt denn heute noch? Dass müssen sich auch ein Großteil der Autofahrer gedacht haben, die am Deutschlandreisenden Stäbler (Jahrgang 1980) vorbei rauschten. Immer wieder hängt der Autor fest, zwischen Maultaschenland und Mutzenbraten, unterwegs in die entlegensten Winkel der Republik.

Dass Stäbler sich zudem stets bei wildfremden Leuten einquartiert, die sich über eine Couchsurfer-Dienst im Internet organisieren, mag als Nebensatz festgehalten sein – wirklich wunderlich sind die Entdeckungen des Autors in den Regionalküchen der 16 Bundesländer, da mutet vieles exotischer an als ein Thai-Curry. Sushi-Teller und Köfte-Spieß sind heute vielen Deutschen vertrauter als die eigene Regionalküche und auch Stäbler selbst berichtet mit einigem Staunen von Teichelmauke, Knieperkohl, Dibbelappes und Bötel mit Lehm und Stroh.

Im ganzen Land trifft Stäbler Menschen, die eine besondere Leidenschaft entwickelt haben, sich für diese oder jener Spezialität ihrer Region stark machen, und immer wieder wirkt es, als haben sie nur auf Stäbler gewartet, dem sie begeistert vom Reichtum ihrer Regionalküche erzählen, mit Hingabe für den Journalisten aufkochen, erklären und erläutern. (Stäbler listet am Ende des Buches alle Adressen auf, in denen er authentisch bekocht wurde, ein guter Service, alleine dafür werde ich das Buch noch öfter in die Hand nehmen.)

Und das sind die ganz besonderen Momente im Buch, wenn die ansteckende Begeisterung der Menschen für ihre Küche, ihre kulinarischen Traditionen spürbar wird. Stäblers Reisenotizen halten auch fest, was langsam verschwindet und beinahe schon in Vergessenheit geraten ist, der Autor wird zum Archivar dieser Traditionen.

Auch wenn Stäblers Reiseberichte hier und da eventuell ein bisschen bemüht humoristisch gefärbt sind: was der Autor gefunden und akribisch recherchiert hat, dürfte nicht nur für interessierten Kulinarikern spannend sein. Und die wiederentdeckten Gerichte mit Geschichte könne auch nachgekocht werden, die beschriebenen Rezepte sind den Kapiteln angefügt.

Nebenbei wird auch so mancher alter Zopf abgeschnitten. Gleich mehrere langlebige Anekdoten, rund um bekanntere Nationalgerichte, werden schlüssig ins Reich der Legenden überführt. Ganz in der Tradition der Kulturhistorikerin Petra Foede, die in bereits zwei Büchern und ihrem Blog immer wieder die Hintergründe zu berühmten Gerichten recherchiert, gelingen Stäbler und seinen Informanten einige geschichtliche Neuschreibungen.

Manchmal wünschte man sich, man hätte an der ein oder andere Mär festgehalten: Stäblers neu gewonnenen Erkenntnisse über den Ursprung des Gaisburger Marsch beispielsweise, dürfte nicht nur Schwaben die Tränen in die Augen treiben. Und dass die Schwarzwälder Kirschtorte aus Tübingen stammt, ist nur eine von vielen, höchst überraschenden Erkenntnissen dieser kulinarischen Deutschland-Reise, die tatsächlich weit über den eigenen Tellerrand hinaus führt.

Weiterführende Infos:

Über seine Deutschlandfahrt hat Patrik Stäbler auch ein Blog geführt, dort finden sich viele Fotos, Berichte und Videos von der Reise:

www.deutschland-isst.info

Der Autor führt auch ein Foodblog und unterhält einen kulinarischen Newsletter, der dort kostenfrei abonniert werden kann und sich wohltuend von sonstigen kulinarischen Newslettern abhebt: Stäbler sichtet wöchentlich Foodblogs und Presse nach interessanten Geschichten, durchaus auch kritisch und mit ernährungspolitischem Schwerpunkt. Empfehlenswert!

www.schmausepost.de

Das Buch:

Patrik Stäbler
Speisende soll man nicht aufhalten

rororo, Juni 2013
8,99 Euro
304 Seiten
ISBN 978-3-499-62227-4