Sommersause (I): Angrillen – mit S’mores, Weltklasse-Ćevapčići, Schwarzrettich-Tunke und der besten Barbequesauce des Sommers

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Echte Kerle dürften mit den Augen rollen, Angrillen im Juni, das ist ein bißchen wie Eisschwimmen im Mittelmeer, aber herrjeh, wir leben nun mal in Hamburg. Vergangenens Wochenende tauchte völlig überraschend eine kalte Sonne über unserer Stadt auf – herrliche sieben Grad am Freitagmorgen auf dem Isemarkt, mit klammen Fingern reichte uns der Metzger die Grillade über den Verkaufstresen: “Endlich Sommer!”

Wir also raus aufs Land, schon Nachmittags zur Freiluftkaffeetafel bei Schwägerin und Schwager im Garten, in Thermojacken wärmten wir unsere Hände an dampfenden Kaffeepötten, ab und zu sagte jemand „Juni!“ und alle lachten, ansonsten saßen wir schweigend im böigen Nordwind. Später haben wir dann den Kindern Mützen aufgesetzt, noch mehr Pullover geholt und den großen Tische der Abendsonne quer durch den Garten hinterher getragen.

Ich hatte einen Süßkartoffelsalat vorbereitet, in pikanter Tomaten-Chili-Vinaigrette, mit knackigen Gemüsen und Perlzwiebeln und außerdem meine sensationellen Ćevapčići dabei. Ich mache wirklich die besten Ćevapčići der Welt und die gehen so: ich würze reines Rinderhack mit einem Klacks scharfem Senf, Paprikapulver, Salz und Pfeffer. Soweit so gähn. Fein gewürfelte Zwiebel und Knoblauch dazu. Dann kommt der Letscho–Trick: ich püriere eine gute Menge Letscho (ein Paprika-Tomaten-Schmorgemüse ungarischer Abstammung) im Mixer grobstückig. Das Letscho kaufe ich im Glas im Balkan-Supermarkt, die haben da eine Art grobstückiges Ajvar, noch mit zusätzlich gerösteten Auberginenstücken drin – perfekt!

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Ein guter Ersatz ist das „Letscho Premium“ von der Firma Spreewaldhof, das gibt’s im Supermarkt. Ich gebe soviel stückig püriertes Letscho zum Hack, bis eine cremige Konsistenz erreicht ist und sich das Fleisch gerade eben noch so formen lässt. Brot oder Brösel sind verpönt! Zugedeckt 2 Stunden in den Kühlschrank stellen, dann kleine Ćevapčići formen, grillen und staunen. Butterzart gelingen die fluffigen Hackröllchen und schmecken zum wegatmen gut. Nächstes Mal mehr machen!

Ich bin ja sonst ein Freund der reinen Lehre und habe Verständnis dafür, dass echte Kulinariker sich jetzt beschweren könnten, warum ich mit Glasware arbeite, wo man doch sicher selbst ein schönes Letscho schmoren könnte, für die Frikadellenröllchen. Ja und nein. Kann man machen, schmeckt aber, ich sag mal: anders. Und meine, nicht unbedingt besser. Außerdem ist Eile geboten, wenn in Hamburg mal die Sonne scheint, da ist keine Zeit mehr für längere Koch-Arien. Und ist der Ruf erst ruiniert, kann ich ja gleich noch erzählen wie es weiter ging. Während der Schwager die Entrecôte-Steaks auf dem Grill veredelte, zog ich mein kleines Mitbringsel aus München aus der Tasche. Die vergangenen Wochen hatte ich auf einer Kochbuchproduktion in München verbracht und dort die Macher des Münchner Kindl Senf kennen gelernt. Es sei mir der Ausschwiff erlaubt: ich liebe Senf. Ganz großes Thema! Zur Zeit befinden sich in unserem Kühlschrank 9 verschiedene Senfsorten, das ist noch wenig, das führt bisweilen schon zu Spannungen in der Beziehung, wenn mal wieder ein Glas aus dem überfüllten Kühlschrank fällt. („Herrjeh! Wieviel Senf braucht ein einzelner Mensch, Stevan Paul, kommst Du mal bitte!”). Jedenfalls, der Münchner Kindl Senf ist spitze und Bio-Qualität, insbesondere der Bauernsenf von Theo Hartl gehört für mich in die Spitzenkategorie, ganz großartig.

Und wie wir da so über das Senfmachen philosophierten, der Herr Hartl und ich, öffnete Junior-Chefin Lisana Hartl eine hauseigene Barbequesauce und sagte so ein bißchen nebenbei: „Weltbeste Barbequesauce.“ Ich bin ja vorsichtig mit Superlativen und dass die beste Barbequesauce der Welt aus einer Senfmanufaktur in München kommen sollte, hielt ich schlicht für gewagt. Bis ich den Löffel erstmals in die Dirty Harry-Sauce tunkte.

Ein Knaller. Die Zutatenliste ist übersichtlich, der Geschmack vielschichtig und nuanciert, kein Vergleich zur üblichen Ketchup-Rauch-Essig-Mumpe aus dem Supermarkt. Perfektes süß-säure Verhältnis, ich schmecke reife Tomate, Piment, Nelke, eine wunderbare Pfefferschärfe im Abgang, der Rauch ist perfekt und zurückhaltend eingebunden.

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Das feine Sößchen aus München gewann 2012 in den USA den ersten Platz bei den No Bull National BBQ Championships in der Kategorie Sauces, Rubs, Marinades und rockte dieses Jahr die Bio-Fach als, kicher, Best New Product. Gut Ding will eben manchmal Weile haben, grade im eigenen Land. Sauce und Senf gibt’s im Münchner Kindl Onlinestore, auf dem Viktualienmarkt in München kann man auch probieren.

Auch der Gartenrunde schmeckte es, zum Steak gabs außerdem Blattsalate mit einer Kräuter-Vinaigrette, die Schwägerin hatte zudem eine süchtig machende Tunke aus schwarzem Rettich gemacht: geschält und fein geriebenes Rettichfleisch und ein Äpfelchen, kurz mit Salz ziehen lassen, dann trocken ausdrücken und mit Schmand und Sauerrahm verrühren. Salz, Pfeffer, Prise Zucker, Spritzer Weißweinessig = Knaller!

Für die Überraschung des Abend sorgte allerdings die Frau Nachbarin mit einer „Süßsspeise“, die bislang völlig an mir vorbei gegangen ist. Kulinarik ist ja lebenslanges Lernen und selten war ich dankbarer. Ladys & Gentlemen: S’mores!

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Das ist eine süchtig machende Frechheit aus zwei Schokoladen-überzogenen Keksen, die ich im echten Leben nicht anrühren würde, die werden mit stückiger (!) Erdnusscreme bestrichen, dazwischen klemmt dann ein am Holzstock über der Restglut weich gegrillter, leicht karamelisierte Marshmallow der beim Reinbeißen süße Fäden zieht.

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Der Kram macht absolut und sofort süchtig: „mehr als einen kann man davon allerdings nicht essen!“, mahnte die Nachbarin. Ich hatte dann am Ende des Abends insgesamt drei davon und den vierten und fünften S’more habe ich nur aus falscher Bescheidenheit nicht mehr bestellt.

Als sich auf dem Rotwein eine erste dünne Eisschicht bildete, sind wir dann rein.

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