Tokio (4): Der will nicht nur spielen – Besuch beim “jungen wilden” Zaiyu Hasegawa

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Omotenashi, ist das japanischer Wort für Gastfreundschaft, für den tiefen Wunsch seine Gäste glücklich zu machen, und Omotenashi bildet die Basis von Zaiyu Hasegawas Küchenphilosophie. Dazu gehört für den Neuerer der klassischen japanischen Kaiseki-Küche eben auch Humor. Traditionelle Gerichte erfahren Neuerung, werden beherzt umgekrempelt, zum Vergnügen des Gastes oft auch mit Zitaten aus der modernen japanischen Popkultur. Es wird viel gelacht und gestaunt im Restaurant Jimbocho Den – nie aber geht der Spaß auf Kosten des Geschmacks – hier gibt es Kaiseki ryori, japanese fine dining auf höchstem Niveau, zwei Sterne war das dem Micheln wert.

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Zum Auftakt wird ein Monaka-Sandwich gereicht, eine mit süßer roter Bohnenpaste gefüllte Waffelsüßigkeit, wie sie überall in Japan erhältlich ist, an Tankstellen, in Bahnhöfen. Eingeschlagen in Wachspapier, darauf das Label des Sternerestaurants. Auspacken und los, eine Offenbarung, im Inneren des Sandwiches verbirgt sich eine Schicht Geflügellebercreme mit einer süß-sauren Marmelade aus eingelegten Aprikosen. Super!

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Zum zweiten fröhlichen Auftakt überreicht uns Zaiyu Hasegawa mit einem aufmunternden Nicken eine klassische Fried Chicken Take-away Box. Im Heu findet sich ein Quitsche-Entchen und weiter unten ein knusprig heißer Hähnchenflügel, gefüllt mit Brokkoli, Mangold und Kräutern – schmeckt einfach klasse, zwei Sterne sind das natürlich nicht, die kommen gleich noch.

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Erstmal aber geht es recht traditionell weiter, mit kurz gebratenem Sashimi vom Thunfisch mit Sepia-schwarzer-Fischeiersauce und frischem Wasabi, gefolgt von einer Seeteufel-Fischleber-Creme auf warmem Sushi-Reis. Halt, nicht wegrennen! Fischleber-Creme klingt fürchterlich ist aber ein Genuss, buttrig-nussig im Geschmack, einer ganz feinen Säure, rund. Nach kurzer Beratung mit den Kollegen beschließen wir, das Gänsestopfleber nun wirklich nicht länger gebraucht wird.

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Glühende Bambussprossen werden aufgetragen, die äußeren trockenen Blätter glimmen noch leicht, im Inneren finden sich die warmen Bambussprossenherzen und ich bin für immer verloren, für die Dosenware zuhause, der ich noch nie wirklich traute. Jetzt weiß ich genau: die Bambussprossen in der Dose verlieren auf dem Weg zu uns ihre Seele. Kombiniert mit Rosenkohl(!) und gegrillter Süßkartoffel dürfte dies der, in der Kombination, wohl großartigste und überraschendste Teller meiner Tokio-Reise gewesen sein.

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Weiter geht es auf wunderschönem Porzellan mit einem Salat der an Michel Bras Klassiker Gargouillou erinnert. Hier aber ist weniger deutlich mehr, Hasegawa beschränkt sich auf weniger Gemüse, Blüten und Kräuter als Bras, dennoch ändert sich der Geschmack bei jedem Gabelhappen, neue Aromen, Konsistenzen. Alleine die knackigen Möhrchen in Hojiatee gewälzt, die knusprigen Topinambur-Chips! Das erfrischt und macht gute Laune: wenn man den Teller aufgegessen hat schenkt ein Karotten-Smiley sein schönstes Lächeln – das ist Kindheit, das ist aber auch eine Anspielung auf die Schnitzgemüsekultur Asiens. Hasegawa kanns einfach.

Und huuui, da ist er, der berühmte Kugelfisch. Gebraten zwar und in glibberiger Rettichsauce mit Schnittlauch und Zitronenabrieb, aber dennoch: huuui! Dann Ernüchterung, der Kugelfisch schmeckt bescheiden in Richtung nix und auch der beim rohen Genuss des Fisches auftretende „Elektrogeschmack“ (Resultat des leichten Nervengiftanteils im Fischfleisch) verflüchtigt sich beim Braten. Ein Gang der überwiegend vom Spiel der Konsistenzen lebt.

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Und dann kommt auch schnell schon wieder ein Gang der mich umhaut. Labskaus! Ja. Das alte Seemannsgericht aus Kartoffelbrei mit Corned Beef und Roter Bete. In einer japanischen Version! Ein Wahnsinn, ein richtig guter: Die Rote Bete ist hier roh gepickelter Rettich, der mit fermentierten Kohl auf einem Extrateller serviert wird. Das Labskaus serviert Zaiyu Hasegawa aus dem großen Topf, vermengt das heiße Reis-Bett mit dem butterweich geschmorten Zupffleisch, wenig natürliches Fett und die natürliche Gelatine aus dem Rindfleisch verleiht dem Gericht etwas Cremiges, es ist genial und würzig, dazu das „Sauergemüse“ – ungekannt und wau!

Zum Dessert wird Zeitungspapier vor uns ausgebreitet und ein Gartenhandschuh in Hasenohrfaltung eingedeckt, dann kommt eine Gartenschaufel mit einem Haufen Gartenabfallen, Blättern, Steinchen, Erde, Moos. Und alles schmeckt fantastisch. Die Erde aus kühler süßer Grünteecreme mit Dill(!), die nussigen Steinchen, die zartsplitternden Blätter (ich habe keinen Schimmer wie das geht und dann die Sprachbarriere, also einfach wundern und weiter), geröstete Gerste, Kaffeepulver und gemahlener Krokant.

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Der Kaffee als Starbucks-Zitat („Star Comebacks Den“ steht auf der Tasse – Anspielung auf den zwischenzeitlichen Verlust eines Sternes) ist eine Kombination aus Schokocreme mit bitterem Karamel, schwarzen Trüffeln und süßem Milchschaum – bitter, süß, salzig und einfach reich und tief im Geschmack. Nie ist es der Witz alleine, der Geschmack machts, das ist großartig.

Muss ich noch erwähnen, dass Zaiyu Hasegawa ein so freundlicher wie fröhlicher Mensch ist, der gemeinsam mit seinem Team jedem Gast einen fröhlichen, leichten und unbeschwert genussvollen Abend bereitet? Omotenashi eben. Hier würde ich gerne öfte essen gehen, doch neben der 11-stündigen Anreise, erschwert noch eine andere Sache die Angelegenheit, ich zitiere einfach mal die Kollegen vom großartigen sfreelive-Blog:

„Without hesitation, one of our most highly-recommended restaurants in not just Tokyo, or Japan.. but in the WORLD! Reservation : Next to impossible.. months in advance. Late slots (10pm) are possible on certain days….“

Wenn man es weiß, kann man aber ja vorauschauend planen.

Jimbocho Den
2-2-32 Kandajinbocho, Chiyoda-ku
Tokyo
Japan
+81 (0) 3 3222 3978
jimbochoden.com

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