Cava, Kunst und Können – ein Abend im Trüffelschwein

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Wann haben Sie eigentlich zum letzten Mal einen Cava genossen? Allzu lang dürfte das statistisch gesehen nicht her sein, denn die nach traditioneller Flaschengärung produzierten spanischen Schaumweine aus dem katalanischen Penedès führen das weltweite Export-Ranking für Schaumweine an, Deutschland ist wichtigster Exportmarkt und selbst die Franzosen greifen immer öfter zum Cava, wenn es das Leben zu feiern gilt.

Doch selten sorgt Volumen allein für Spaß im Glas und Cava ist nicht gleich Cava: die Weine entstehen aus überwiegend autochthonen Rebsorten (die dort wachsen, wo sie ihren Ursprung haben, sich entwickelt haben) aus Parellada, Xarelo-lo, Macabeo (Viura), Subirat (Malavasia Riojan) und Chardonnay, seit 2007 sind auch Pinot Noir und für Rosados die Sorten Monastrell und Granacha Tinta zugelassen, das ganze D.O.-Qualitätskontrolliert.

Klassischer Cava liegt bei der zweiten Gärung mindestens neun Monate auf der Hefe, Cava Reserva mindestens 15 Monate und die Gran Reserva Jahrgangschampagner mindestens 30 Monate. Hinzu kommt seit 2015 eine neue Kategorie für Spitzen-Cavas: Cava de Paraje Calificado (single estate Cava) dürfen sich Cavas aus spezifischer Lage, Terroir-betont mit eigener Kellerei nennen.

Genug vom extra brut-Halbwissen, lassen wir doch mal die Korken knallen. Möglichst lautlos natürlich!

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Das Consejo Regulador de la DOP Cava hatte zur Premium-Cava Verkostung mit Wein-Expertin Yvonne Heistermann ins Hamburger Restaurant Trüffelschwein geladen-Koch Kirill Kinfelt, Serviceleiterin Jana Husemann und das junge Team erkochten sich eben den ersten Stern – eine vielversprechende Kombination. Gleich zu Anfang gab es die Möglichkeit, zum Apero eine feine Auswahl an Spitzen-Cavas zu verkosten, ich startet mit einem Schwupps vom 2009 Gran Juvé Y Camps, Brut Gran Reserva, grandios, von „gereifter Frische“, notierte ich. Oberste Schublade, toller Start. Dazu gabs Flying-Amuse-Miniaturen, mancher musste zur Lesebrille greifen, auf dem Gaumen herrschte dann aber Klarheit, mit Räucherfisch und Apfel, Blini und Roter Beete.

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Zeit für ein Geständnis. Persönlich steh ich nicht so wirklich auf die, ich nenne es “Hausaufgabenküche”, bei der (molekulare) Möglichkeiten auf dem Teller durchdekliniert werden, mit Tropfen und Schäumchen und Schwämmchen. Alles zerfällt in kleinteilige Landschaften und auch mit dem Einwand eines geschätzten Kollegen tue ich mich schwer, der neulich meinte, normal Essen könne er auch Zuhause. Es geht so oder so doch immer um Geschmack (dem die Form folgen sollte, finde ich) und da kommen wir jetzt zum Trüffelschwein. Die basteln auch gerne, jedoch ist jeder Teller dort ein filigran gesetztes Kunstwerk, dass aber über den Wau-Effekt hinaus großen Sinn macht, auf Aromen und Geschmack einzahlt, sehr zum Wohle des Gastes. Kirill Kinfelt schließt in Hamburg jene Lücke, die Gerald Zogbaums nach der Schließung der Küchenwerkstatt zurück ließ.

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Los geht es mit Recaredo Brut de Brut 2006, Brut Nature Gran Reserva – unfassbare 87 Monate in den Kellern des Weingut Serral Del Vell gereift, elegant mit Charakter, getrocknete und kandierte Früchte, ein Hauch duftender Zitrusfrüchte, ein Mund voll! Und großartig zu den Lachs-Variationen auf dem Teller – grandios dabei Kinfelts Idee, Forellenkaviar mit Passionsfrucht zu „würzen“, genial und ein trefflicher Brückenschlag zum Cava Recaredo. Der Teller selbst ein Hochgenuss in allen Teilen, weiteres Highlight: der knusprig gebratene Lachsbauch mit Sojasauce, Chapeau!

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Beim Kabeljau mit Niedrigtemperatur-gegartem Sellerie, Blutwurst und Apfel zaubert die Crew wieder: der perfekt gebratene Kabeljau, glasig UND mit Knusperhaut, auf einer großartigen Blutwurstscheibe (Produkt!), erfrischend knackigem Sellerie-Apfelsalat und gerösteten Blutwurstwürfeln, zeigte wie bei einem klassischen Gericht der Brückenschlag in die Moderne mehr als gelingt. Dankenswert, wenn solche „gelernten“ Kombinationen auf diesem Niveau neu belebt werden! Dazu der 2008 Can Feixes Huguet Gran Reserva Brut nature, der seine frische Kraft und Mineralität aus Sand-Lehm-Kalkböden zieht, tiefe Wurzeln, Frische, feine Säure, ein perlendes Spiegelbild des Tellergerichtes (Huch, der Hobby-Poet geht mit mir durch, ich bitte um Entschuldigung, es war wirklich ein Knaller!).

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Pulpo, butterweich und kombiniert mit allerlei vom Blumenkohl auf Zimt-“Bröseln” und mit Almafi Zitrone aromatisiert, es gab keinen Grund zu klagen! Wir erhoben das Glas auf die Küche und im Glas perlte Freixenet. Wahrscheinlich Deutschland bekanntester Cava, als ich noch ein ganz junger Hase war, galt der schwarze (trockene) Freixenet aus dem Supermarkt als das non plus ultra, das war unser Champagner. Alleine die Fernsehreklame, wir waren elektrisiert. Die Begeisterung legte sich mit den Jahren etwas, der Freixenet Reserva Real, Cuvée de Prestige Brut Gran Reserva ist aber geeignet, alte Freuden neu zu entfachen: mit feinem, üppigen Mousseux, Aromen von Aprikosen, reifem Steinobst und dann Hefe, Brioche, grüner Apfel. „Das Aroma der langen Flaschenalterung überwiegt“, lese ich im Programmheft der Veranstalter und es ist ähnlich wie bei manchen Männern, die gerade mit den ersten grauen Haaren nochmal sehr gewinnen.

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Iberico auf dem Teller, mit den lang erwarteten Trüffeln, als kleine Verneigung vor dem Gastgeber war es Kirill Kinfelt gelungen, noch einen letzten spanischen Winter-Trüffel zu erstehen, in Kombination mit Linse und Birne in Variation. Ein wunderbar erdiger, tiefer Gang, mit komplexer Sauce (dem Dimamant der Küche, pflegte mein Großvater zu sagen), ein Genuss, handwerklich sowieso über jeden Zweifel erhaben. Ebenso tief und komplex der Agustí Torelló Mata 2009, Brut Natrue Gran Reserva Barrica, mit beinahe cremigem Schaum, leicht balsamischer Note, einem Hauch von Vanille, zarte Röstaromen – der perfekte Begleiter zum zarten aber würzigen Trüffelschwein.

Ein ganzer Abend mit Cava, das geht, das geht sehr gut sogar, selbst beim Hauptgang rief niemand nach Rotwein, der Agustí einfach große Klasse. Und überhaupt, der Cava-Abend gestaltete sich nicht nur genussreich und zunehmend lautstark-vergnüglich, die Schaumweine sind, um mal Loriot, Gott hab ihn selig, zu bemühen: bekömmlich! Das liegt an der Frische und den schlanken Volumenprozent, los geht es schon ab 10,5 % vol. selten über 12,5% vol. Einen nehmen wir mindestens noch!

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Und zwar zum Dessert den 2007 Gramona III Lustros Brut Nature Gran Reserva zur Rhabarber Variation mit geeistem Tonkabohnen-Mousse und Zitronengras-Sud, das passt natürlich alles hervorragend zusammen mit den Grapefruit- und Zitrusnoten des Cava, dazu eine spannende Kräutrigkeit, Fenchel, Rosmarin-Anklänge. Berechtigt großen Applaus gabs am Ende für Küchenteam und Service, für die charmanten Yvonne Heistermann, die Kenntnisreich durchs Programm führte und sich auch von den beständig wiederkehrenden Fragen zur Preisgestaltung der Cava nicht aus dem Konzept bringen lies. Preise kann man googeln, Wein muss man probieren.

Vielen Dank den Gastgebern vom Consejo Regulador de la DOP Cava und Barbara Wanner von organize communications für den erhellenden Abend!

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