Kühlungsborn kocht! – die Küchenparty! Von Meisterköchen, neuen Talenten, Handwerk und Innovation

kuehlungsborn

Wind, Wellen, Wald und Meer, das ist Kühlungsborn. Das Ostseebad an der nördlichsten Spitze Mecklenburg-Vorpommerns gehört mit seiner historischen Bäder-Architektur zu den größten und schönsten Bädern an der Ostsee. Wie Perlen aufgeschnürt, liegen Strandvillen und Gästehäuser an der Promenade zwischen (Buchen-) Wäldern und dem 5 Kilometer langen Strand, mit seinem extraweichen Sand. Für Kulinariker ist das Ostseebade ebenfalls eine lohnenden Destination, die Dichte an Restaurants jeglicher Couleur ist bemerkenswert, hier gibt es vom Steakhaus mit gereiftem Fleisch und speziellen Cuts, über das eigene Brauhaus auch eine Reihe bemerkenswert guter fine dining-Restaurants, oft genug eingebunden in einen Hotelbetrieb. Hier kocht eine junge Generation motivierter Köche zum Wohle des Bäder-Gastes.

crew

Auf Einladung der Upstalsboom Hotelresidenz & SPA Kühlungsborn (****s), las ich am vergangenen Wochenende bei den 15. Gourmet-Tagen Kühlungsborn kocht (noch bis 17. Dezember!) aus meinem kulinarischen Roman „Der große Glander“ – am Vorabend war Gelegenheit, in der großen Küche des Upstalsboom-Hotels einige der besten Köche des Ostseebades im Rahmen einer Küchenparty kennen zu lernen.

Im vergangenen Jahr war hier im Blog oft die Rede von der kulinarischen Avantgarde, von visionären Vordenkern, von Restaurants wie dem Sosein oder dem Nobelhart & Schmutzig, zukunftsweisenden Philosophien und mutigen Küchenkonzepten. Restaurants die auch mal mit Ressentiments und Ablehnung zu kämpfen haben, oft genug gründend auf einem gewissen Unverständnis der Gäste, oft genug sind die Gäste aber auch weltoffene Kulinariker auf der Suche nach neuen Ideen und Genusswelten. Die Köche und Gastronomen eines Seebades dagegen, kochen für eine ganz bestimmte Zielgruppe: für die Gäste ihres Ortes, für Erholungsuchende die keine Lust auf Experimente haben und nur eingeschränkt bereit sind, sich im Urlaub noch in die Küchen-Philosophie eines Küchenchefs hineinzudenken. Spannend, wie junge Küchenchefs mit dieser Herausforderung umgehen, eine eigene Handschrift entwickeln, ohne ihre Kreativität zu verleugnen.

Sieben Häuser aus Kühlungsborn stellten sich am vergangenen Freitag mit ihren Küchenchefs, Sous-Chefs und Vertretern vor, servierten Signature-Dishes und eigens für den Abend entwickelte Kreationen.

Upstalsboom Hotelresidenz & SPA, Restaurant Brunshaupten, Frank Haarde, Patrick Kühn (Souschef)

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Die Gastgeber servierten Perlhuhnbrust, sous vide gegart und dann kurz gebraten, mit Champagnerkraut-Wickeln im Lardo-Mantel, handwerklich und technisch perfekt, im Mund ein Genuss. Zu Reden wäre über die halbe Amarena-Kirsche, für mich eigentlich das Grauen, aber diese eine, halbe (!) Kirsche brauchte exakt die (außergewöhnliche) Süße, die dem Champagnerkraut gut tat, das leicht marzipanige Aroma flirtete derweil mit dem Perlhuhn. Genial.

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Brillant auch der Ostseedorsch, die Qualität überragend, festfleischig, perfekt gegart, als „Saltimbocca“ mit Parmaschinken, Pastinaken-Creme, geflämmten Zwiebeln und einer Kaffee-Schaumsauce. Zum Weglöffeln gut.

Hansa Haus, Restaurant Seeblick & Meer, Lukasz Kawa, Andreas Neumuth

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Das Hotel Hansa Haus hatte sous-vide „geschmorte“ Sattelschwein-Bäckchen dabei, dazu eine gute Sauce, die nicht im Wasserbad entstehen kann, die Mischung machte es: Bäckchen zart, Sauce komplex. Dazu genoss ich wirklich sehr das beste Meerrettichkraut, an das ich mich erinnern kann, wau. Die können das. Glänzend auch das cremige Kartoffelpüree, dunkel, würzig, rauchig, buttrig, wie kommts? Die Kartoffeln werden dafür im Ganzen in der Schale im Ofen gegart und geröstet, die dann dunkel, ledrig Haut abgepellt und ein Teil davon mit Butter püriert, wieder zu den Kartoffeln gegeben und dann zu Püree verarbeitet. So einfach, da muss man erstmal drauf kommen.
Regelrecht erfrischend die anschließend gereichte Ricotta-Limetten-Creme mit Mango-Chutney und feiner Chilischärfe.

Hotel IV Jahreszeiten, Restaurant Orangerie, Christian Marzahn

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Eine Fleißarbeit erstmal und für mich einer meiner Lieblingsteller an diesem Abend: Zweierlei Ravioli, einmal zarter Nudelteig mit würziger Ochsenfleischfüllung, filigran gefaltet, dazu eine Sellerie-Maultasche aus fein aufgeschnittener, ausgestochener Sellerie mit Sellerie-Cremefüllung, im Panko-Mantel knusprig gebraten. Angerichtet auf einem Erbspüree von größter Intensität, Trüffel-Schaum dazu und sehr gut iss! Auch das Dessert eine filigrane Arbeit und Soulfood: Mousse und Topping von Butterkaramell mit Spekulatiuskeks, Fleur de sel und Toffee-Popcorn – selig ist das Adjektiv, das mir dazu einfiele.

Tillmann Hahn’s Gasthaus und Feinkost Bistro in der Villa Astoria, Tillmann Hahn

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Tillmann Hahn muss man wahrscheinlich nicht mehr vorstellen, der viel gereiste und belesene, ehemalige Sternekoch, konzentriert sich in seinem modernen Bio-Gasthaus am Strand von Kühlungsborn auf das wesentliche: auf Geschmack, auf beste Produkte und gelerntes Handwerk, wagt dabei, hier und da, den Blick nach Asien. Hahn strahlt eine gelassene Ruhe aus, ein Mann der auf seine Fähigkeiten vertrauen kann und nichts mehr beweisen muss. Er serviert geschmortes Schulterfilet (!), angeschmort, sous vide gegart, rosa, auf den Punkt und zart wie echtes Filet, komplex, dicht und dunkel die Sauce dazu mit sehr guten Rahmwirsing und – Achtung Freunde: Brot-Knöpfle! Der Schwäbische „Knödel“ auf Basis von Spätzleteig und Semmeln ist eine wirklich selten gewordene Köstlichkeit, die sich bestens mit der Rotweinsauce und dem Rahmwirsing versteht, ich bin happy. „Meine Großmutter macht das aber alles noch ein bisschen besser!“, sagt Tillmann Hahn und lächelt.

Neptun Hotel, Wilhelms Restaurant & Wintergarten, Yves Kalweit

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Auch so ein Understatement: 8/12er Garnele, Mandel, Passe Pierre sagt die Menükarte, es kommt, eine perfekt glasig gebratene Garnele (die so glasig gebraten im laufenden Restaurantgeschäft auch schon mal reklamiert würde, wie mir einer der Köche erzählt) mit einer selbstkomponierten orientalisch angehauchten Würzmischung mit Orange, Zitrone, Pfeffer und Chili, dazu eine Art würziger Sourcreme-Mayonnaise und knusprig filigran frittiertem Queller.
Als Dessert wird hier ein wunderbar weicher Streifen Mohn Bisquit mit Schokolade und Kardamom-Zimt-Mousse, sowie hausgemachter Schokoladen-Praline gerreicht.

Hotel Aquamarin, Restaurant Bernstein, Björn Schütze

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„Die Lammhüfte vom Müritzhof“ ist, na klar, butterzart und perfekt gegart, begleitet von einem Türmchen aus Kürbis und Apfel, knusprig und cremig, eine Wucht ist das Zwetschgen-Chutney dazu, ein perfekt ausbalanciertes süß-säure Verhältnis, eine perfekte Konsistenz, viel Geschmack.

Hier gefällt mir aber das Dessert ganz besonders: mit einer vermeintlich einfachen Götterspeise, erinnern die Köche an die traditionelle Götterspeise, bevor der Begriff für Wackelpudding aus industrieller Herstellung mißbraucht wurde: Die Hauptzutaten für das einzige Schichtdessert der deutschen Küche, die Westfälische Götterspeise, klingen in der Theorie erstmal übersichtlich: Kirschen, Sahne und Pumpernickel-Brot. In der Version von Björn Schütze wird daraus „Geflammte Mecklenburger Götterspeise“ mit Quitten-Mascarpone, Gewürz-Schattenmorellen und Bisquit-Crumble. Großartig!

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Zum genussvollen Abend in der Küche wurden zwei Weine serviert: ein Chenin Blanc von der Delheim Winery, Stellenbosch, Südafrika und ein 2014 Sangiovese Tenuta die Sassoregale aus der Toskana. Beide Weine waren gute Allround-Begleiter zu den unterschiedlichsten Speisen.

Hotel Polarstern, Bülow‘s GartenLounge, Kristian Kerber

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An der improvisierten Bar im Restaurant wirkte und waltete dann der charmante Christian Kerber, ein Mixologe erster Güte, bewandert, eloquent und mit dem richtigen Gespür für jeden Gast. Wir genossen u.a. einen würzigen Spiced Pumpkin Rum Old Fashioned sowie einen Cognac Summit, ein Drink, der geeignet ist, dem etwas angestaubte Image des Cognac mit Frische und Klarheit zu begegnen: frischer Ingwerscheiben, frische Gurke in Hobeln, Limettensaft, Eiswürfel und guter Cognac, ganz leicht mit Limettenlimonade aufgesprudelt. Leute!

Ein großer Abend endete mit einem letzten Bier an der Bar der Upstalsboom Hotelresidenz & SPA, nur hier und im Kühlungsborner Brauhaus selbst genießt man das Bier aus Kühlungsborn. Ich habe an diesem Abend mal wieder echtes Handwerk erleben dürfen, mit grandiosen Saucen, mit kreativer Küche, die sich auf eine solide Basis verlassen kann, dabei ideenreich und innovativ ist. Ich freue mich jetzt schon darauf, im Frühling oder Sommer vorbei zu schauen, wenn Kühlungsborn ergrünt ist und die klare See zum Schwimmen einläd. Und abends dann: schön essen gehen! Jeden Abend. Das ist ja ganz einfach, da oben, in Kühlungsborn.

Noch bis zum 17.Dezember lockt das Gourmet-Festival Kühlungsborn Kocht mit vielen Arrangements, Kochkursen und Menüabenden. Infos:

www.gourmettage.com
www.upstalsboom.de
www.kuehlungsborn.de

Offenlegung: als geladener Buchautor für eine Lesung, war ich natürlich Gast der Upstalsboom Hotelresidenz & SPA und danke herzlich für die Gastfreundschaft, das wunderschöne Zimmer und die Einladung zur Küchenparty. Ganz besonders ist mir in den beiden Tagen das herzliche Personal aufgefallen und zwar überall im Hotel, auf allen Ebenen. Kompliment und Dank dem ganzen Team, ich habe mich sehr wohl gefühlt! Mein Urteilsvermögen wurde durch die Einladung nicht beinflusst.

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