FOOD PHOTO FESTIVAL 2017 in Vejle – unterwegs auf dem weltweit einzigen Foodphoto-Festival der Welt

Vejle, ein beschauliches Städtchen in Süd-Dänemark, je zweieinhalb Autostunden von Hamburg oder Kopenhagen entfernt, wird alle zwei Jahre zum Branchentreffen der besten Foodphotographen und Foodstylisten, Artdirektoren, Kochbuchautoren und Foodjournalisten – das FOODPHOTO FESTIVAL in Vejle ist das einzige seiner Art und darum haben viele der Besucher weit längere Anfahrtswege als die Hamburger: die Kollegen und Freunde kommen aus aller Welt, aus Guatemala, den USA, aus Australien, Foodphoto-Schaffende aus 26 Nationen treffen sich hier.

Ausstellungen, Workshops, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Portfolio-Reviews, Netzwerk-Dinner in ausgesuchten Restaurants, Screenings und ein Gala-Abend mit Award sind Fixpunkte des großen Familientreffens, organisiert und kuratiert vom, nahe Barcelona lebenden, deutschen Fotografen Günter Beer, den ich zu meinen Freunden zählen darf.

Was Günter und die Eventmanagerin Manon Straver da seit 2010 alle zwei Jahre auf die Beine stellen, ist mehr als eine Konferenz, das sind hochinteressanten, lehrreichen Tage, gefüllt mit inspirierenden Begegnungen, der Möglichkeit sich mit Kollegen aus aller Welt auszutauschen und zu vernetzen, Arbeiten anzusehen, Gemeinsamkeiten entdecken, Lösungen und Wege für gemeinsame Probleme diskutieren, Ideen für neue Projekte zu entwickeln. Das FOODPHOTO FESTIVAL in Vejle ist ein Kreativraum – aus dem auch ich immer sehr viel Energie und Ideen für die tägliche Arbeit, das nächste Kochbuch-Projekt mitnehme.

Auch in diesem Jahr ging es wieder mit einem Welcome Dinner im Restaurant Vedelsborg los, Wiedersehensfreude und neue Gesichter, dazu die feine dänische Küche von Michael Bøgild.

Cod-Fish-Tatar vorweg, auf geräucherter Frischkäsecreme mit grünem Spargel und geröstetem Pumpernickel, dazu ein charaktervoll-frische 2015 Pouilly-Fumé von Jean Pabiot. Dann, herrlich dänisch, die augenzwinkernde Dekonstruktion eines Smörrebröd mit geröstetem, gesalzenem Brioche, Eismeergarnelen, Wachtel Ei und gegrilltem Spargel auf luftiger Estragon-Hollandaise.

Das Lamm, im Stück geschmorter Nacken, kam auf Röstkartoffeln – der dänische Twist ist der frisch geschnittene Dill in der Weißwein-Jus, das schmeckt fantastisch (und wird geklaut)! Dazu gab es absichtlich sehr lange und sehr weich geschmorte Austernpilzstreifen und, als Kontrast, lediglich kurz in Butter heiß geschwenkte, rohe Lauchzwiebeln – wirklich klasse.

Madelein-artige Minikuchen, dazu Vanilleeis mit großen Erdbeer und Rhabarberstücken bildeten das Dessert. Ich saß zu Tisch u.a. mit Gunner Byskov von Medieskolerne – Media College Denmark, dem Fotografen Hein van Tonder aus Südafrika und Foodstylistin Mary Valentine aus Chicago – that’s Foodphoto-Festival!

vedelsborg.dk

Die zahlreichen Worksops, die während des Festivals angeboten werden, besuche ich weniger, hier geht es viel um technische Fotografie, Arbeiten mit Tageslicht, Sonnenlicht mit Studioleuchten, Fotografieren im Restaurant, Portfolio-Zusammenstellung ect. – ich bin Fan der Conferences und habe in diesem Jahr kaum einen Vortrag verpasst. Der Vormittag des ersten Tages gehört den Workshops, am Nachmittag kommen dann alle in den luftigen Ausstellungs- und Konferenzräumen der Spinderi Halllern zusammen, um Vorträge zu halten, Vorträge zu hören. In Reihenfolge, hier die kurzen Reviews:

Food Photography Trends

Hier sitze ich zum Auftakt der Vortragsreihe selbst auf dem Podium und ich muss darauf achten, nicht zu sehr Fan zu sein, denn meine Kollegen sind der verehrte Fotograf Per-Anders Jörgensen („Eating with the chefs“ ist eines meiner Lieblings-“Kochbücher“), der großartige Silvan Mueller aus der Schweiz, dessen Bücher „Japan“, “Das kulinarische Erbe der Alpen” und „Leafe to Roots“ ich liebe, und nicht zuletzt meine verehrte Kollegin Heidi Robb aus Cleveland, deren Arbeiten ich über alle Maßen schätze, ihre pure Leichtigkeit und Eleganz im Foodstyling, dieses Zufällige, das immer alles anderer als ein Zufall ist. Und was sind die Trends? Im Gespräch (herrlich launig moderiert von der wunderbaren Anne Klein aus Israel) stellen wir fest: neben kleineren Trends und Strömungen wie selbstgetöpferten Props, sind es die Fotoaufgaben selbst, die den Look einer Arbeit bestimmen sollten, out sind Brösel und Geklecker und grundsätzlich sollten sich professionelle Foto-Arbeiter mehr denn je ihrer Professionalität besinnen und auf Qualität pochen, um der Flut der unterschiedlich guten Bilder im Onlinebereich etwas entgegen zu setzen.

The reluctant food photographer

Was für ein Titel! Per-Anders Jörgensen erzählt von seiner Arbeit, zeigt Bilder, gibt Einblicke, teilt Einsichten und spricht über das Fool Magazin, das er mit seiner Frau Lotta produziert, eine neue Ausgabe erwartet uns in diesem Herbst!

Think like an Art Director

Peter Steiner, seit über zwanzig Jahren Art-Direktor des Der Feinschmecker Magazins, erzählt von seiner Arbeit, zeigt unterschiedlichste Coverentwürfe für Foodmagazine die er den Teilnehmern des Festivals ab Juni auf der Festival-Homepage als Blaupause zur Verfügung stellen wird, dort soll eine bunte Galerie der Möglichkeiten entstehen – und ganz nebenbei können sich die teilnehmenden FotografInnen nochmal in Erinnerung bringen.

Und schon ist es Abend! Network-Dinner diesmal im Restaurant MeMu – auch hier frische, neue dänische Küche im lässig-eleganten Ambiente. Vorspeise: frische Gurke mit knapp gegarten Erbsen, grünen Erdbeeren und Jakobsmuscheln mit gerösteten Haselnüssen und Buttermilch-Fischsauce – irrsinnig gut, das übrige Menü fällt leicht ab dagegen, aber auf hohem Niveau: ein mit Fisch gefüllter Wirsingwickel auf karameliger Rahmsauce und gesottene Kalbsbrust unter einer entbehrlichen Gelatine-Haut aus Roter Beete, mit einer exzellenten Sauce aus Jus und zerlassenem Marknochen-Mark.

restaurant-memu.dk

Der nächste Tag ist Vorträge-Marathon und es geht gleich super-interessant los.

Online Marketing strategies to promote your photography business

Ich machs kurz: ich dachte ich wäre ganz gut aufgestellt, online, mit Businesspage, Blog, Instagram, drei Facebook-Acounts, Twitter… Catherine Delaloye von Production Paradise erklärt mir aber in ihrem Vortrag recht eindrücklich, dass da wesentlich mehr geht. Effektiver auch. Ich werde nachsitzen.

Understanding composition in food styling

Foodstyling Kollegin Mary Valentin aus den USA erklärt anhand von Gemälden, Kunstwerken, Stillleben alter Meister, wie wichtig die durchdachte Gesamt-Komposition für ein wirkungsvolles Food-Foto ist, wie das menschliche Auge sieht und wahrnimmt, wie wir den Blick der Betrachter unserer Arbeiten lenken können. Besonders interessant: die Aufforderung mutig mehr Raum zu lassen, Stichwort: Leerflächen in einem Bild. Das ist spannend, noch diese Woche starten die Arbeiten an meinem übernächsten Kochbuch – und ich hab gut zugehört!:-)

Food stills / video

Dann kommt Scott Grummett, „how old are you“, ist beim anschließenden Gespräch die erste Frage aus dem Publikum – das bezieht sich nicht ausschließlich auf das jugendliche Aussehen des talentierten Fotografen und Filmers aus London, es geht auch um seine wirklich dynamischen Arbeiten, die Perfektion.

Scott Grummett Showreel 2017 from Scott Grummett on Vimeo.

Scott (29) erzählt gleich zu Beginn, er habe schon seit Jahren keine Kamera mehr angefasst, er sei eben eher Food-Direktor und delegiere einen beeindruckenden Stab an Leuten, für seine wirklich beeindruckenden Werbespots, Trailer und Kurzfilme. Sicher nicht nur die Deutschen im Saal seufzen, beim Gedanken daran, wie bei uns die meisten Food-Filme entstehen („Das könnt ihr doch noch mit Videofunktion kurz mitschießen!“) Filme wie der Folgende, den Scott auch in Vejle zeigte, entstehen anders:

Weight Watchers ‘All You Can Eat’ from Rogue Films on Vimeo.

Daylight food photography

Adrian Mueller, Bruder von Sylvan Mueller, lebt und arbeitet in New York als Fotograf und erzählt höchst unterhaltsam von seiner Arbeit dort – nebenbei erfahren wir viel über die professionelle Arbeit mit Tageslicht, Adrian Mueller fotografiert sogar Kampagnen und Packaging-Aufträge mit Tageslicht – und wird belohnt mit Bildern, bei denen das Licht die Dinge streichelt.

Self publishing books

Der deutsche Fotograf Dirk Gebhardt erzählt von seinen Erfahrungen und den Möglichkeiten des self-publishings. Kurz zusammengefasst: bleibt ein großer Teil der Einnahmen bei einem selbst, aber eben auch die ganze Arbeit an einem Buch. Der Vertrieb ist auch ein Problem, denn hier geht es kaum in den Buchhandel, online gibt es aber natürlich Wege des Direktmarketings und auch ein ISBN Nummer ist kein Hexenwerk. Dirk Gebhardt hat übrigens gerade ein grandioses fotografisches Deutschlandportrait veröffentlich, ist einmal quer durchs Land gelaufen, hat Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten gesprochen und portraitier, zeigt Landschaften, Szenen, Augenblicke. Das Buch “Ein Jahr Deutschland” ist Roadmovie, Bilderbuch und Schmöker, Sozialreportage und Fotokunst – und es funktioniert, schon bei der ersten Durchsicht denke ich: ich kenn mein Land garnicht. Dieses Buch macht neugierig und klüger!

Calenders! Prejudices, possibilities & perspectives for (food) photographers

Geschäftsleiterin Ute Edda Hammer von der Weingarten KVH Verlagsgruppe berichtet aus der mir doch sehr fernen und fremden Welt der Fotokalender und ich bin erstaunt: ich ahnte nicht wie viel Mühen hinter den Produktionen stecken, ich dachte immer so ein bisschen, Kalender seien Zweitverwertungen aus Büchern. Ich werde eines Besseren belehrt. Alleine 100-150 Motive müssen zu einem Kalenderthema vorliegen, aus denen dann manchmal nur 12 Motive ausgewählt werden. Auch sonst ein sehr eigener, aber erstaunlich großer und lebendiger Markt.

PechaKucha

Pe…was? Eine offene Präsentation bei der Besucher und Teilnehmer in kurzen Slots von 20 Bildern oder Folien, die jeweils nur 20 Sekunden zu sehen sind, ihre Arbeiten oder Projektideen vorstellen könne, das interessierte Publikum beantwortet Fragen, gibt Tipp, bestenfalls Anregungen oder Unterstützung.

Screening und Awards

Höhepunkt und glanzvoller Abschluss des Festivals ist der FOOD PHOTO FESTIVAL-Award mit Screening, Foodphotos auf Großbild-Leinwand sind ein Genuss, in Vejle war die breite Bildschau mit Fotoarbeiten aus aller Welt wieder mal sehr gut komponiert, stimmig die perfekt gesampelte und geschnittene Musik zu den Beiträgen. Persönlich habe ich mich sehr gefreut, erstmals Bilder aus meinem neuen Kochbuch auf Großbildleinwand zu sehen (kommt am 1. August in den Handel!), die Fotos von Fotograf Andrea Thode, das Props-Styling von Meike Graf (ihr habt gefehlt und ich war stolz wie Bolle auf uns, im Dunkel des Theaters!)

Es folgte die Vergabe der Preise, Food-Feature 2017 ging mega-verdient an Maisie Crow, deren Foto-Film „Hunger“ über das Prader Willi Syndrom (PWS) nicht nur sehr ergreifend ist, sondern auch erzählerisch einfach überzeugend zukünftig: die raffinierte Verknüpfung von Bewegt-Bildern mit klassischer Fotografie und der Arbeit mit der Tonspur, schaffen ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten. Der Film lässt sich leider nicht eingebunden abspielen ist aber hiter diesem Link zu finden, knapp 5 Minuten, die sich wirklich lohnen:

https://vimeo.com/36053096

Die Jury (Ute Hammer, Emma Syrett, Mary Valentin, Per-Anders Jörgensen, Peter Steiner) zeichnete zudem Carmen Troesser für das Foodphoto 2017 aus.

And the winner is…CARMEN TROESSER @ctroesser won the FOODPHOTO 2017 award. Unfortunatly she could not join us on stage but wrote these words: I’m honored beyond words to accept the FOODPHOTO 2017 award this weekend in Vejle Denmark. This festival brings together some of the worlds’ most celebrated food photographers and stylists in an environment that encourages us to take risks and tell the stories of food through our own unique prisms. The talent and energy for our craft is humbling. Many many thanks…” CONGRATULATIONS Carmen!!! #foodphotofestival #foodphotofestivalvejle #foodphotofest #foodphotoaward17 #foodphotography #foodphotographer #foodphotofestival2017 #foodphotofestivalthedayafter #foodphotofestivalwinner #foodphoto #foodphotos

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Leider konnten beide Preisträgerinnen nicht anwesend sein, Carmen Troesser fand aber per Mail schöne Worte für das Festival, das 2019 wieder stattfinden wird:

“This festival brings together some of the worlds´s most celebrated food photographers and stylists in an environment that encourages us to take risks and tell the stories of food through our own unique prisms. the talent and energy for our craft here is humbling. Many many thanks….”

Für das kommenden Festival denken Günter Beer und sein Team über einen Preis für Foodstyling nach, ich würde das begrüßen, denn das macht die Hälfte eine Foodfotografie aus – ganz genau gesagt eher ein Drittel, denn Pops und Interior sind ebenso maßgeblich für die Gesamtbildwirkung.) Und wären wir bei „Wünsch Dir was!“, ich würde aus diesem Grund auch einen Team-Preis für Kochbücher sehen (Foto, Foodstyling, Styling und mit den BuchgestalterInnen auch!), das wäre großartig! Und ein Preis für Magazin-Reportagen, bzw. Fotostrecken in einem Magazin. Wir Foodschaffende feiern uns so selten, treten allermeist still hinter unseren Arbeiten zurück, da kann es ruhig noch ein paar PreisträgerInnen mehr geben, alle zwei Jahre – auch für die Außenwahrnehmung des Festivals und unserer Branche wäre das sicherlich ein glänzendes Signal.

Ich sage ganz persönlich danke, an Günter Beer und Manon Straver, dem Team des FOOD PHOTO FESTIVALs, den vielen Fachleuten die in Vejle so großzügig ihr Wissen teilten und weiter gaben, den Kollegen und Freunden – für eine gute inspirierende Zeit, für neue Impulse und neue Ideen. Danke!

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