Wiederbesucht: das Nobelhart & Schmutzig, ein Januar-Menü

(wegen des Fotoverbotes, hier eine Impression, ganz in der Nähe des Restaurants aufgenommen)

Irgendwie schaffe ich es immer nur im Winter ins Nobelhart & Schmutzig, dann wenn die regional-saisonale Küche gern auch mal überwiegend Kraut & Rüben bedeutet, „brutal lokal“ zur echten Herausforderung wird, im Sommer kann das jeder. Insofern ist die Vorfreude riesig, auf die einzigartige Küche von Micha Schäfer und seinem Team, auf dieses so lässige wie elegante, großzügige Setting, mit der offenen Küche und dem weiten Rund der Barplätze (please take memories, not pictures, sagt die Speisekarte) und nicht zuletzt auf Billy Wagner, Gastgeber und Sommelier.

Ein Besuch im Nobelhart & Schmutzig, das ist für mich, neben dem Genuss, vor allem lernen und staunen, über die radikale Reduktion, die Präzision der Aromen, den Minimalismus, der es an nichts fehlen lässt – eine Produktküche, die ihre Sensation der Qualität und der durchdachten Kombination von wenigen Zutaten verdankt, vor allem aber auch dem Nachdenken über Handwerk und Techniken. Hier die Notizen zum Abend:

Topinambur
Topinambur von Grete Peschken, zweimal geröstet, dabei bleibt das Fleisch der Knollen auch beim zweiten Röstvorgang weich, bei dem die Schale schon leicht karamellisiert. Knusprig und natursüß, gewürzt mit Heu und serviert auf kühlem, fetten Schmand. Das ist es, was ich oben meine.

Müritz Aal, Rettich
Der fettfleischige Aal der Müritz-Fischer ist groß, die Stücke dickfleischig – so passieren beim Räuchern kaum Fehler, etwa Überrräucherung, das schmeckt man. Das Fleisch ist warm, als käme es eben aus dem Rauch, saftig und kernig im Biss, bestrichen mit dunklem Apfelkraut, dazu der frische Knack vom Rettich.

Alfredo Sironi Dinkel Sauerteigbrot & Rohmilchbutter

Den sympathischen Bäcker Alfredo Sironi haben Daniela Haug und ich für mein Buch „Auf die Hand“ portraitiert – der umtriebige Bäcker beliefert von der Markthalle Neun aus eben auch das Nobelhart. Die Sensation ist, neben dem duftenden Brot mit dem Mega-Knusper, vor allem die Butter, vom Erdhof Seewalde, einmal vom Januar, ein zweites Tellerchen mit gereifte Butter aus dem Oktober, ein würzig-käsiges Vergnügen.

Rote Bete, Petersilie

mein Lieblingsgang an diesem Abend. Rote Bete in Butter und dem eigenen Saft geschmort, unter einem Berg vom frischesten Petersiliensalat, den ich je aß. Die gute Petersilie von der Domäne Dahlem ist nicht gehackt sondern geschnitten, der Anteil ein kleinen, knackigen und richtig saftigen Stengel-Stückchen beträgt ein gutes Drittel. Der Salat ist kühl, saftig und betont salzig, große Klasse. Das ganz wird mit einer buttrig-säuerlichen Bier-Beurre Blanc angegossen. Bäm!

Müritz Hecht, Pfifferling

Hecht muss reifen, sonst ist er hartfleischig und taugt höchstens für Hechtklößchen-Farce – hier ein butterzart bleu gegartes Stück saftiges Hechtfleisch (ja ist es denn die Möglichkeit!), dazu die anregend salzige Säure der eingelegten Pfifferlinge, die eine ganz eigene Show sind: in kräftig betontem Salz- und Essig-Wasser gekocht, dann abgetropft in Öl eingelegt – u.a. für diesen fabelhaften Teller

Ei, Senf

Onsen-Ei, das Eigelb entsprechend cremig, die Menge noch gilbberndes Eiweiß wurde für diesem Teller reduziert. Ein reicher, cremiger Senfsud und, ja, ich glaube, rohe hauchdünne Kartoffelscheiben, erinnern an die seelenwärmende Qualität des Klassikers aus der Deutschen Küche, der auch in dieser Version seine Wirkung tut.

Kohl und Meerrettich

Ein Klassiker aus dem Nobelhart & Schmutzig, verschiedene Kohlarten, Weißkohl, Schwarzkohl, Grünkohl, in verschiedenen Zubereitungen, gebraten, gebrannt, gekocht, geschmort, gestapelt und mit Meerrettich geschärft, Butter, Salz – irre gut. Der beherzt gebrannte Kohl fehlte diesmal, was der Freude aber nur wenig Abbruch tat.

Pommernente, Rotkohl

Hier geht’s um die Güte der Pommernente, die eigentlich nicht im Handel ist. Perfekt, etwas mehr als bleu gegart, die saftigen Stücke auf dem Teller. Die Haut zarter und deutlich weniger dick als bei anderen Enten, kross und salzig. Der Rotkohl mit deutlichem Säureakzent passt natürlich, die Jus ist tief und umami (wenn es denn eine war, ich hatte bei Micha Schäfer auch mal eine Jus aus einreduziertem Rote Bete Saft, das war überraschend komplex).

Joghurt, Traubenkernöl / Mohn und Hagebutte

Kühler Joghurt, belegt mit Scheiben von schwarzen Walnüssen und dem Traubenkernöl vom Bio-Weingut Rummel in der Pfalz, sorgen hier für den eleganten Übergang zum Dessert aus Hagebutte, mit Zucker und Salz roh geriebenem Mohn, sowie Rauch vom geflämmtem Rotholz? Hier verschwimmen meine Aufzeichnungen ein wenig, was dem Umstand geschuldet sein mag, dass Billy Wagner eine ganze Reihe wunderbarer, spannender und teils seltener Weine für uns aufzog. Allerspätestens an dieser Stelle sei auch Chefredeakteur und Effilee-Herausgeber Vijay Sapre gedankt, der zur Redaktions-Weihnachtsfeier im Januar geladen hatte – danke Vijay, für diesen prächtigen Abend!

Lieblingsweine meinerseits waren: der feinperlig frische und trockene Fontana die Boschi, ein Lambrusco aus Modena. Wie Samt im Mund, der mit wilden Hefen vergorene 2013 Gutedel (Chasselas), Ziereisen Jaspis, Alte Reben. Bei den (perfekt und eben leicht kühl temperierten) Rotweinen war der Saint Joseph von Pierre Gonon zum wegsaufen gut.

Ein Wohlfühlabend mit herzlichen Gastgebern und klasse Service, ausgezeichneter Musik vom Plattenteller – und eben auch, nicht nur die Weine betreffend, lehrreich und inspirierend: den Petersiliensalat beispielsweis, den klau ich garantiert, die in Butter und eigenem Saft geschmorte Bete ebenso, das mit den Pfifferlingen probiere ich in der nächsten Saison – dann wenn Billy Wagner, Küchenchef Micha Schäfer und das Team vom Nobelhart & Schmutzig, längst schon wieder weiter gedacht haben werden. Vorher komm ich aber nochmal zum Essen: im Sommer!

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