Probiert: Das kleine Lokal, Bremen. Vom Zauber der alten Schule

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Foto: Das kleine Lokal

Der Ausdruck „Alte Schule“ (oder „Old school“ wie ganz junge Menschen sagen) dürfte in Zukunft bei der Bewertung von Restaurants eine immer größere Bedeutung erfahren. Zwischen Molekularküchenexperimenten und mangelhaft ausgebildeten Jungköchen wird die „Alte Schule“ wahrscheinlich eine Renaissance als Gütesiegel erleben, als Synonym für gelerntes Handwerk, unprätentiöser Kochkunst und einer im besten Sinne konservativen (bewahrenden, erhaltenden) Küche, die dabei durchaus fantasievoll sein kann.

So wie die Küche von Stefan Ladenberger, Patron und Küchenchef des „Das kleine Lokal“ in Bremen, und seinem Souschef Daniel Wagner. Nur 36 Sitzplätze finden sich im gemütlichen Restaurant (Reservierung empfohlen). Die roten Sessel sind Geschmackssache gerade in der Kombination mit den japanisch anmutenden, schwarzen Tischen und der wunderschönen, imposanten hölzernen Bar, die an eine alte Apotheke erinnert.

Das Restaurant ist Mitten in der Woche ausverkauft, der Empfang herzlich, auch als Alleinreisender bekomme ich keinen Katzentisch und die volle Aufmerksamkeit des freundlichen Service. Die Weinkarte ist großartig: übersichtlich gestaltet, eine Agenda erklärt die verwendeten Symbole. Hinter den offenen Weinen und den Raritäten-Flaschen beginnt eine Weinauflistung der anderen Art: die Etikette sämtliche Weine sind sorgfältig in die Karte eingeklebt, ein weiterer Aufkleber informiert über den vorrätigen Jahrgang und den Preis. Für visuelle Menschen eine so schöne wie nützliche Katalogisierung, die Kalkulation sämtlicher Weine ist ebenso gastfreundlich.
Somelier Stefan Fischer führt fachkompetent durch die Auswahl, beim eisgekühlten Sherry-Apero mit kleinem Lachs-Avocado-Toast und einer Amuse-Bouche Fleischterrine mit halbem Wachtelei (Old school extrem) sind die korrespondierenden Weine zum gewählten Menü schnell gefunden.

Die Vorspeise bestelle ich eigentlich nur, weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann: Lauwarmer Salat von Grünkohlravioli, Pulpo und gepökelter Schweinebacke.
Eine geschmackliche Sensation, der Verdacht hier würde um der Kreativität Willen zwangsvermählt, bestätigt sich nicht. Im Gegenteil! Der butterweiche Pulpo passt besser als Grützwurst zum Grünkohl, der seinem Namen alle Ehre macht, knackig, leuchtend grün, nur kurz blanchiert und dann in Butter mit etwas Wein und Fond noch mal kurz angeschwenkt. Das ist alte Schule, das ist Nouvelle Cuisine, kurze Garzeit, Konzentration auf den Eigengeschmack des Produktes. Ich aß nie besser zubereiteten Grünkohl, die Kombination mit Pulpo und den ebenfalls mit Grünkohl gefüllten Mini-Ravioli ist beinahe zwingend und dazu die gepökelte Schweinebacke in Form von wenigen hauchzarten, herausfordernd salzigen Speckstreifen eine Offenbarung. (15 €)

Die Gänsecannelloni mit gebratene Gänseleber auf Vanille-Sellerie und Balsamicokirschen sind ebenso köstlich, der Nudelteig weich und doch mit feinem Biß, die Füllung Gans pur, die Leber perfekt gebraten. Der Sellerie ist alte-Schule-sahnig und macht den Gang sehr wuchtig, die wunderbar säuerlichen Balsamico-Kirschen (aus getrockneten Kirschen!) sorgen aber ausgleichend für ein schönes Verhältnis von Süße und Säure. (16,50€)

Alte Schule spricht auch aus dem junge Stefan Fischer, jetzt wo wir uns schon ein bisschen kennen, fällt es mir auf: diese „mein Herr“, jedes Mal begleitet von einem winzigen Kopfnicken, beim Servieren wird mir „viel Spaß weiterhin“ und „guter Genuss weiterhin“ gewünscht, später beim Dessert sogar „süßes Vergnügen“. Das befremdet ein wenig, macht aber nichts, denn Stefan Fischer beherrscht neben einer arg geschwungenen Sprache vor allem seine Arbeit. Alle Weinempfehlungen (0,2/ 4,20-7,20€) absolute Treffer, alle Weine perfekt temperiert, sogar der Rotwein endlich mal richtig und mutig gekühlt! Perfektes Timing in der Speisefolge (natürlich auch ein Verdienst der Küche), nie sitze ich unnötig lange rum, nie fühle ich mich gehetzt. Als mir, vor dem Hauptgang, die Serviette vom Schoß gleitet und ich noch überlege ob ich die jetzt eintauschen soll, schiebt mir Stefan Fischer bereits den frisch gerollten Stoff diskret auf den Tisch.

Den Hauptgang, dreierlei vom Pata Negra Schwein mit Steinpilzen, gebackener Kartoffelterrine und Artischocken überzeugt, auch hier schmeckt wieder jedes Produkt für sich, sowie in der Kombination: perfekt gegart das Filet, saftig und würzig sind das hausgemachte Rostbratwürstchen, sowie die lockere Mini-Kohlroulade zu den im ganzen sautierten Mini-Steinpilzen und den knackigen Artischocken. Die Kartoffelterrine ist knusprig und innen zartschmelzend.

Die Dessertkarte ist bescheiden mit drei, allerdings vielteiligen Desserts bestückt. Ich mag eigentlich kein Dessert, für Käse bin ich schlicht zu satt. Verkaufsgenie Stefan Fischer bietet von sich aus eine Kugel hausgemachtes Eis an, sowie wahlweise „ Desserts in Teilen“. So etwas gehört sich eigentlich nicht und ist im Grunde ein Affront gegen den Patissier, der sich mit Sicherheit bei seinen Kompositionen was gedacht hat. Ist aber auch schlicht gastfreundlich gedacht und macht Umsatz! Ich nehme das Ziegen-Honig-Eis mit Apfel Ingwer-Confit ohne Spekulatius-Soufflé. Ohne Nachtragend zu sein, hat mir der Patissier einen kleinen Spekulatius-Keks ins cremige Eis gesteckt, so kann ich die eigentliche Geschmacksidee doch noch nachvollziehen. Großartig! (6,50 € mit Soufflé 10,50 €). Vor Schreck bestelle ich noch ein Glas Champagner dazu. Alte Schule rockt!

www.das-kleine-lokal.de
(der Internetauftritt ist auch etwas Old school, aber informativ und immer mit der aktuellen Speisekarte bestückt)

Das kleine Lokal
Besselstr. 40
28203 Bremen
Fon: (0421)7949084
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag ab 19.00 Uhr
Küche: 19.00 – 23.00 Uhr

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