Gesehen: Julie & Julia

Ja gute es ist dann natürlich erstmal eine Hollywoodschmonzette mit allem Drum und Dran, mit ganz großen Gefühlen und Taschentuch-Romantik. Wer das Œuvre der Regisseurin Nora Ephron kennt, den wundert sowieso nichts mehr, schon in Filmen wie Schlaflos in Seattle und E-Mail für Dich zeichnete die Regisseurin und Drehbuchautorin (Harry und Sally) ihre Geschichten mit dem eher breiten Gefühlspinsel. Nora Ephron bewies aber auch immer schon ein gutes Gespür für leise und lautere Komik und die macht, nebst einer wunderbar entfesselten Merly Streep und einem großartigen Stanley Tucci als liebender Ehemann, ihren neuen Film Julie & Julia doch sehenswert.

Überhaupt beginnt der Film rasant und macht in der ersten Hälfte ungebrochen viel Spaß, es wird mit Leidenschaft gekocht und gescheitert, Meryl Streep ist als euphorisch-enthusiastische Kochnovizin Julia Child eine echte Schau. Insbesondere die Szenen ihrer Ausbildung am renommierten Cordon Bleu in Paris sind cineastische wie kulinarische Leckerbissen. Wer übrigens glaubt Merryl Streep übertreibe sicher ein wenig mit der Darstellung der Julia Child, den möge der folgende Ausschnitt aus einer PBS Dokumentation eines Besseren belehren:

Auch die ersten Koch-Gehversuche der frisch gebackenen Foodbloggerin Julie Powell (Amy Adams) machen Spaß, die Kochsequenzen sind allesamt appetitanregende bis Lachtränen-fördernd gefilmt, beim aufschneiden eines besonders saftigen Kuchen geriet das das Hamburger Kinopublikum kollektiv in lautstark Verzückung: „Woaaah…mmmh!“

Dann wird’s ein bisschen zäh. Der lange Weg Julia Childs und ihrer Kolleginnen zum berühmten Kochbuch Mastering the Art of French Cooking wird so detailliert und langatmig erzählt, man glaubt dabei gewesen zu sein. Auch die sich häufenden „Psychocrashs“ der verspannten Foodbloggerin Julie (The Julie/Julia Project) in New York wirken überzogen und nerven bald ein wenig. Dann ist nach zwei Stunden plötzlich alles ganz schnell vorbei. Julie legt Julia dankbar statt Blumen ein Stück gute Butter unters Foto der Kochbuchautorin in der Museeumsküche und wird, Blog und Buch sei Dank, selbst berühmt. Nichts erzählt wird leider von Julia Childs Fernsehkarriere als eine der ersten Fernsehköchinnen in den USA, und auch ihre (wohl nicht sehr positive) Reaktionen auf die nachkochende Bloggerin werden nur angedeutet. Das hätte mich interessiert. Julie Powell schreibt dazu am 10. August in ihrem aktuellen Blog What could happen?: A lot of people have been asking whether it’s true that Julia Child wasn’t a big fan of Julie Powell, and whether she and I really didn’t meet. Both of those things are true – Julia, I think, from what I gather, was less irritated than simply uninterested. Which, when I first found out, was of course devastating.

Trotz seiner Längen ist der Film dennoch sehenswertes Unterhaltungskino, nicht nur für „Foodies“, denn ganz nebenbei erzählt der Film vom großen Glück des Kochens, von den Freuden der Kulinarik (zumindest in Childs Fall) und nicht zuletzt vom ganz normalen Wahnsinn der Bloggerei. Holen Sie sich beizeiten die DVD, lassen Sie während der Vorstellung im Heimkino ein Boeuf Bourguignon in der Küche schmoren
(Julia Childs Boeuf Bourgignon/Download)und genießen Sie einen schönen Rotwein zum Film, dann wird alles sehr, sehr gut.

Links zum Thema:

Ooh…melette! Zu Gast bei Julie Powell. Von Sacha Verna, Die Weltwoche

Julie & Julia offizielle Seite

The Julie/Julia Project Blog

What could happen?-Julie Powells aktuelles Blog

julie_und_julia

  1. Na endlich – eine Kinokritik aus den Kreisen, die mich als “Reingschmeckte” erstmal auf das Buch aufmerksam gemacht haben (Die formidable Fr. Kaltmamsell).
    Ich habe erst vor kurzem das Buch gelesen und daher war im Film für mich fast ein wenig zuviel Julia und zu wenig Julie. Allerdings kann man von Meryll Streep nicht genug kriegen (Danke auch für Nennung des Partners Stanley Tucci, den fand ich toll. Seine Figur (die auch, man denke an die “Bettszene” 😉 war besser getroffen als ich sie mir hätte ausdenken können).
    Mir hat der Film richtig Spaß gemacht. Eventuell hatte ich mir das fest vorgenommen, aber es war ganz leicht.
    Leider hatte ich nichts zu Essen und zu Trinken. Meine zu späte Kinopicknickplanung und die Preise im Mainstream-Kino, das ich sonst nicht besuche, haben das verhindert. (Die spinnen ja wohl!)
    Auf jeden Fall auch vielen Dank für das Rezept. Das war mein erster Gedanke beim Verlassen des Kinosaals.

  2. Lieber Herr Paulsen,

    meine Meinung zum Film ist eine recht ähnliche, vielleicht hatte ich aber auch einfach ein wenig zu hoch gesteckte Erwartungen. Julia Child wird wirklich sehr authentisch von Meryl Streep verkörpert, sogar ihre fehlende Körpergröße (20 cm Unterschied zur echten Julia Child!) hat man durch Kameratricks und geschickte Auswahl der anderen Schauspieler herbeigezaubert.

    Dafür hat Amy Adams mit Julie Powell nicht wirklich viel gemeinsam, hier gibt’s ein Video mit der echten Julie:

    [youtube=http://www.youtube.com/watch?v=LzliAG7MGHk&hl=de&fs=1&rel=0]

    Ich habe damals ihren Blog regelmäßig gelesen und hätte mir die “echte” Julie ganz anders vorgestellt, abgesehen davon, dass ein paar Filmdetails schlichtweg falsch sind.

    Völlig danaben finde ich in diesem Zusammenhang aber das Julie-Bashing, das in USA betrieben wurde. Schließlich ist es fraglich, ob Julia Child nochmal so eine PR-Welle erhalten hätte – ohne Julie Powells Blog/Buchvertrag!
    (Noch eine interessante Ansicht zum Thema: http://www.slate.com/id/2226512 )

    1. Nicky, wau, danke für die Infos, vor allem für das Video, das ist wirklich interessant! Habe eben beschlossen: wenn mein Blog mal verfilmt wird, möchte ich bitte von Clive Owen dargestellt werden. Ja gut, George Clooney ginge auch. Ich bin da garnicht so.

  3. naja, dass es im film nicht mehr um julia childs tv-karriere ging, war klar, weil auch für den julia-part ein buch als basis herangezogen wurde: my life in france. interessant klingt julie powells neues buch “cleaving”, in dem sie angeblich vom fleischerhandwerk, das sie nach dem erfolg (dem geld und der zeit) des ersten buches erlernt hat, schreibt. hat das schon wer gelesen?

  4. ps: danke an nicky für den slate-artikel. ich habe mich schon länger gefragt, ob ich mir das buch eigentlich zulegen muss – oder eben nicht. ich glaube, ich muss nicht.

  5. Jetzt wird’s aber mal Zeit, dass ich ins Kino geh!!
    Julie UND Julia “profitieren” übrigens bei uns beide vom Film – sowohl die Nachfrage nach dem Buch zum Film bzw. Blog wie auch nach dem Original ist gestiegen. Schon lustig, wie da eine quasi vergessene Köchin wieder zu Ehren kommt…

  6. Wenn ich jetzt erzählen würde, dass mein ehemaliger Küchenchef einer der 12 amerikanischen Köche war, die von ihr persönlich ausgesucht wurden um Julia Child an ihrem 80. Geburtstag zu bekochen, wäre das angeben, oder? Ist aber so.

    Quel petit monde.

    Paulsen, ich lade dich jetzt schon mal ein, den Film auf Großbildfernseher im Original zu schauen sobald die DVD erscheint. Bourgignon aus der Flache inklusive.

    A bientôt!

  7. Hihihi! Ich kam mit dem Mitbewohner am Mittwoch in England aus dem Film, und das Erste, was er sagte, war: “Wer sollte wohl mich spielen, wenn dein Blog mal verfilmt wird?” Dann regte er ein offizielles Treffen von Bloggerinnenpartnern an.
    Ich habe mich blendend im Film unterhalten: So viel köstliches, echtes Essen!

  8. Den Film habe ich bisher nicht anschauen können, obwohl der mich sehr interessiert. Nun habe ich erfahren, dass er am kommenden Samstag auf Sky ausgestrahlt wird.
    Ich freue mich sehr darauf.

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