Molekularküche im Seniorenheim – das Max Planck Institut in Mainz geht neue Wege

Ernährung ist nicht nur überlebenswichtig, sie bedeutet im besten Falle auch Lebensqualität und dient der eigenen Wahrnehmung. Essen und Genuss stimulieren die Sinnesfunktionen, gemeinsame Mahlzeiten fördert zudem die soziale Interaktion – besonders ältere Menschen und Pflegebedürftige leiden oft regelrecht unter dem „Einheitsbrei“ der Krankenhäuser und Seniorenheime.

Mit den Erkenntnissen aus der so genannten Molekular- und Avantgardküche, wollen die Pflegewissenschaftlerin Ilka Lendner (Solothurn, Schweiz), der Koch Rolf Caviezel (Grenchen, Schweiz) und der Mainzer Physiker Thomas Vilgis vom Max Planck Institut in Mainz, diesen Menschen wieder zu einer höheren Geschmackssensibilität verhelfen.

Der Schweizer Koch Rolf Caviezel wurde auf der Frankfurter Buchmesse 2009 mit eine Silbermedaille der Gastronomische Akademie Deutschland für sein Buch „Molekulare Küche-do it yourself“ ausgezeichnet. Mit seiner Firma freestyle cooking möchte Caviezel „die Molekulare Küche in der Gesellschaft etablieren“.

Der Physiker Thomas Vilgis dürfte manchem Kulinarikern ein Begiff sein, Vilgis populärwissenschaftlichen Artikel und Kolumnen erscheinen u.a. in essen & trinken und Vincent Klinks Häuptling eigener Herd, er ist Herausgeber mehrere Bücher zum Thema Molekularküche sowie Herausgeber des journal culinaire – der Zeitschrift zu Kultur und Wissenschaft des Essens.

Für die einen ist es modischer Hokuspokus, anderen bedeutet die so genannte Molekularküche eine so revolutionäre wie überfällige Weiterentwicklung der Koch- und Genusskultur. Das spannende Projekt des Max Planck Instiut in Mainz könnte völlig neue Aspekte und Einsatzmöglichkeiten der innovativen Kochtechniken aufzeigen.

Pressemitteilung des MPI zum Projekt:

Die wissenschaftliche Wiederentdeckung der Gaumenfreuden

  1. Ach ja – als ehemalige Altenpflegerin, Stationsleiterin und stellvertretende Heimleiterin, die nach mehr als 16 Jahren Auszeit immer noch vom Heim träumt, fänd ich toll, wenn genug Personal vorhanden wäre, um menschenwürdig zu pflegen, genug Zeit vorhanden wäre, um auf die elementarsten Bedürfnisse der Bewohner eingehen zu können und man nicht permanent gehetzt von Bett zu Bett springen müsste, um allernotwendigste Pflegemaßnahmen zu verrichten.

    Ich bin schon seit 1994 nicht mehr in dem Beruf tätig, vielleicht hat sich ja mittlerweile etwas zum Guten verändert. Damals war es einfach nur furchtbar. Da waren wir froh, wenn „satt und sauber“ angesagt war. Wenn ich dann „Molekularküche fürs Altenheim“ lese, denke ich spontan: außen hui und innen pfui.

    Menschenwürdiges Dasein der Anbefohlenen bis zum Schluss, Zeit für Gespräche, für Respekt, Neugierde und Empathie, verbunden mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen bei adäquater Bezahlung für das Pflegepersonal, das ist mein Traum.

    Wenn alles andere stimmt, dann von mir aus auch Molekularküche. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass gerade die Gerichte, die an „Früher“ erinnern, ganz oben auf der Hitliste standen.

  2. Ein wichtiger Aspekt, Schnuppschnuess, der in der Pressemeldung keine Erwähnung findet. Ich denke da ist das Wissen der Pflegewissenschaftlerin Ilka Lendner gefragt. Vielleicht ergeben sich ja durch das Forschungsprojekt auch diesbezüglich Erleichterungen, ich denke spontan an bessere Portionierbarkeit oder eine eventuell vereinfachte und zeitsparende Dareichung, die dann Zeit für andere Dinge lässt. Ich bin wirklich sehr gespannt, welche Möglichkeiten und Entwicklungen es auch unter diesem Aspekt geben wird.

  3. Auch ich hatte meine Portion Einblick in Alten- und Pflegeheime. Ich kann Juttas Beitrag nur beipflichten. Wir haben mehr als einmal ein Familienmitglied aus der Kurzzeitpflege, die eine Verschnaufpause für uns sein sollte, frühzeitig nach Hause oder ins Krankenhaus holen mussten, weil das Pflegepersonal schlicht überfordert war und Lungenentzündung und wundgelegene Stellen nicht die Souvenirs sein sollten, die man aus der Pflege mitnimmt.

    Der Ansatz in allen Ehren, aber in der Realität gibt es andere Probleme als gekräutertes Karottenespuma.

  4. Höhere Geschmackssensibilität – wenn das das Ziel ist und wenn man die neuen Kochtechniken mit den gewohnten Lieblingsrezepten alter Menschen und mit gesunder Ernährung verbinden kann – ist das ein guter Ansatz. Molekularküche als Begriff ist etwas daneben, er suggeriert Luxus, Abgehobenheit, Künstlichkeit. Es spricht aber nichts dagegen, das übliche Rindfleisch sous vide zu garen, eine Brokkolisuppe im Thermowhip zuzubereiten und an Stelle von Mehl oder Eigelb Pfeilwurz oder Lezithin zu verwenden.
    Dass in der Pflege viele andere Probleme dringlicher sind, sollte Experten nicht daran hindern, über altersgerechte, neue Küche nachzudenken und sie auszuprobieren.

  5. nur der genauigkeit halber: das institut heisst max planck institut für polymerforschung. in mainz gibt es naemlich zwei max planck institute, das andere ist das mpi für chemie.

  6. Ich finde die Idee faszinierend. Die oben stehenden Kommentare sind absolut zu berücksichtigen- aber manchmal muss man Musik laut aufdrehen um sie richtig zu hören. Und Essen kann Musik sein, das sieht man an Deinem Blog.

  7. Evi, das ist alles ein großer Mist, das ist sicherlich richtig. Ich durfte den Pflegenotstand und die Hilflosigkeit schon während meines Zivildienstens vor zwanzig Jahren kennen lernen und es scheint sich nichts geändert zu haben. Ich bin aber gerade deshalb der Meinung das ein gutes, auf den Pflegepatienten zugeschnittenes Essen zumindest ein- zweimal am Tag Licht in den trüben Alltag bringen kann. Und sollte die Arbeit des Pflegepersonals eventuell dadurch noch erleichtert werden, lohnt jedes Engagement.

    Eline, genau so sehe ich das auch, ich denke es geht weniger um Schäumchen als mehr um alternative Kochtechniken, wie von Ihnen angesprochen.

    Tina, danke für den Hinweis, so viel Zeit müsste sein!

    Querschnitt, danke! I know you know music!

  8. Wer soll denn das bezahlen?

    Es reicht ja noch nicht einmal für normal zubereitete Speisen. Die armen Alten bekommen von Grossfirmen gefertigte Einheitsnahrung, die kostengünstig produziert und verabreicht werden kann.
    Und da machen sichLeute Gedanken, wie die neuen Küchentechniken hier angewandt werden können. Die Küchentechniken sind cook & chill, regenerieren, warmhalten, verabreichen (von Servieren will ich hier nicht sprechen) und den Rest entsorgen.

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