Fundstück der Woche: "…eher so verquatschte Blogs…"

Madeleine Jakits, Chefredakteurin von DER FEINSCHMECKER erläutert in der aktuellen Ausgabe von PHOTO PRESSE (PP 16 / 5. August) ihre Einstellung zu Foodblogs und kulinarischen Online-Angeboten im Bezug auf das eigene Magazin:

Photo Press: Sind die Internetseiten mit Essens- und Rezeptthemen für eine Zeitschrift wie Der Feinschmecker eine Konkurrenz?

Madeleine Jakits: Ich hab nicht das Gefühl, dass uns das dramatisch etwas wegnimmt. Das sind ja eher so „verquatschte“ Blogs, bei denen die Leute so reinschreiben, wie ihnen gerade der Schnabel gewachsen ist und mit meist sehr leicht machbaren Rezepten. Was aber das Publikum bei uns sucht, sind Themen über Gastronomie-Trends, über neue Reiseziele, interessante Restaurants und anspruchsvolle Rezepte. Das findet bei den Internetauftritten, die Sie meinen, eher weniger statt. Wir haben für unser Magazin doch ein sehr klar definiertes Feld, das vom Internet nicht abgedeckt wird.“

(Quelle: Printausgabe Photo Presse (PP 16 / 5. August) )

  1. Auf die Gefahr hin, hier das Vorurteil vom Blogger vs. Holzmedien-Konflikt zubedienen, aber I beg to differ, Fr, Jakits.

    Ich würde eher vermuten, der Feinschmecker hat u. A. deswegen noch eher wenig Probleme, weil die Altersstruktur seiner Hauptleserschaft für ein überproportionales Maß an nicht netzaffinen Lesern sorgt.

    Die Themen „Gastronomie-Trends, neue Reiseziele, interessante Restaurants und anspruchsvolle Rezepte“ bekomme ich jedenfalls in meiner Lebenswirklichkeit deutlich besser von den Blogs in meinem Feed-Reader geliefert. Und meine knapp 10 Jahrgänge Feinschmecker habe ich deswegen auch beim letzten Umzug im Altpapier-Container entsorgt.

    So gesehen, liest sich die Aussage für mich ein wenig, wie das berühmte Pfeifen im dunklen Keller.

  2. Wieso verteilen Menschen aus dem Print immer so undifferenzierte verbale Rundumschläge wenn es um Blogs geht? Kein Blogger würde schreiben „Food-Magazine sind Mist“. Interessant wäre doch vielmehr: Welche Foodblogs kennt sie überhaupt und wieviele davon liest sie regelmäßig?
    Zum Thema kulinarische Trends: Die findet man auf Blogs heutzutage lange bevor sie von Magazinen aufgegriffen werden (Beispiel Macarons) 😉

  3. Sehe ich auch so, beide Medien haben doch durchaus ihre Daseinsberechtigung nebeneinander, Blogs sind sehr schnell, fachkompetent, persönlich und herrlich emotional, die Stärken von Zeitschriften und Magazinen liegen für mich in großzügiger Fotopräsentation, Graphik und Layout, da ist Print sehr flexibel.

  4. Das sind doch zwei völlig verschiedene Dinge, oder? Fooblogs und Food-Zeitschriften zu vergleichen ist wie der Vergleich von Radio und Podcast, Buch und Hörbuch, Fernsehen und „you name it“. Unterschiedliche Medien. Keine Substitute, aber Ergänzungen, die in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen. Beides sind Medien, wenn inhaltlich für mich wertvoll und unterhaltsam, die ich sehr gerne nutze. Hoffe das klingt nicht alles zu verquatscht…

  5. @Nicky & @Herr Paulsen: Da stimme ich Euch zu. Beides hat seine Berechtigung. Allerdings kommt aus der Print-Ecke häufig das Runtermachen der Online-Medien. Ich erinnere mich immer noch gern an die Dame vom Bauer-Verlag, die den Bloggern, die zu Besuch waren, erklärte, dass es die Zeitschrift „Lecker“ auch als gedrucktes Magazin gibt.

    Schaut man sich einmal die Auflage (nach ivw) vom Feinschmecker an, muss man sagen, dass einige Blogs und die großen Koch-Sites ohnehin eine „Auflage“ (die ich hier mal mit unique visitors verbinde) von 131.000 (Q2/2010) locker stemmen. Anders als beim Feinschmecker geht bei den Onlinemedien der Trend dabei sogar häufig nach oben …

  6. Ich denke auch, Frau Jakits kennt die Breite der Foodblogs nicht und das macht gerade den Reiz der Blogs aus. Da sind durchaus Trends und ambitionierte Rezepte dabei, aber auch schöne Anregungen für die schnelle Alltagsküche. Ich les den Feinschmecker immer noch gern. Bei Restaurant- und Hoteltipps vertrau ich aber lieber den Berichten anderer Foodblogger

  7. Na, immerhin beuten die Food Blogs (soweit ich weiß) nicht ehemalige Redakteure als jetzt gezwungenermaßen „freie Mitarbeiter“ aus, wie das beim Jahreszeiten-Verlag der Fall zu sein scheint.
    Davon unabhängig kann ich Nicky nur zustimmen: Was muss man immer alles in einen Topf werfen? *kopfschüttel*

  8. hat für einen (aber nur einen) nach oben gezogenen mundwinkel gesorgt. danke.

    ich glaube, dazu muss ich (als kulinarik-journalistin, die aus dem magazinbereich kommt, dort das handwerkszeug gelernt hat und seit gut drei jahren auch ein food blog mit anspruch, dem eigenen, betreibt) nichts mehr sagen. ist ja lächerlich.

    obwohl: ärgern tut mich saturiertheit und arroganz wie diese immer noch. ein bisserl.

  9. Wie ihr vielleicht wisst, schreibt Stevan seit einigen Ausgaben in unserem „Holzmedium“, dem Reisemagazin Sehnsucht Deutschland, das vier Mal im Jahr erscheint. Abgesehen von seinem Schreibstil, der mir persönlich sehr gefällt, kommt Journalisten/Schreibern/Bloggern, auch Lesern, heute m.E. sehr zu Gute, dass sie ihre Ohren und Augen überall haben und aus der Vielzahl der interessanten Möglichkeiten/Informationen, die für ihren Stil und Leserkreis besten „raustrüffeln“, z.B. aus Blogs.
    Insofern ist dieses Verquatschen eigentlich ganz schön, weil – wer richtig hinhört – fast immer schöne Eindrücke/Anregungen und manchmal auch nur gut zu lesende Geschichten gewonnen werden.

    Und Frau Jakits ist mir dem Feinschmecker doch sehr erfolgreich und konzentriert sich nur auf ihr eigenes Produkt. Das würde vielen anderen auch ganz gut tun, stattdessen wird so viel verglichen, dass man kaum noch dazu kommt, etwas Eigenes zu produzieren was nach Konzept und längerem Bestand aussieht.

    Beste Grüße, ein schönes Glas Wein und ein schönes Wochenende, David

  10. Die leider üblich Schaumschlägerei, ziemlich dumm dazu, damit schadet Frau Jakits nur dem Ansehen ihres Magazins. Bei solchen Äußerungen frage ich mich sofort, ob sie sich tatsächlich schon mal auf Blogs angeschaut hat.

    Zahlen von Print und Web vergleichen finde ich aber schwierig, gedrucktes wird hier im Haus von mindestens 2 Personen gelesen, die Zeitschriften in der Bücherei eher von 20-30.

    Muss jetzt los, gucken ob es nicht doch ein anspruchsvolles Rezept in irgendeinem Blog gibt…

  11. In gewisser Weise hat Frau Jakits ja recht. Foodblogs offerieren Rezepte mit Persönlichkeit und Reportagen mit Herz. Die persönliche Note macht ja gerade den Charme von Blogs aus. Wer es dagegen nüchterner mag, greift zum Magazin. Womit Frau Jakits widerum recht hat. Wir nehmen einander nichts weg.

    Nur beim Anspruch der Rezepte, Reportagen und Recherchen kann ich Frau Jakits nicht zustimmen. Wie im echten Leben, gibt es auch in der bunten Bloglandschaft echte Diamanten, die nicht durch oberflächliches Ab-Scannen, sondern nur durch Schürfen entdeckt werden können…

  12. Was Herr Paulsen schreibt : „Stärken von Zeitschriften und Magazinen liegen für mich in großzügiger Fotopräsentation, Graphik und Layout“ ist z.B. für mich genau der Grund den Feinschmecker regelmäßig liegenzulassen, denn Grafik und Layout sind meiner Ansicht nach eine Katastrophe.

    Und um ehrlich zu sein, als „Feinschmecker“ bzw. foodie fühle ich mich in unzähligen Blogs deutlich mehr zuhause als in den meisten Magazinen und habe schon manchen blog als echte Offenbarung erlebt, während ich nach dem Durchblättern von Magazinen oftmals enttäuscht bin.
    Vermutlich liegt das daran, daß sich in Food-Blogs Menschen aus reinem eigenem Interesse austasuchen, während es ansonsten eben um Auflagen und Einnahmen geht.

  13. Was soll man dazu nur sagen? Das ist die Arroganz und die Ignoranz, die vor dem Fall stehen. Wir verkaufen in unserem Kochbuchladen seit Jahren den Feinschmecker. Seit geraumer Zeit jedoch immer weniger Hefte pro Monat. Ruht sich da jemand auf was auch immer aus? Verschläft da jemand die Zeit? Selbst auf dem Printmarkt erwächst ihnen mehr und mehr Konkurrenz. Und was machen die? Sparen bei ihren festangestellten Mitarbeitern und verfolgen ihr ach so klar definiertes Konzept nur noch mit schlecht bezahlten Freien.

  14. Danke für die vielen Comments und Eure/Ihre Meinungen, Es zeigt sich deutlich, dass (Food)-Blogger vor allem ein sehr tolerantes und weitsichtiges Völkchen sind und die Vielfalt der Abgrenzung vorziehen.

  15. Ooch,
    seit ich Frau Jakits in England als Gästin im gleichen Restaurant erlebte, wundert mich so eine ignorante und arrogante Aussage gar nicht mehr.
    Was solls, macht ja nix, wenn ein Foodmagazin Trends verschläft! Den Feinschmecker blättere ich durch, wenn er in Hotels, Restaurants aufliegt (und das tut er sehr oft als Freiexemplar, was die Auflagenzahl auch etwas relativiert)

  16. Liebe Frau Jakitz,

    sie fordern völlig zu Recht, daß zur Ernährung der Genuss gehört. Unbestritten sei ebenso die hohe Qualität vieler Beiträge im FEINSCHMECKER, auch und gerade von freien Mitarbeitern.

    Und der Vergleich eines Hochglanzmagazins, an dem Dutzende von professionellen Schreibern und Fotografen einen Monat arbeiten, mit Blogs, an dem in aller Regel Einzelne all diese Aufgaben, zum Teil mehrfach in der Woche, neben ihrem Hauptberuf, und ab und zu – vielleicht unter dem Einfluss gewisser vergorener Getreide- oder Fruchtextrakte stehend – sich in einer Art und Weise über Themen auslassen, die man auch verquatscht nennen könnte – Geschenkt!

    Es gibt gewiss Qualitätskriterien für gute Lebensmittel, einen guten Journalismus, eine gute Fotografie. Was mich aber stört ist, daß Sie den Anspruch haben zu bestimmen, was Genuss sein soll und was nicht. Es gibt keinen absoluten Genuss, dieser ist subjektiv und damit individuell unterschiedlich.

    Diesem, meinem ganz eigenen, Genusserlebnis komme ich wesentlich näher, wenn ich mich regelmäßig durch die Beiträge und Blogroll des Herrn Paulsen klicke. Dass ich damit nicht alleine stehe, zeigen die monatlichen Zugriffszahlen der zehn besten Foodblogs, die weit über der Zahl ihrer Abonnenten liegen dürfte. Aber vielleicht haben ihre Leser ja nur noch kein Internet…

  17. Ich lese dann mal zum Beispiel lamiacucina, foolforfood, esskultur.at betrachte mir die wundervollen Fotos, die langen wundervollen Texte und grinse mir eins ob der Vielfältigkeit vor allem aber der Intensität der Texte, die mir dann ein Magazin gar nicht bieten kann.

  18. Schade nur dass Frau Jakits diese ganzen Meinungen wohl nicht lesen wird. Es sei denn, jemand druckt Sie aus und schickt es in Papierform an folgende Adresse:

    Jahreszeiten Verlag GmbH
    Poßmoorweg 2
    22301 Hamburg

  19. Andere Verlage denken da offenbar etwas anders und sind schon einen Schritt weiter. Zumindest einer hat das Potenzial von guten Food-Blogs erkannt – als Ergänzung des eigenen Angebots. Gerade heute habe ich eine Anfrage von schoener-essen.de bekommen. Schöner Essen ist eigentlich ein Printmagazin aus dem Verlagshaus G J, inzwischen gibt es dazu ein Online-Portal. Ausdrücklich wird dort um Blogs als „Partner“ geworben, aktuell sind dort 20 Blogger vertreten, deren Beiträge mit Bild verlinkt werden (es wird nicht der Inhalt übernommen). Ich nehme mal an, dass man dort sehr wohl auf die Qualität von Beiträgen schaut und sie auch einschätzen kann.

  20. Jungejunge, die hat Nerven. Habe mir heute morgen (wie eigentlich jeden Monat) das neue Heft gekauft. Jubiläumsausgabe! Für schlappe 9,95 !!! Und das ganze auch noch in Folie eingeschweißt, die berühmte Katze im Sack – das gibts bei Blogs nicht!

  21. Eure Kommentare finde ich auch interessant, wie Stevan schreibt, meist sehr tolerant. Von der Dame hatte ich nicht wirklich anderes erwartet, lassen wir sie denken, was sie meint und wir denken uns unseren Teil und verquatschen uns dabei halt. 😉

    Ich finde es schön, dass es beides gibt, gedrucktes und elektronisches, beides hat seine Berechtigung und beides hat seine Leser.

  22. 9, 95 Euro, das ist ja der Knaller, Claus. Ich habe den Feinschmecker seit meiner Lehrzeit (1988) im Abo, darum ist mir das erstmal garnicht aufgefallen. Wurde das irgendwo kommuniziert? Gefreut hat mich am neuen Heft, dass mein Lehrherr Albert Bouley in der knappen Geschichts-Rückschau erwähnt wurde, verdient erwähnt wurde.

  23. Muahaha. Ich glaube, wenn Eline Rezepte posten würde, die für mich als Otto-Normal-Verbraucherin leicht nachzukochen wären, würde sie sich in Grund und Boden schämen.
    (Eline, Du weißt, daß es lieb gemeint ist, ja?)

  24. Stellen wir uns doch einmal vor, 10-15 Blogger würden gemeinsam an einem State-of-the-art-Blog arbeiten, mit Fotos etc. Einen ganzen Monat Zeit haben, die Dinge auszufeilen. FS könnte mit Sicherheit einpacken, was mich dort zunehmend nervt, ist die ungeheurere Arroganz mancher Autoren, wobei ich nicht Siebeck meine. Wenn ich mit vergegenwärtige, dass an diesem Magazin Dutzende Profis rumwerkeln, dann ist das Ergenis m.E. ziemlich dürftig.
    Alternative: unbedingt Port Culinaire, zwar noch teurer aber ganz große Klasse.

  25. Chezulis Hinweis auf Port Culinaire finde ich klasse. Und gar nicht groß teurer. Schließlich erscheint der Heimathafen nur vierteljährlich. Rechnet dann mal den FS hoch.
    Und ich halte natürlich den Kornmayerverlag sowieso hoch! Frau J. hätte mit mir wahrscheinlich kein Kochbuch gemacht. Evert Kornmayer hat sich getraut! Danke dafür! Allein die Entstehungsgeschichte zu meinem Rezept, viel zu verquatscht. :))

  26. Es gibt natürlich noch viele andere schöne Foodmagazine in Deutschland, neben dem Feinschmecker und Port Culinaire. Ein echte Bereicherung ist Effilee, die neue Beef! überzeugt und neben dem Klassiker essen&trinken, der sich immer neu erfindet, lohnt auch ein Blick ins Apéro-Magazin. Sebastian hat aber Recht: einen Internetauftritt wie den des Feinschmeckers bekommen die anderen Magazine einfach nicht hin:-)

  27. vielleicht nicht „schön“ im fotografischen sinne, aber inhaltlich garantiert eine der besten deutschsprachigen kulinarik-zeitschriften: journal culinaire. erscheint bloß zweimal im jahr, aber die unaufgeregtheit und tiefe der artikel darin muss man anderswo (auch in port culinaire oder effilee, von den anderen rede ich lieber nicht) lange suchen.

  28. Eingentlich fast schon unglaublich , wenn ich’s nicht schwarz auf weiss gelesen hätte, für eine Chefredakteurin eines Gourmetmagazines eine sehr provinzielle , peinliche Aussage . Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Teller , abgebildet im Feinschmecker mit rohen Rosenkohlblättern am Rehfilet , von Martin Sieberer . Anspruchsvolles Rezept , oder ……Und dann gehen die Leser ins ein Restaurant und erwarten solche Design Teller wie im Magazin gesehen . Wo wir schon beim Unterschied Blog und Magazin sind .
    In blogs sind Leute zu finden , die das French Laundry Kochbuch zu Hause nachkochen , ungezwungen mit Neugier , ständig auf der Suche nach Qualität . Schade , was , Feinschmecker , denn das heisst absteigende Verkaufszahlen , denn wer sich für zeitgemässe Zubereitungstechniken und sich einer modernen Art und Weise der Kunst des Kochens im ganzen auf den Kern geht , der braucht keine Gerichte , welche im Studio anstatt in der Küche produziert werden .

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