Traumberuf Koch? – Berufsberater Raue erzählt

„In der freien Wirtschaft gibt es ja dann so Worte wie Mobbing, für mich ist das nur die natürliche Auslese.“
(Tim Raue in „Traumberuf Koch“, WDR)

Haben Sie im Freundeskreis oder der Verwandtschaft einen jungen Menschen, der mit dem Gedanken spielt Koch zu werden? Dieser kleine Film könnte helfen, den Verwirrten wieder auf die richtige Lebensbahn zu führen. Sternekoch Tim Raue erklärt gewohnt herzlich und offenherzig, wo in der Küche der Hammer und die Fallstricke hängen.

  1. Alte Schule vor allem. Und ja, ich glaube auch, das dass nicht so sein muss. Schon zu meiner Lehrzeit, Ende der Achtziger wussten wir Köche wo die Betriebe sind, die ein anständiges Arbeitsklima bieten, die waren allerdings auch dementsprechend überlaufen.
    Was mich letztendlich aus der Restaurantküche getrieben hat, war diese Diskrepanz zwischen der geforderten filigranen Kreativität und dem grobem, stillosen Umgang miteinander,das hat für mich nie zusammengepasst. Disziplin ist in einer Küche unerlässlich, Menschenführung ist aber auch ohne Brustgetrommel möglich.

  2. Man mag zu Herrn Raue stehen wie man will. Eines darf man wohl nie vergessen: bei allem, was er so von sich gibt, inzeniert er in erster Linie immer sich selbst. Es geht ihm im o. g. Clip sicher nicht um den Lehrling oder irgendwelche Ausbildungsmethoden. Das ist ihm bestimmt wurscht. Ich glaube viel mehr, Tim Raue geht es immer nur um Tim Raue.

    Muss ja nicht verkehrt sein. Muss man nicht mögen. Ich habe aber gerade in Bezug auf eine Kochausbildung auch schon viel Schlimmeres gehört.

  3. Ein zu hohes Maß an Intelligenz ist nicht hilfreich. Wenigstens liefert Raue dafür gleich den Beweis.

    4:35: Raue sagt „Kerstin, mein Chef-Pattiseuse“. Da sieht man wie der Kerl wirklich tickt.

    Und ja , so wie er es beschreibt, muss es nicht sein.

  4. Und andererseits ist Tim Raue ein hochkreativer Koch der eine bemerkenswerte, kulinarische Lebensleistung vorzuweisen hat, ein harter, fleissiger Arbeiter, der auch sich selbst nicht schont. Wie gesagt, ich glaube diesen Gegensatz zwischen verbaler Grobheit und filigraner Feinkochkunst, der wird sich mir nie erschließen. Mir fällt da immer Heinz Strunks „Mit Hass gekocht“-Kurzhörspiel an, ich denke immer: das muss man doch schmecken, das kann doch nicht schmecken. Es gibt ja auch andere Beispiele, mein Lehrherr Albert Bouley, z.B. ein sehr feinsinniger Mensch, oder der still-bescheidene Dieter Müller, beide in der Küche geniale Meister und Neuerer, aber eben ganz ohne Getöse und Brustgetrommel.

  5. Seine Kreativität stelle ich nicht in Frage. Man muss den Künstler nicht mögen, selbst wenn man die Kunst gut findet.

    Und gottlob: Gordon Ramsay zeigt uns ja, dass es immer noch ein bisschen schlimmer sein kann…

  6. mir sind ja typen, die rumschreien und einen mit pfannen bewerfen, im zweifel lieber als typen mit gezupften brauen, die einen „brechen“ wollen.
    andererseits gibt es tatsaechlich in jeder kueche einen, der da nicht hingehoert, wo man sich fragt, waum der ausgerechnet koch geworden ist.. aber fuer die reicht ja eigentlich der spruch: if you can’t stand the heat, get out of the kitchen.
    aber ich halte auch filigrane feinkochkunst im allgemeinen fuer masturbation.

  7. Ich hab‘ unlängst die ganze Sendung gesehen und für mich als Laien (mit ein paar Jahren Kücheneinblick durch den Paß als studentische Servicekraft) erschien mir die Darstellung, wie es so in Küchen zugeht, realistisch. Also: härter als in manch anderen Berufen.
    Klar sind Lehr- keine Herrenjahre, aber da beruft sich Herr Raue auf „natürliche Auslese“ und zitiert genüsslich übelste Beleidigungen, die er selbst angeblich niemals brüllen würde – ach, alleine der Blick bei „das ist zu laut“, dieses selbstgefällige Grinsen, spricht doch Bände. Da werden beim goldenen M die Mitarbeiter besser behandelt.
    Meiden Gutmenschen-Gourmets wenigstens solche Läden? Oder reicht es, wenn das Rind ein nettes Leben hatte?

  8. Vielen Dank für den interessanten Einblick. Warum man jemanden zuerst mal brechen muss, erschließt sich mir ja gar nicht. Danke für den Hinweis mit den gezupften Augenbrauen, lieber mutant – jetzt kann ich den Herrn Raue noch weniger ernst nehmen, was seine menschlichen Aussagen betrifft (sein Kochen muss man wahrscheinlich einfach getrennt davon betrachten). Gottseidank geht’s auch anders und gibt’s auch Köche, die Leidenschaft, Spaß und Freude am Beruf weitergeben – das ist sowieso in der gesamten Gastronomie viel zu selten der Fall, nicht nur in den Küchen.

  9. Ja, ganz klar: in der Küche geht es hart her, 16 Stundentage zwischen Testosteron-gebeutelten Jungmannen mit Restalkohol sind kein Zuckerschlecken. Dennoch habe ich beides erlebt: streng geführte Küchenbrigaden und Küchenbrigaden die sich bevorzugt über verbale Gewalt und Handgreiflichkeiten verständigten. Das ist eine Frage der geistigen Reife des Küchenchefs.

    Mir haben Gewalt und Handgreiflichkeiten die Freude am Kochberuf verdorben, ich habe nach sechs Jahren aufgegeben. Natürliche Auslese, mag sein, aber aus einem inakzeptablen System. Am Ende des Tages, und das ist vielen nicht bewusst bewusst, ist es nur eine warme Mahlzeit, nicht der Mittelpunkt des Weltenlaufes.

    Natrülich können, gerade Lehrlinge, eine Herausforderung für jeden Küchenchef sein, wer im TV „Rachs Restaurantküche“ verfolgt hat, wird sich über den Langmut des Fernsehkochs gewundert haben. Und neulich sprach ich mit einem, in Ausbildungsbelangen sehr engagierten Küchenchef, ob er denn Probleme mit dem Nachwuchs hätte, er antwortete resigniert: „Ich nenne sie meine sexsüchtigen Legastheniker“.

    Es sind vor allem erstmal junge Menschen, eventuell nicht aus den besten Elternhäusern, ihre Lehrzeit ist der Start in eine Lebenszukunft, es gilt ihnen dies zu vermitteln. Mit der nötigen Strenge und angemessener Sachlichkeit. Brechen muss man dafür niemanden.

  10. Schon nach dem Interview in der Taz (http://www.taz.de/1/zukunft/konsum/artikel/1/fresse-halten-und-ackern/) war mir der Kerl reichlich unsymphatisch; der Eindruck hat sich nur bestätigt. Ich gebe Arthurs Tochter Recht. In meinen Augen ist das ein affektiertes A……ch. Sicher auch Prägung aus seiner Jugendzeit.
    Was ich überhaupt nicht gut finde, ist, dass Auszubildende in solchen Restaurants das erste Mal mit Kochen in Berührung kommen. Ich bezweifele, dass hier eine gute „Grundausbildung“ gewährleistet ist. Ich habe schon Köche kennen gelernt, die in Sterneküchen gearbeitet und vorher gelernt haben, die wussten nicht, wie man ein vernünftiges Gulasch ansetzt. Junge Menschen sollten dort lernen, wo das Grundhandwerk vermittelt wird, und sich dann aufmachen, andere Küchen kennen zu lernen. Viele Kochlehrlinge sind erst 15, wenn sie mit ihrer Lehre beginnen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Raues Küche „verstehen“, die verstehen ja noch nicht einmal sich selbst. Insofern stimmt das Bild vom „sexbesessenen Legastheniker“.
    Auch meine Ausbildung war hart; aber auch gerecht. Wofür ich heute noch dankbar bin, dass ich das Handwerk von Grund auf lernen durfte, auf jedem Posten. Ob Raues Azubis nach ihrer Lehre wohl einen Apfelstrudel machen können, eine Rinderkeule auslösen, eine Erbsensuppe kochen, eine Forelle töten und ausnehmen oder einfach einen gescheiten Schweinebraten auf den Tisch bringen können? Wäre interessant zu wissen.

  11. Ganz wichtiger Punkt Mike, Du hast so recht. Während meiner Lehrzeit (bei uns gabs Euro-Asiatische Küche / Nouvelle Cuisine) wurde extra für Personalessen eingekauft, dass die Lehrlinge zubereiteten: nur Klassiker, Hühnerfrikasse, ordentliche Bratkartoffeln, ein Wiener Schnitzel, ein Boeuf Bourguignon…da wurde investiert in die Ausbildung der jungen Leute, da wurde niemand gebrochen, und das haben wir durchaus schon damals wahr genommen.

    Heute schwächeln im Klassikerbereich aber nicht nur die Jungs aus den Sterneläden, auch in vielen Wirtshäusern, Gaststätten und Kantinen kommen die Klassiker nur noch als Convenience-Produkte vor. Und das sind Ausbildungsplätze.

  12. „Heute schwächeln im Klassikerbereich aber nicht nur die Jungs aus den Sterneläden, auch in vielen Wirtshäusern, Gaststätten und Kantinen kommen die Klassiker nur noch als Convenience-Produkte vor. Und das sind Ausbildungsplätze.“ Leider wahr! Seit Mitte der 80er Jahre gehört der Umgang mit Convenience-Produkten zum Ausbildungsprogramm (zumindest in den Berufsschulen) dazu. Mir völlig unverständlich. Früher musste man auch Küchenmeister sein, um Lehrlinge auszubilden. Heute reicht etwas (Koch-)Berufserfahrung (wo auch immer) und ein Kurs bei der IHK.

  13. Danke für den Hinweis auf die normalen Wirtshäuser, die es neben der Sterneküche tatsächlich noch gibt…

    Dort kommt meistens noch das Problem eines Familienbetriebs dazu. Die Leute arbeiten nicht nur den ganzen Tag in ihrer Bude, oft leben sie dort auch zusammen, drei Generationen. Die bei der Arbeit entstehenden Konflikte ergeben regelmäßig eine würzige Mischung mit den familiären und privaten Reibereien und explodieren zu den unpassendsten Gelegenheiten. Oder bei jeder Gelegenheit.

    Ich kenne das zum Glück nur als (sehr häufiger) Besucher unseres örtlichen Gasthofs. Der vorhandene Stress wandert aus der Küche an die Tische und wird zumindest teilweise am Gast ausgelassen.

    Es hat uns als Stammgäste einige Mühe gekostet, denen das Thema überhaupt klarzumachen. Dass die Gäste das mitkriegen, dass die Gäste das alles aber nicht wissen wollen, nicht Partei ergreifen wollen. Sondern nur einen netten Abend im Lokal oder Biergarten verbringen wollen. Und im Zweifelsfall nicht wiederkommen.

    Das hat sich langsam gebessert, Rückfälle sind jedoch jederzeit möglich. Sie hassen sich eben.

    Warum uns das als Gäste interessiert: weil wir die Leute (jede und jeden für sich) trotzdem mögen und weil der Chef in der Küche saubere, bodenständige Arbeit abliefert. Außerdem: wenn die dichtmachen können wir nirgends mehr zu Fuß zum Saufen gehen.

  14. …es bestätigt mein bisheriges Urteil von Herrn Raue (ohne weiteren Kommentar).

    Es ist definitiv richtig, dass komplexe Menüs und Speisen ein sehr hohes Maß an Können, Disziplin und Ordnung verlangen. Aus meinem stressigen Projektalltag kann ich jedoch sagen, dass genauso wichtig sind: ein guter Teamgeist und eine entsprechende Mitarbeiterführung.

    Leider scheint in den deutschen Küchen, wegen der „fehlenden Intelligenz“, die Bedeutung dieser weichen Faktoren noch nicht angekommen zu sein.

  15. aus langjähriger erfahrung in der sternegastro und inzwischen als rumgekommener mietkoch in allen möglichen arten der gastro kann ich das affektierte verhalten von TR einerseits verstehen, andererseits negiere ich das und meide solche egozentrische a… ich muß mike und hrn paulsen absolut recht geben, mit der nötigen strenge und auch spaß am kochen kommt köchlein am weitesten, warum fehlt denn das personal in den meisten küche. weil köche solchen durchgeknallten leuten absolut nicht mehr folgen können oder wollen.
    und sterneküche ist net nur chichi, sondern hat mE hinsichtlich weitergabe menschlicher werte auch mit nachhaltigkeit und ethik zu tun! PaulKombüs

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