Gelesen: Arthurs Tochter kocht (Mein B_Logbuch) von Astrid Paul

Dies vorweg: Astrid Paul und ich sind nicht verwandt oder verschwägert, rein zufällig tragen wir den gleichen Nachnamen. Ich schätze Astrid Paul als Foodbloggerin und denkende Kulinarikerin sehr, im vergangenen Jahr haben wir uns auch persönlich kennen gelernt. Als ich später von ihrem B_Logbuch-Projekt hörte, war ich skeptisch: für eine Autobiografie ist Astrid Paul zu junge und das Thema Foodblogs, dieses stets sich wandelnde Netz-Phänomen in ein Buch einzufangen, schien mir eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Foodblogging, das ist im deutschsprachigen Raum immer noch ein exotisches Nischen-Thema, fragen Sie doch mal auf eine Party oder in Ihrem Freundeskreis danach. Steigende Leserzahlen, sich explosionsartig häufende Mail-Überfälle von PR-Agenturen und die sich mehrenden Medienberichte der jüngsten Zeit können zudem nicht darüber hinweg täuschen, dass es stets die gleichen fünf bis zehn „Foodies“ sind, die da seit Jahren stellvertretend in kurzen Artikeln Auskunft geben, zur Sicherheit stets flankiert von ein paar „Foodblog-Legenden“ aus den USA oder Frankreich. Ich war flitzebogenmäßig gespannt auf Astrid Pauls Buch.

Es beginnt mit knapp 30 schwungvoll geschriebenen Seiten Vita und es ist ein Lebenslauf mit Tälern und tieferen Tälern, zart angedeutet nur das Beschwerliche, und doch breitet sich deutlich eine jener ungeraden, kurvigen Biographien aus, die spannende Persönlichkeiten hervorbringen. Schon auf Seite 37 sind wir im Netz und im Jahr 2009 angelangt, den Anfängen von Astrid Pauls Blog Arthurs Tochter kocht. Was folgt ist ein lesenswerter, weil gewohnt fröhlich und elegant erzählter, bunter Flickenteppich aus den ersten Blog-Jahren der Autorin, gestrickt aus reichlich Anekdoten und Geschichten, köstlichen Rezepten, interessanten Einblicken und erhellenden Rückblicken. Charmant gelöst ist die Beschäftigung mit dem großen Thema Foodblogs: Astrid Paul analysiert nicht viel herum, sondern macht einfach, probiert aus, bleibt dabei immer bei sich selbst, erzählt was passiert, erklärt und schildert ihre eigene Sicht auf die Kulinarik an sich und die Foodbloggerei im Besonderen. Es ist ein Buch geworden, wie ein gutes Blog: persönlich, unterhaltsam, mit Haltung.

Da bleiben auch unangenehme Themen nicht außen vor, wie etwa das Kapitel über das unsägliche ebuzzing/vormals WikioBlog-Ranking und dem, immer noch tief im Glauben vielen BloggerInnen verwurzelte Trugschluss, Erfolg und Relevanz eines Blogs ließen sich am Ende des Tages an Statistiken fest machen. Der unbedingte Wille zum Wettbewerb schlägt immer wieder entlarvende Kapriolen der Provinzialität. Auch dem BRIGITTE-Foodblog-Award (bei dem auch ich mit in der Jury saß) und den dabei entstandenen Irrungen und Wirrungen, wurde ein Kapitel gewidmet in dem trefflich erfasst ist, dass es DIE Foodblogger, zumindest im deutschsprachigen Raum, als Gruppe gar nicht gibt. Für mich schon damals eine eher befreiende Erkenntnis.

Im für mich stärksten Kapitel des Buches („Kann ein Buch die Welt verändern?“) gelingt Astrid Paul das kluge Meisterstück, auf insgesamt nur zwanzig Seiten die dringlichsten Ernährungsproblematiken (Fleisch/Müll/”Bio”) klar zu umreissen und Lösungswege aufzuzeigen, der eventuell Wichtigste sei hier zitiert: „Denk nach! Immer!”
Foodbloggen bedeutet bestenfalls sich auch mal gesamtkulinarisch Gedanken zu machen, Foodbloggen kann politisch sein, aufklärerisch, aufzeigend. Auch das fehlt nicht im Buch, der Aufruf über Ernährung und Genuss nachzudenken. Und nicht zuletzt ist Astrid Pauls B_Logbuch eine detaillierte Anleitung ein eigenes Foodblog zu starten und zu führen. Mir dämmerte bald, dass Astrid Paul das Buch auch und eventuell ganz besonders für all jene, geschrieben haben könnte, die noch nicht bloggen.

Ein Buch also (auch) für all jene, die sich für gutes Essen und Kulinarik interessieren, aber noch nicht wissen, dass es Foodblogs gibt die Alltag und Horizont erweitern können. Ein Buch für all jene Menschen die noch nicht wissen, dass Blogs an sich ein kraftvolles Medium sein können: um eigene Standpunkte darzustellen, sich auszudrücken, sich auszutauschen und ganz vielleicht etwas zu bewegen. Diese Leserschaft, das ganz große Publikum, wünsche ich Astrid Pauls Buch ganz besonders.

ASTRID PAUL
ARTHURS TOCHTER KOCHT
MEIN B_LOGBUCH

Collection Rolf Heyne
272 Seiten
13,5 x 21,5 cm
Gebunden, Schutzumschlag, Fadenheftung
ISBN-13: 978-389910532-2
€(D) 17,90 / €(A) 18,40 / sFr 25,90