Mann gegen Fisch – die Karpfenschlacht vom Bokeler See

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Es regnet diesen Regen der so richtig nervt: nicht allzu dolle, aber mit zickiger Beständigkeit, dazu raschelt der Wind böig durchs Herbstlaub rund um den Bokeler See, vor den Toren Hamburgs. Weils aber bei uns in Schleswig Holstein kein schlechtes Wetter gibt, haben sich an diesem Wochenende auch sagenhafte 15.000 Menschen am Ufer des übersichtlichen Binnengewässers eingefunden. Eine Kirmes wurde aufgebaut und ein Bauernmarkt, Kartoffelverkauf, Kaffee aus der Quetschkanne mit Kondensmilch, Puderzucker-Waffeln und Erbsensuppe mit Knacker werden gereicht, es riecht nach Zuckerwatte und Friesentee.

Gemeinsam blickt man erwartungsvoll auf die grau-schwarze Schlammkuhle, dass Seewasser wurde komplett abgelassen, nur noch ein breiter tieferer Strom zieht sich durch den Schlamm und fließt Richtung Mönch, dem Auslauf des Sees.

„Das dauert alles nur so lange wegen dem NDR.“ schimpft ein älterer Herr neben mir und spielt die alte Leier von den Fernsehgebühren, die ihm jetzt hier auch noch das schöne Abfischen versauen. So heißt das nämlich hier, das Volksfest: „Abfischen in Bokel“, das macht man hier so seit 130 Jahren und auch NTV, RTL und SAT 1 stolpern durchs Gebüsch und wundern sich.

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Draußen auf dem See Bewegung jetzt, es ist fast 14:00 Uhr, ich stehe seit knapp anderthalb Stunden im Matsch, jetzt geht’s los. Zwei Fischer treiben mit Fußballtor-ähnlichen Konstruktionen, Karpfen, (und vereinzelt auch Forellen, Schleien, Aale und Hechte) vor sich her, in Richtung Ablauf. Bei jedem Schritt sinken die Männer in den Wat-Hosen tief ein, auch die Tore müssen nach jedem Schritt aus dem Schlick gehoben und versetzt werden, Knochenarbeit.

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An der Mündung beginnt das Wasser zu wusseln, schwere Karpfen schwimmen hektisch gegen den Strom, imposante Fisch-Rücken teilen strudelnd den schwarzen Fluss. Eine NDR Reporterin wird samt Team zu Wasser gelassen, das NDR – Schlammballett ist ein echtes Argument für die Wiedereinführung öffentlich rechtlichen Fernsehballetts.

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An diesem Wochenende verschwinden 2 Tonnen Fisch in der Schleuse, die durch einen bewaldeten Wall führt, Jubelrufe und großes Hallo auf der anderen Seite des Hügels. Hier ist die Aktion, hier ist der Kampf, Mann gegen Fisch. Und Karpfen sind echte Kämpfer.

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Die Fisch fallen in ein hölzernes Becken und werden von dort in Keschern an den hölzernen Sortiertisch getragen und dort nach Größe geordnet. Hört sich einfach an, ist aber: eine eisig – nasse Schlammschlacht. Die glitschigen Tiere sind kaum zu fassen, springen Zentimeterhoch, mit muskulösen Schwanzschlägen katapultieren sich die Fische in die Luft und immer wieder aus den Händen der schlammbespritzen Helfer.

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Das Publikum johlt und klatscht, wenn sich ein besonders großer Brocken zeigt, schwer wie Kinder sind manche der Karpfen die an diesem Nachmittag in Gefangenschaft geraten. Vom Holztisch geht’s in ein erstes Wasserbad, die gesäuberten Fische kommen dann in schwere, wassergefüllte Wannen und werden mit dem Leiterwagen zum nahen Auffangweiher gefahren.

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Der Fischer der dort im stillen Wasser steht, hat ebenfalls reichlich Zuschauer. Die Plastiktonnen rutschen vom Leiterwagen und versinken gluckernd im Teich, die Fisch flutschen ins neue Heim. Hier und da nimmt der Fischer einen Karpfen in die Hand, blickt publikumswirksam auf den Bauch des Fisches und ruft dann: „Das ist Berta!“ oder „Ah! Paul!“

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Ein paar Meter weiter geht’s zur Sache, am improvisierten Verkaufstresen wird gefeilscht und „geschlachtet“, die Karpfen gehen überraschend frisch über den Tisch, ich dachte immer die müssten sich noch den Moddergeschmack aus dem Leib schwimmen. Des Rätsels Lösung: da ein Fluss durch den Bokeler See läuft, stehen die Fische nicht still im Modder, sondern bewegen sich in frischem Wasser.

Ich selbst mag keinen Karpfen, in der kommenden Ausgabe des Effilee Magazins (15. November) erfahren Sie in Herr Paulsens Deutschstunde, die ganze Wahrheit über mein angespanntes Verhältnis zu diesem Fisch. Der Ausflug nach Bokel war allerdings wirklich ein Ereignis, das sollten Sie gesehn haben, immer am letzten Wochenende im Oktober findet die Sause statt.

Bis Ende Februar verkauft Teichwirt Rainer Erich jetzt den großen Fang. Wenn Sie rausfahren um sich einen Fisch zu kaufen, lohnt das Hotel Bockeler Mühle den Einkehrschwung zum Mittagessen oder auf eine Tasse Kaffee. Die genießen wir auch noch und saftigen Landfrauenkuchen dazu und eine Runde Karussell für die Kleinen. Unser Fang an diesem Nachmittag: ein Sack Heidekartoffeln, die Abends goldgelb im kochenden Salzwasser leuchten.

Link:

NDR – Video zum Abfischen In Bokel
SAT1 – Video zum Abfischen in Bokel

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