Festival der Sterne, Budersand: ein Abend mit Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort und Winzer Joachim Christ (Domaine de l´Horizon)

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Er ist direkt nach dem Samstagabendservice mit seiner Crew losgefahren, 900 Kilometer, einmal durch Deutschland. Unterstützt von der 22 köpfigen Küchencrew des Budersandhotels beginnen direkt nach der Ankunft die Vorbereitungen für das Menü. Ich bin extrem gespannt auf diesen Abend, Klaus Erfort vom Gästehaus Erfort besuchte ich zuletzt 2009, damals war das mein erster Besuch bei einem 3 Sternekoch überhaupt und meine hymnische Besprechung des Abends ist auch hier im Blog zu finden. Das Menü von damals war pures Glück am Gaumen, aber auch eine hochtechnische Leistungsschau der damaligen Möglichkeiten. Ich ahnte nicht, wie sehr mich Klaus Erfort mit seinem Menü beim Festival der Sterne im Budersand Hotel überraschen sollte.

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Es ist ein große Glück, Gastgeber und Hoteldirektor Rolf Brönnimann hat an diesem Abend den großen Holztisch in der Vinothek zusätzlich eindecken lassen, wir sitzen vor den großen, gläsernen Weinschränken, dem Reich von Chefsommelier Thomas Kallenberg. Mit am Tisch sitzen Éric Calzolari vom Champagnerhaus Billecart-Salmon, dessen ausgezeichneten Extra Brut Champagner wir auch an diesem Abend zum Auftakt genießen dürfen. Und auch der Winzer des heutigen Abends sitz mit am Tisch, Joachim Christ von Domaine de l´Horizon stellt heute seine biodynamischen und spontanvergorenen Gewächse vor, moderiert von Mastersommelier Hendrik Thoma, der gewohnt launig in den Abend einführt.

Erstmals schauen wir auch in die Küchen, der Weg führt vorbei an der Sendezentrale, die auch heute Abend wieder Bewegtbilder aus der Küche in den Saal liefert.

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Erstaunlich ruhig geht es zu im Bauch des Hotels, konzentrierte Anspannung bei Crew und Küchenchef, Gastgeber Jens Rittmeyer nimmt am Pass die Teller ab, Erfort werkelt in der Küche, weit über 20 Köchinnen und Köche und ungezählte Servicekräfte sind hier im Einsatz.

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Überhaupt hier im Budersand Hotel packt jeder mit an: in der engen Spülküche poliert der Leiter der PR Abteilung zusammen mit der Chefin des Hauskeepings Gläser, alle arbeiten in diesen Tagen beinahe rund um die Uhr und auch in fachfremden Bereichen. Ehemalige Mitarbeiter, die extra für das Festival angereist sind, unterstützen zusätzlich das Team. Das finde ich beeindruckend.

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Erforts erster Teller zeigt die detailkonzentrierte Präzision des Meisters. Bildschön geschuppte Avocadoscheiben deckeln ein marzipancremiges Tatar von Langoustinos, das Ganze ist überzogen von einem zitrusfrischem Gelee mit rosa Ingwer, eine hochelegante Angelegenheit in Aussehen und Geschmack. Das Blattgold darauf ist wie immer entbehrlich, gestern schon wurde auch Goldgeflitter andekoriert, hoffentlich kein Trend, eine geschmackliche Notwendigkeit besteht nicht. Der 2012 L’ Esprit de l’Horizon Blanc ist eine runde, frische Angelegenheit, perfekt zu Erforts großartigem, ersten Gang.

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Die Flußkrebse auf dem Teller zum zweiten Gang, sind die Besten die ich je aß, fleischig und perfekt gegart, mit wirklich nur einem Hauch Biss, in einer dichten, duftenden Steinpilzsauce mit jungem Lauch, klassisch, wie aus einer anderen Zeit, ich staune und es wird nicht das letzte Mal an diesem Abend sein. Rohe Champignons und Kapuzinerkresse deckeln die Köstlichkeit.

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Joachim Christ zeigt sich derweil beruhigt, nicht nur sein 2011 Domaine de l’Horizon Blanc passt und schmeckt, allen mitgebrachten Weinen geht es gut. Bitte wie? Christ erklärt, er fahre viel auf Festivals und seine Weine seien da leider nicht immer und überall in topform, sehrt lebendig seine die Weine, Naturprodukte und mitunter wetterfühlig verzickt. Dass der Winzer kein Esoteriker ist, merkt man bald im Gespräch und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die spontanvergorenen, sogenannten „Naturweine“ selbst im Glas, oft in wenigen Minuten, Duft und Geschmack rasant und mehrfach verändern. Christ Weine sind so naturbelassen wie möglich, die Reben bis zu 80-90 Jahre alt, das schafft eine komplexe Mineralität. Und eine Frische, die überrascht. Denn es ist gerne mal extrem heiß und sonnig im Roussillon, den 2009er den wir später genießen werden, den erntete Christ bei 42 Grad im Schatten. Heute Abend sind die Weine ein Vergnügen!

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Mit dem kross gebratenen Loup de Mer, setzt Erfort den angedeuteten Kurs fort, auch hier klassische Kombination in handwerklicher Perfektion, bei Verzicht auf jedes modische Gedöns. Wir löffeln dankbar den aromatischen Artischokensud, der Loup zerfällt auf der Gabel, die Artischockenköpfe dazu ein Vergnügen mit Biss, knsuprig bröseln kross gebratene Artischockenstreifen. Einfach. Genial! Der 2011 Domaine de l’Horizon Rosé aus der Magnumflasche ist betörend gut dazu, duftig-kräuterig, mineralisch, wir sitzen plötzlich in der Abendsonne auf einer südfranzösischen Veranda, während sich im Saal Thomas Hendrik und Joachim Christ munter verbale Bälle zuspielen.

Eben hat Christ eine Erklärung zum Wein gegeben, Applaus und Thoma lobt Christs Esprit und Leidenschaft, dann:„Danke, dir! Das schöne ist ja, das du auch glaubst, was du erzählst!“ Eine Raunen, ein kurzer Moment gespielter Empörung beim Winzer selbst, Thoma erklärt, dass man sich unter Kollegen ruhig auch mal necken könne. Mit dem Konter: „Ach! Ich wusste garnicht, dass du auch Wein machst!“, hat Joachim Christ die Lacher auf seiner Seite.

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Auch mit dem Zwischengang weiß Erfort zu überraschen, erneuter Verzicht auf jeden Spielkram, es folgt die Interpretation eines echten Klassikers: Eigelb-Ravioli auf Rahmspinat unter einer cremigen Schaumsauce mit üppig weißem Trüffel aus Alba. Das ist echtes Seelenessen, das schlotzt sich herrlich weg, in Begleitung des 2009 Domaine de l’Horizon Blanc aus der Magnum – Sie erinnern, der Wein aus der Glutzhitzensommer-Ernte, frisch und charakterstark funkelt er im Glas.

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Zum Hauptgang fällt dann ein Vorhang über dem Rehrücken aus der Eiffel, ein Vorhang aus Cassis und der einzige Effekt den sich Erfort an diesem Abend leistet. Hauchfeine Spitzkohlstreifen verstreckt sich mitsamt dem Fleisch darunter, die Sauce dazu ein Meisterwerk an reicher Dichte und Aroma. Der begleitende Rotwein, ein 2010 Domaine de l’Horizon Rouge aus der Magnum, ist in der Nase zunächst unauffällig und am Gaumen dann ein komplexer Hochgenuss, ohne zu überfordern. Kein Wunder dass dieser Wein, obwohl zuletzt serviert, an diesem Abend als Erster ausgetrunken ist.

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Bei der „Erfrischung von griechischem Joghurt & Confierter Zitrone“ gibt sich Erfort doch noch leicht verspielt, der Fokus bleibt aber auf dem Geschmack und der Name des Desserts ist Programm: erfrischend kühler Joghurt mit knusprigem Baiser und einer sensationellen Zitronensauce an die ich mich lange erinnern werden, winzig kleine Würfel von confierter Zitrone darin. Der schwammartige süße Kuchen auf dem Teller verbindet alles-groß!

Ich mochte diesen Abend sehr, ich finde es bemerkenswert, wie Erfort hier ohne jede populäre Spielerei handwerklich durchaus komplex bleibt, perfektionistisch sowieso und kreativ im Detail. Wir genossen eine gradlinige Küche die mit großem Vertrauen auf Zutaten und Können brillierte. Eine Wohltat zwischen all den modernen Möglichkeiten.

Heute Abend betritt ein großer Modernist die Festivalbühne, 2 Sternekoch Jacob Jan Boerman aus den Niederland ist zu Gast. Es bleibt spannend im Budersand!

Was noch geschah:

1. Tag:
Sylter Sterneköche Brunch mit allen Sylter Sterneköchen des Jahres 2013

Ein Abend mit 2 Sterne-Koch Rolf Fliegauf und dem Weingut Knipser

3. Tag:
Ein Abend mit 2 Sterne Koch Jacob Jan Boerma und dem Weingut Kollwentz

4. Tag:
Rittmeyer & Friends – 7 europäische Sterneköche, 7 Teller und Weine der 5 Freunde aus der Pfalz

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