Skrei angeln auf den Lofoten (1): wie man einen richtig guten Skrei fängt

Schneebedeckte Berge, bis zu tausend Meter hoch, wachsen direkt neben unserem Boot aus den dunklen Wassern, die an flacheren Stellen türkisgrün funkeln, glasklar. Über uns kreist eine Adlerfamilie, schwarze Schwingen in majestätischem Flug, da hinten taucht eine Robbe auf, bist zu vierhundert Kilo schwer werden die Seelöwen hier in den nährstoffreichen Gewässern der Lofoten. Möwe ziehen im Gleitflug über die See, lassen sich galant hinab in die Wellen, einen Fisch im Schnabel, starten Sie Sekunden später wieder durch. Wasser, Berg und Himmel kommen hier zusammen, alle Schattierungen von grau schwarz und weiß, das kann man nicht malen, das kann man sich nicht ausdenken oder vorstellen, es ist gewaltig.

Und plötzlich öffnet sich der Himmel für einen Fetzen tiefes Blau der größer, wird, Licht fällt wie aus einer Lampe aufs Wasser, es wird heller um uns herum, die Sonne schält sich erst fahl durchs tagtrüb, fällt dann kurze Zeit später gleisend auf den Uferrand. Das Fischerdorf Hänningsvaer liegt jetzt warm unter der nordischen Abendsonne, die Fenster der roten Häuschen blitzen auf, es fällt Licht vom Himmel auch auf die See, dutzende kleiner Boote schwanken draußen auf See in den Wellen, angeln nach dem Skrei, der bis zu hundert Meter weiter unten, 8-10 Meter über dem Meeresboden im kühlen klaren Wasser steht, auf Brautschau. Unser Kapitän wirft den Motor wieder an und wir fahren raus, zu den Fischerbooten.

Es ist überwältigend, nichts kann einen vorbereiten auf die Lofoten in der norwegischen See, kein Film und kein Foto vermag es, diese gewaltige, majestätische Landschaft in Gänze einzufangen, erst wenn man auf dem Boot steht, über unruhigem Wasser, Wind, Schneeregen, Gischt und Sonnengeflirr überall, kann man es spüren und merkt: ganz klein ist man plötzlich, angesichts dieser wuchtigen, einzigartigen Natur.

Von Hamburg aus sind wir über Kopenhagen und Oslo, nach Bodø und schließlich nach Svolvær geflogen, die letzte Etappe in einer Propellermaschine durch den grauen Himmel getaummelt (die Einheimischen schliefen selig, wie auf einer Busfahrt, das schaffte etwas Vertrauen). Wohnen werden wir für zwei Tage im freundlichen Hänningsvaer-Bryggehotell, einem lauschigen Hotel mit Blick auf den Hafen.

Wir sind aber nicht zum gemütlichen rummgammeln hier, wir sind dem Skrei auf der Spur, von dem ich lange dachte, es sei eine Marketing-Idee der Kabeljaufischer, tatsächlich ist der Skrei ein Kulturgut in der Region, der Jahreslauf richtet sich nach dem Auftauchen der Fische, der Fisch war Steuerzahlungsmittel, (einziger) Exportschlager und Handelsware, er nährte und nährt die Menschen, der Tourimus lebt vom Fisch.

Foto: Mel Buml

In diesem Jahr ist er gekommen, der Skrei, im Spätwinter und Frühjahr, von Januar bis April, tauchen die Fische in den Gewässern der Lofoten, 400 Kilometer nördlich des Polarkreises, auf. Hier sorgt der Golfstrom für Temperaturen über dem Gefrierpunkt, Von der nördliche Barentssee, dem Randmeer des arktischen Ozeans, schwimmen die Fische an die Küste Norwegens und dann nochmal 600 Kilometer bis zu ihren Laichplätzen vor den Lofoten. „å skride“ – wandern, ist das norwegische Wort das dem Winterkabeljau seinen Namen gab. Nach der Paarungszeit treibt die Strömung den Nachwuchs zurück in die arktische Heimat, Jahre später findet der ausgewachsene Skrei wieder zurück in die Gewässer, in denen er einst empfangen wurde.

Am Morgen nach unsere Ankunft machen wir uns auf zum Skrei-Fischen, ein paar Journalisten und Blogger aus Deutschland, wir sehen aus wie Astronauten, nur ohne Helm, tragen dicke Schichten an Kleidung, wärmende Windjacken und über allem einen riesigen „Raumanzug“, den man nicht anzieht, man steigt ein. Raus geht es aufs Meer. Entlang der Reling überall große Spulen mit Leinen, an deren Ende sich ein schweres, farbiges Senkblei findet und ein kronenförmig geschwungene Angelhaken findet. Ein Köder ist nicht notwendig erklärt unser Kapitän, der ehemals einer norwegischen Eliteeinheit des Militärs angehörte und heute „das Leben genießt“ als Chef eines Unternehmens, dass sich auf Adventure- und Sporterlebnisse spezialisiert hat.

Die Fische reagieren also einzig auf die Bewegung des Hakens und der will bewegt werden. Der Kapitän auf der Brücke der Symra ortet größere Schwärme per Echolot, stoppt dann das Schiff, die Haken sausen an Haken hinab in die Tiefe, schießen zum Grund des Meeres. Von dort aus kurbeln wir den Haken auf Geheiß des Kapitäns wieder 10-12 Umdrehungen hinauf, jetzt hängt er, bestenfalls, 8-10 Meter über dem Meeresboden genau im Schwarm. Ruckartig will nun die Leine bewegt werden, die irgendwann straff zieht, in gleichmäßigen Bewegungen will der Fisch nun an die Oberfläche befördert werden und wird eingeholt.

Die Erfolge in unserer Gruppe waren unterschiedlich und doch hatten wir nach 4 Stunden vier Kabeljau geangelt, der größte 8,6 Kilogramm schwer – mehr als genug für unsere Gruppe. Wie schön die schuppenlosen Tiere sind und wie kraftvoll, immer wieder vereitelt ein kräftiger Schwanzschlag allzu stolze Bilder vom Anglerglück, die Fische sind regelrecht muskulös, nach einer Reise, die einem 14-fachen Marathon entspricht. Wir angeln mit Respekt und das Angeln des Skreis ist auch die beste Methode, den Fisch unversehrt zu fangen, der direkt an Boot schnell mit einem „Kehlschnitt“ getötet wird und komplett ausblutet – das Fleisch kommt nicht mit Blut in Berührung, bleibt weiß und verdirbt darum weniger schnell. Ein Vorteil gegenüber der Fangmethode mit Netzen, geangelter oder Leinen-geangelter Fisch ist immer die beste Wahl.

Das ist dann der Skrei, der seit 2005 Markengeschützt ist, dessen Geschichte aber bereits im 10. Jahrhundert und mit den Wikingern begann. Von anderen Fischen aus der Familie Kabeljau unterscheidet er sich, es muss ein „geschlechstreifer norwegischer Kabeljau sein, der aus der Barentssee stammt, erhältlich nur vom 1. Januar bis zum 30. April, gefangen an den traditionellen Laichplätzen entlang der norwegischen Küste“.

Im zweiten Teil der NutriCulinary-Miniserie von den Lofoten schauen wir in eine Skrei-Fabrik, lernen viel über Fangquoten und nachhaltige Fischerei, erfahren dass Skrei komplett und restlos verarbeitet wird, besuchen die Stockfischfelder von Hänningsvaer und ja, natürlich kochen und genießen Skrei auf ganz unterschiedliche Art:

Skrei angeln auf den Lofoten (2): Skrei „vom Maul bis zur Schwanzflosse“ – das Handwerk, die Industrie, die Köche

Offenlegung: ich danke dem NSC (Norge, fischausnorwegen.de) für die Einladung und Organisation der Reise, die herzliche Gastfreundschaft vor Ort.

Weitere Beiträge
Meister und Schüler revisited – Four Hands Dinner mit Robert Stolz