Wien (1) – Fusion, Baby! Besuch in Harry Brunners „Das Spittelberg“ und ein Abend in Konstantin Filippous „O Boufés“

Es ist schon guter Brauch, hin und wieder, im frühen Winter, nach Wien zu reisen, um dort über Kochbücher nachzudenken. Mögliche Themen zu umkreisen, Pläne zu schmieden. Die Vienna Working Weekends sind stets reine Freude, wir verbinden das Nützlich mit dem äußerst angenehmen, auch die Abende gehören dem Genuss. Und das Restaurant am Abend des Ankunftstages verdanke ich der Empfehlung der Kollegen vom Falstaff-Magazin, „Das Spittelberg“ ist eine Entdeckung!

Das Spittelberg – Harald Brunner

(Dieser Beitrag erschien zuerst in gekürzter Form in der Süddeutschen Zeitung)

Seit beinahe auf den Tag genau einem Jahr, kochen Harald „Harry“ Brunner und sein Team in der fröhlich belebten Rotisserie am Spittelberg eine wirklich ausgefallen Fusion aus traditioneller Österreich-Küche, hier und da mit leisen Zitaten aus der asiatischen Küche. Spannend! Der Empfang durch Gastgeberin Edith Berghofer ist herzlich und wir haben Glück, für uns ist ein Tisch genau gegenüber der Küche reserviert, ein Spektakel, an dem ich mich den ganzen Abend nicht satt sehen kann. Über 100 Sitzplätze hat das Restaurant, die an diesem Donnerstagabend auch alle belegt sind, die Küchencrew schickt im Akkord wirklich anspruchsvolle Teller, Konzentration im Trubel, jeder Handgriff sitzt.

Harald Brunner grüßt uns und bietet an, „a bissl was“ für uns zu machen und wir nicken erfreut, das ist ein Angebot, dass man grundsätzlich nicht abschlagen sollte! Das Chefs Choice – Menü beginnt für uns mit einem 2015 er Riesling von Clemens Strobl und Blutwurst-Variation: Chili-Blunzen, einmal feinsäuerlich mariniert mit einem seidenfein gezogenen Krautsalat und Paprika-Marmelade, getoppt mit einer dickeren Scheibe Blutwurst in knuspriger Panierung. Hallo Wien, schön wieder da zu sein!

Und wieder ein junger Winzer und ein prächtiger mundvoll an Wein aus der autochtonen Rebsorte Zierfandler, 40 Jahre alte Reben: der 2015 „lager modler.zierfandler“ vom Gebeshuber, strohgelb, exotische Früchte in der Nase und am Gaumen – auf dem Teller der Anschlusstreffer mit zweierlei Zunge, einmal gekocht und mariniert, einmal knusprig gebacken, mit einer Sauce Gribiche (hatte ich Jahre nicht mehr, klasse!) und getrüffeltem Kartoffelsalat aus herrlich „speckigen“ Kartoffeln.

Es folgt direkt noch ein Brunner-Klassiker, gereiftes Carpacchio von der heimischen alten Kuh (!), wunderbar 80s-Style serviert mit getrüffeltem Kartoffelpüree und Rahmspinat serviert, obenauf ein Ei – perfekt gegart, noch flüssig, dabei in Yufka-Fadennudeln knusprig ausgebacken. Produkt und Handwerk in Topform! Sommlier Matthias Eigler empfiehlt dazu: zu Recht einen schmelzig-frischen Sauvignon Blanc mit Charakter, von Ewald Zweytick.

Ein ungefilterter Wein aus Kroatien: Tomac Amfora Kvalitetno Suho Vino Vinogorje Plešivica-Okić, organge und birnig duftend, trocken, mit nussigen Noten – perfekt zum Dim Sum („is aber eher a Teigtaschen“) mit Krebsen und Kalbsbries in einer duftender Krustentier-Lemongrass-Nage.

Zum zweierlei vom Knödel, einmal mit Sauce auf Speck-Krautsalat, Speck und crunchiger Speckfüllung, erfrischt der 2014er Weissenkirchner Weitenberg, ein biodynmaisch produziertet Grüner Veltliner wie aus dem Bilderbuch, von Peter Veyder-Malberg.

Zum Hauptgang rahmt und begleitet ein Burgunder die unterschiedlichen Gerichte formidable: ein 2014 Chassagne-Montrachet von Jean-Marc Pillot (Domaine Jean Pillot et Fils), seines Zeichens auch Präsident des Syndicat Viticole von Chassagne-Montrachet – wir genießen hier Spitzenweine. Die Leber mit geschmelzten Äpfeln ist butterzart, die Jus hat Tiefe, das Püree ist fluffig. Und die Küchenmanschaft schickt und schickt. Jetzt kommen noch mehr, späte Gäste. Und die Ente auch, die in Variation auf der Karte steht. Ich darf dankenswerter Weise beide Versionen kosten: die Ente ist natürlich perfekt gegart, die Brust noch saftig, das Keulenfleisch trennt sich fällt lautlos vom Knochen. Der Speck-Brösel-Knödel ist klein und fein – die schwarzen Curry-Rahmlinsen mit grünem Curry, große Klasse.

Und ein Dessert-Klassiker zum Schluss: gutes Vanilleeis mit Topfenknödeln, nie aß ich einen leichteren, fluffigeren, samt-zart und fein – man fragt sich, wie die Köche dieses Leichtgewicht überhaupt auf den Teller bekommen haben.
Großes Handwerk mit kleinen Schlenkern, dazu große Weine, viel junges Österreich, all das in lässiger Atmosphäre – „Das Spittelberg“ ist gesetzt, für den nächsten Wienbesuch, wir kommen sicher wieder!

O Boufés – Konstantin Filippou

Es ist schon eine Weile her, jener unvergessen gute Abend am Kitchentable von 1 Sterne Koch Konstantin Filippou im gleichnahmigen Restaurant. Vor zwei Jahren eröffnete der Grazer mit griechischen Wurzeln gleich nebenan das O Boufés (griechisch für Büffet), ein entspanntes Bistro mit einer deutlich regionalen, griechisch inspirierten Produktküche, Fusion again, und gläsernen Weinschränken, deren Anblick nicht nur Weinkenner freudig schwindeln lässt. Verleger Nikolaus Brandstätter ist an diesem Abend der Gastgeber und ich freue mich sehr über und auf seine ausgezeichnete Wahl!

Problem: wir können uns unmöglich entscheiden und es ist ein Segen, dass wir an diesem Abend eine größere Gruppe sind, wir bestellen zum Auftakt einfach alle Vorspeisen, komplett. Erstmal aber „Wohlsein!“ auf all die Dinge die noch werden, im Glas perlen: 2015 Pet Nat Vol.2 von Fuchs & Hase (petillant naturel = prickelnd natürlich), spontanvergoren mit anschließender Flaschengärung, die Gärhefe wird nicht entfernt. Grundweine sind Grüner Veltliner und gelber Muskateller, im Ergebnis ein leicht moussierender Glücksfall der nach Zitrusfrüchten und Holunderblüten duftet, fruchtig mit leichter Brioche-Nase.

Und schon geht es los mit: cremezarte Fava-Bohnencreme mit Schnittlauch und saftigem Bauchspeck am Spieß – so geht also griechisch-österreichische Freundschaft! Es gibt lockere Bergkäse-Knödeln in klarer Hühner-Suppe, mit Liebstöckl-Kraut und Frühlingszwiebeln.
Der Mangalitza Schweinebauch lässt sich wiederstandslos genießen, mit einer grauen Creme aus Kernöl und pikant säuerlich gepickeltem Rettich – das monochorm gefärbte Gericht ist mein Favorit auf der Tafel.

Blunzn-Knödel und Kraut Wan-Tan „Sarma“ kommen in Krustentier-Nage, erinnern tatsächlich subtil an die Sarma-Krautwickel des mittleren Ostens und des Balkans. Die gebeizte Forelle ist von festem Biss, getoppt mit Dill, Butterbrösel-Blumenkohl und rosa Grapefruit. Der Ox Tartar kommt mit kurz gebratenem, wildem Brokkoli, einem Eigelb, Kapern und Sardellen, dazu wird ein Pilztoast gereicht, mit einer feinen Pilz-Duxelle, das Fleisch ist von außerordentlicher Qualität!

Mein Hauptgang ist ein steirisches Hähnchen mit Semmelknödelfüllung, das erfreulicher Weise auf sich warten lässt, es wird selbstverständlich frisch zubereitet und wir genießen dazu eine weitere Flasche vom 2015er Gelber Muskateller mit dem verheißungsvollen Namen „Jugend“ vom Weingut Allram, Kamptal.

Später verschwimmen die Aufzeichnungen zugunsten eines wahrlich bacchanten Abends mit saftigen Weinen und kurzen Schnäpsen, großen Gesprächen und riesen Gelächter. Und einen noch! Auf das Kochen und die Freundschaft! Danke!

Weiterlesen: Am folgenden Abend besuchten wir dann Paul Ivić, einen der besten vegetarischen Köche Europas (weltweit gibt es gerade mal eine handvoll ausschließlich vegetarisch kochender Sterneköche) und genossen im Tian ein Menü, bei dem nicht das Weglassen von Fleisch und Fisch die Attraktion waren, sondern eine meisterhafte Würz- und Aromen-Küche – schlicht das beste und spannendste Menü, dass ich in diesem Jahr genießen durfte. Darüber wird zu reden sein, davon von erzähle ich im zweiten Teil, hier entlang bitte.

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