Das besondere Kochbuch (2): Aufgedeckt – Die Geheimnisse der Spitzenköche, von Stefanie Hiekmann (+ meine Top 10 der besten Profi-Kochbücher)

Ich bespreche mittlerweile ziemlich oft Kochbücher, in Zeitschriften und Magazinen, im Radio und natürlich immer wieder auch hier auf NutriCulinary. Und um die immer wiederkehrende Frage auch mal öffentlich zu beantworten: ja, ich schreibe auch selbst Kochbücher und nein, ich habe kein Problem gute Bücher anderer AutorInnen zu empfehlen, denn ich liebe Kochbücher, der Markt ist groß aber überschaubar, die Qualität steigt in Deutschland beständig, da ist kein Platz für albernes Konkurrenz-Denken.

Eine „Gattung“ Kochbücher bespreche ich dabei aber nur sehr selten: die Kochbücher der Profis, der großen Küchenchefs. Allermeist sind das opulent gestaltete Werke von der Schwere mehrerer Ziegelsteine und allesamt nicht preiswert, aber ihren Preis wert. Es sind eigentlich Fachbücher und ich tue mich schwer, diese als Kochbücher zu empfehlen, es kann da schnell zu Enttäuschungen kommen, denn Bücher diese Gattung können prima auch überfordern, nicht verschwiegen werden darf zudem, dass es, ab und an, gerade die Wälzer der Profis sind, die es bei den Rezepten im Detail an Sorgfalt missen lassen – Köche kochen im Restaurant anders, als geschulte Rezeptautoren in ihrer kleinen Probier-Butze. Koch-Kochbücher sind allermeist keine Nachkoch-Kochbücher, sondern vielmehr großartige Quellen der Inspiration, progressive Ideen-Schmieden, Küchen-Philosophie auf Papier – wer das sucht, wird mit diesen Büchern reich belohnt und kann unendlich viel lernen.

Der Food- und Gastrojournalistin Stefanie Hiekmann gelingt mit ihrem Buch Aufgedeckt – Die Geheimnisse der Spitzenköche ein Brückenschlag, stellvertretend für interessierte LeserInnen hat sie sich in die Küchen von sieben prominenten Profi-Köchen (darunter eine Köchin) begeben, mitgemacht, viele Fragen gestellt und viele Antworten bekommen, Rezepte notiert und für zuhause zugänglicher gemacht. Für mich sind es ganz besonders die Interviews, die dieses Buch so wertvoll machen, wer von uns hat schon öfter Gelegenheit zum Fach-Plausch mit Spitzenköchen? Herausragend ist auch die Auswahl der Köche und, da bin ich befangen, denn sechs der sieben Köche zählen für mich zur Riege meiner persönlichen Lieblingsköche.

Los geht es mit Thomas Bühner (La Vie, Osnabrück) einem der eloquentesten kulinarischen Denker hierzulande, er spricht über Fleisch, gefolgt von Johannes King (Söl’ring Hof, Sylt), dessen Umgang mit Fischen und Meeresfrüchten nicht nur mich immer wieder begeistert. Eben war ich noch bei Paul Ivić (TIAN, Wien) essen (hier der Beitrag!), der vegetarische Küche weiter entwickelt, elegant, auf den Punkt, überraschend. Micha Schäfer (Nobelhart & Schmutzig, Berlin) wirbelte und wirbelt unser Verständnis einer regionalen Küche durcheinander, Thomas Martin (Jacobs Restaurant, Hamburg) ist für mich ein Saucengott (der andere ist Jens Rittmeyer), Martin spricht im Buch erhellendes zum Thema und gibt Tipps. Sarah Henkes (YOSO, Andernach) asiatische Aromenküche ist immer inspirierend und besonders, ich muss nach Andernach! René Frank (CODA, Berlin) ist ein Zauberkünstler der modernen Pattiserie, in der würzige Zutaten wie Bergkäse oder die Aufhebung der Kategorien Obst und Gemüse eine immer größere Rolle spielen.

All diese Meister kommen in Stefanie Hiekmanns Buch zur Sprache, ein echtes Lesebuch, bei dessen Lektüre einem immer wieder mal gleich mehrerer Lichter aufgehen, mit spannenden Einblicken in die Profiküchen und hinter die Kulissen der Sternegastronomie. Die für den Hausgebrauch modifizierten Rezepte der Köche, bestechen tatsächlich durch Machbarkeit, dabei gehen die Grundideen keineswegs verloren, die Raffinesse findet sich in Details, in Kombinationen, Würzungen, Handgriffen, Techniken (die in jeder Küche machbar sind).

Die Portraits der Köche, die Bilder aus dem Küchenalltag und nicht zuletzt die Rezeptfotos, alles ist stimmig, aufgeräumt und pur. Wenn man den seltsam reißerischen Titel erst mal verdrängt hat, belohnt das großartige Buch Seite für Seite mit Ideen, Einblicken, Tricks und Anregungen. Ein Lese- und Kochbuch an dem man lange Freude hat, das nachhallen wird, in der eigenen Küche!

Weil ich aber auch die oben erwähnten Profi-Wälzer liebe, und diese dem aufgeschlossenen Leser, ebendas (Ideen, Einblicken, Tricks und Anregungen) in Menge bieten, kommt hier meine Top 10 der besten Profi-Kochbücher (die Reihenfolge stellt dabei keine Hitparade dar, alle Bücher sind ohne Einschränkung empfehlenswert). Die blauen Titel führen per Klick (wo möglich) zu den entsprechenden Buch-Seiten der Verlage:

1. NOMAD Das Kochbuch, Daniel Humm & Will Guidara
Das Buch erschien 2016 im Matthaes Verlag und ich habe es im Grunde genommen seitdem nicht mehr aus der Hand gelegt – klar, inspirierend, klug

2. Dieter Müller, Dieter Müller
Der Meister. Ich verehre Dieter Müller aus der Ferne bereits seit meiner Kochlehre. Neulich sah ich ihn auf einer Veranstaltung und hab mich nicht getraut ihn anzusprechen. Das Buch aus der Collection Rolf Heyne ist heute leider nur noch antiquarisch zu bekommen.

3. Harmonie der Aromen, Hans Stefan Steinheuer
Mit diesem Buch habe ich nochmal komplett Wein gelernt, bzw. viel über die Kombination zwischen Essen und Wein, ein so eindrückliches wie verständliches Buch zum spannenden Thema.

4. Französische Küche, Yannick Alléno
Auch so ein Buch, das immer in Reichweite ist, wenn ich über neue Rezepte nachdenke. Eine Tonne Ideen und Inspirationen!

5. Das Kochbuch von Land und Meer, Johannes King
Eines der schönsten Kochbücher der vergangenen Jahre, und King kocht eh großartig.

6. 4, Joachim Wissler
Die Vier steht für vier Jahreszeiten, der kulinarische Kosmos des gebürtigen Schwaben zieht sich aber ins Unendliche – großartig gestaltet auch das Buch mit Farbe, Schwarz-Weiß unterschiedlichen Schriften und Schriftgrößen – anspruchsvoll von verspielter Leichtigkeit und Eleganz, wie die Küche des Meisters selbst.

7. Lustvoll genießen, Hans Haas
Das Buch, dass die Ausnahme der Regel bestätigt. „Verblüffend leichte Rezepte“ vom mega-sympathischen Großmeister und ja, das ist alles mehr als nachvollziehbar und eine Freude – muss man aber erstmal drauf kommen und auch hier, steckt der ganz große Geschmack in der Kombination, im Detail – das ist wahre Meisterschaft!

8. VÂU Das Kochbuch, Kolja Kleeberg
Erst war er im Fernsehen, irgendwann stand er als Papp-Aufsteller bei Lidl, die Lidl-Nummer hat mich wahnsinnig geärgert. Ich halte Kolja Kleeberg für einen der sympathischsten und vor allem besten Köche der Republik, einer der sich früh auf Produkte konzentriert hat, die Entdeckung des Eigengeschmacks durch konsequente Reduktion der Bestandteile eines Tellers. Die begeisternde Klarheit des Einfachen, Raffinesse durch Geschmack, statt Teller-Tamtam. Das Vau ist Geschichte, das Buch ist Kolja Kleeberg, der in aller Bescheidenheit, auch meine Art der Rezeptentwicklung geprägt hat, wie kaum ein anderer. Ich kann es kaum erwarten, bis Kleeberg wieder irgendwo eröffnet und aufkocht.

9. Noma, René Redzepi
Ich machs kurz: eines der schönsten Kochbücher ever.

10. el Bulli (3), 1998-2002, Ferran Adrià, Juli Soler, Albert Adrià
Der dritte Band einer Reihe von Werkschauen in Buchform zur Legende el Bulli. Für mich sind das hier die Kernjahre, das Team sitzt schon fest im Sattel, ungebrochen ist die Freude an der Weiterentwicklung neuer Ideen und Techniken, zwischen Dekonstruktion und Molekular-Späßchen. Nicht alles saß, aber wie bei den meisten Kochbüchern der ganz Großen, lohnt es auch hier, genau und zwischen den Zeilen zu lesen – und dann Details für die eigene Küche rauszuzuziehen.

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