Slow Food rettet die vom Aussterben bedrohte, schwäbische Seele – ein Rezept zur guten Nachricht!

(Foto: Daniela Haug)

Die Allgäuer-Oberschwäbische Seele in traditioneller Herstellung ist der neue und damit 67. Passagier in der “Arche des Geschmacks” von Slow Food Deutschland. Während “Seelen” inzwischen bundesweit von Großbäckern industriell produziert und angeboten werden, weiß kaum jemand um ihren Ursprung und ihren Eigengeschmack. Ihre traditionelle Produktionsweise ist bedroht, weil sie viel Zeit, handwerkliches Geschick sowie Erfahrung erfordert. Aktuell betreiben sie noch rund 15 Bäckereien im Württembergischen Allgäu und Oberschwaben. schreibt Slow Food in einer Pressemeldung vom 13.April 2018 – ich freue mich!

Seelen sind eine oberschwäbische Brotspezialität. Das Baguette-artige Weißbrotgebäck ist außen herrlich knusprig und innen weich-luftig, mit saftiger Krume. Traditionell wird die Seele mit Kümmel und Salz bestreut. Die Butterseele darf als schwäbisches Grundnahrungsmittel betrachtet werden, ein einfacher Hochgenuss der zu jeder Tageszeit schmeckt, zum Frühstück, wie auch zum „Vesper“ (die schwäbische Zwischenmahlzeit) oder zum Abendbrot. Gerne belegt sich der Oberschwabe seine Seele zusätzlich noch mit Rauchfleisch (rohem, stark geräuchertem Schinken) oder Käse aus dem nahen Allgäu. Es ist zu begrüßen, dass Slow Food sich diesem Traditionsgebäck jetzt annimmt! Slow Food schreibt weiter:

Die Seele zählt zu den so genannten Brauchtumsgebäcken, ihr Name und ihre Bedeutung weisen auf einen katholischen Ursprung hin. Der Teig dieses länglichen Kleinbrots besteht aus Weizen- und Dinkelmehl, Wasser, ein wenig Hefe und Salz. In traditioneller Herstellung wird er bis zu 24 Stunden lang geführt und von Hand mehrfach bearbeitet. Die Rohlinge werden mit Kümmel und grobkörnigem Hagelsalz bestreut, bevor sie mit einem “Seelenschießer”, einem langen hölzernen Schieber mit einer Rinne für den Teig, in den Ofen geschoben und direkt auf dem Ofenboden ausgebacken werden. “Diese Art der Herstellung macht die Seele überhaupt erst zur Seele. Wird der Teig maschinell aufbereitet und die Seele auf Förderbändern gebacken, bekommt sie weder ihre dicke Kruste noch wird sie innen saftig. Das Ergebnis ist eine herkömmliche Semmel, die als Seele verkauft wird. Das ist denjenigen gegenüber ungerecht, die noch echtes Handwerk betreiben”, so Franz Wandinger, der seit 34 Jahren Seelen in seiner Allgäuer Backstube produziert und weiß, wovon er spricht. “Ich bin sehr froh, dass die Seele Arche-Passagier geworden ist und unser Wissen und Können damit nicht unter den Tisch fällt”, sagt Wandinger hoffnungsvoll.

Vor allem aber wird die schwäbische Seele “nass gebacken” bzw. nass verarbeitet und ich habe dazu eine Heimwerker Version erarbeitet, sie ist aus meinem Kochbuchbestseller: “Auf die Hand” (Christian Brandstätter Verlag) und es gibt keinen schöneren Anlass als die Arche-aufnahme, dieses Rezept jetzt frei zugänglich hier zu veröffentlichen:

Schwäbische Seelen

Für 8 Seelen:

Zutaten:

Für den Vorteig:
200 g Mehl (Typ 550)
220 g lauwarmes Wasser
5 g Hefe

Für den Hauptteig:
25 g Hefe
480 g lauwarmes Wasser
800 g Dinkelmehl (Typ 630)
20 g Salz
1 TL Zucker
2 EL Milch
Kümmel
Hagelsalz

Zubereitungszeit: 60 Minuten (+ ca. 15 Stunden Ruhezeit für Vorteig und Teig)

Zubereitung:

Für den Vorteig die Hefe in 220 g warmem Wasser auflösen und mit 200 g Weizenmehl glatt rühren. Den Teig in einer Schüssel mit Klarsichtfolie bedeckt 12 Stunden bei Zimmertemperatur ruhen lassen.
Für den Hauptteig 20 g Hefe in 480 g Wasser auflösen und mit 800 g Dinkelmehl, Salz, Zucker und Milch zum Vorteig geben. In der Küchenmaschine mit dem Knethaken 12 Minuten kneten. Den sehr weichen Teig dann zugedeckt bei Zimmertemperatur 45 Minuten ruhen lassen.
Den gegangenen Teig mit nassen Händen auf eine mit Wasser befeuchtet Arbeitsfläche fließen lassen, in drei Teile teilen und jede Portion jeweils 1-2 Minuten mehrfach von Außen nach Innen zusammenfalten, im Ganzen verdrehen, nochmals falten. Dabei bekommt der Teig Spannung und die Seelen behalten im Ofen ihre Form besser. Die drei Teigportionen dann übereinander legen und zu einem einzigen Teigfladen falten, drehen und formen. Weitere 40-45 Min. ruhen und gehen lassen, dann nochmals teilen, falten, drehen und formen.
Den Teig nochmals 5 Minuten ruhen lassen. Den gegangenen Teig mit nassen Händen auf eine mit Wasser befeuchtet Arbeitsfläche fließen lassen, mit Wasser bestreichen und 20 Minuten ruhen lassen.
Die Fingerspitzen der Hände zusammenführen, mit nassen Händen ein U formen, damit acht Seelen aus dem Teig „brechen“: dafür mit den Handkanten den Teig durchdrücken und nacheinander acht ungefähr gleichgroße, längliche Teigportion nach vorne weg ziehen. Je 2-3 Seelen auf ein Blech mit Backpapier setzen und mit Kümmel und Hagelsalz nach Geschmack bestreuen. Im heißen Ofen, bei 250 Grad 12-15 Minuten goldbraun backen. Dann das nächste Blech vorbereiten und backen. Die fertig gebackenen Seelen auf einem Gitterrost auskühlen lassen.

Tipp: Peter Paul, der jüngere Bruder des Autors gilt als Erfinder der köstlichen Butter-Senf-Seele, einer unschlagbar Kombination aus ofenfrischer, warmer Seele, die mit ordentlich guter Butter und einer hauchdünn Schicht scharfem Senf bestrichen wird.

Unterstützt wird die Allgäuer-Oberschwäbische Seele übrigens von den lokalen Slow-Food-Gruppen im Allgäu und Oberschwaben: Gemeinsame Aktionen mit Bäckereien vor Ort sollen Bekanntheit und Nachfrage für die Seele künftig stärken sowie das traditionelle Lebensmittelhandwerk in den Vordergrund rücken. “Mithilfe dieses weiteren Passagiers können wir fabelhaft deutlich machen, wie stark die Qualitätseinbußen sind, wenn handwerkliche Arbeitsschritte in industrielle Herstellungsweisen und Rationalisierungsprozesse gepresst werden. In den modernen Abläufen der Großbäckereien fehlt es an Zeit, Personal und schlichtweg an Verständnis. Die Seele ist ein ganz tolles Gebäck, welches in verschiedenen Varianten genossen werden kann. Ihre industriell hergestellten Namensvetter reichen an ihren unverwechselbaren Eigengeschmack nicht heran”, erklärt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.

In Deutschland schützt die “Arche des Geschmacks” insgesamt 67 Nutztierrassen, Gemüse- und Obstsorten sowie traditionelle Lebensmittel vor dem Vergessen. Die Passagiere werden wieder bekannt gemacht, damit sie nachgefragt, entsprechend hergestellt und verkauft werden. Auf politischer Ebene fordert Slow Food regionale Verarbeitungsstätten wiederaufzubauen und zu fördern.

Mehr Informationen zu diesem Arche-Passagier hier.