Symposium Feines Essen + Trinken 2019: Food-Innovationen vom Think Tank der Lebensmittelwirtschaft

Der Einladung, als Podiums-Gast am 29. Symposium Feines Essen + Trinken* in München teilzunehmen, folgte ich gerne: die Lebensmittelbranche bewegt sich und ich war gespannt, wie die über 400 Top-Entscheider aus dem Lebensmittelhandel und Industrie über Zukunftsmodelle (nach-) denken, was ankommt und schon angekommen ist.

Zentrum und Marktplatz der Veranstaltung am 9. und 10 Mai war ein großer Marktplatz, der in der Zenith Halle aufgebaut war – eine Foodmesse, garnicht mal so klein, dabei aber intim, es war reichlich Zeit mit den Aussteller*innen ins Gespräch zu kommen, Neuheiten zu probieren. Alleine die 27 Start-ups waren viele Entdeckungen wert – in Folge ausgesuchte Inovationen, die mir persönlich besonders gut gefallen haben.

Wasabi Kren

Eigenversuche mit frisch roh geraspeltem, norddeutschem Rettich habe ich eingestellt: mörderscharf, bitter, fasserig. Den Lieblings Kren aus Feldbach in Österreich schätze ich immer schon: saftige, lange Streifen, ausgewogene Schärfe, handwerklich produziert (in 190 Handgriffen ins Glas). Jetzt hatten die Österreicher die (im Grunde naheliegende) Idee, ihren Meerrettich mit einem Hauch echtem Wasabi in Pulveform zu veredeln. Rootys Wasabo schmeck wesentlich besser als der grüne Tubenquatsch, einfach frischer. Ein großer, sinnvoller Spaß, nicht nur zu Sushi.

Mrs T – essbarer Tee aus Hamburg

Zu gebrühtem Tee habe ich nie Zugang gefunden, mich erfreut eine schaumige Schale Matcha Tee, das wars. Länger schon aber interessiere ich mich für Tee als Würze beim Kochen – ein weites und spannendes Feld! Konditormeisterin Maren Thobaben aus Hamburg hat das dankenswerterweise zum Geschäftsmodel gemacht – und tatsächlich neue Geschmackswelten kreiert. Alleine ihre eleganten und exklusiven Sandgebäck-Shortbread-Varianten wie das Bio Earl Grey Tee Shortbread oder das Ti Guan Yin Tee Hafer-Shortbread sind großartig, mit den fein eingebundenen Aromen vom Tee.

Und dann öffnet Maren Thobaben ein Glas ihrer Rauchtee-Tomatensauce. In Farbe und Geschmack eher Richtung Barbeque-Sauce, mit einer tollen Fruchtigkeit. Der Rauch ist nicht dieser auf die Fresse-Rauch der mitunter viele BBQ Saucen erschlägt, hier sorgen Blätter vom geräucherten Schwarztee Lapsang Souchong für Tiefe und Eleganz. Das ist jetzt schon mal mein Produkt des Jahres. Auf der Website finden sich mehr Infos und ein Verzeichnis der derzeitigen Verkaufsstellen: Mrs.T(ea)

Sensationell auch das Popcorn mit dem hauchzart-herben Aroma von Pu Erh Tee und buttrigem Karamell… alleine in die Tüte zu riechen! Und dann ist das Heißluft-geröstete Popcorn auch noch von höchster Qualität, dick aufgeblühte, krosse Popcornblumen, jede Einzelne.

Bier aus dem Gastland Flandern

Gastland Flandern begeisterte, natürlich, auch mit richtig gutem Bier! Das Tongerlo Blond Abteibier aber auch die neue junge Craft Beer-Linie der unabhängigen Traditionsbrauerei Haacht sind frisch, haben aber auch Würze und Charakter, ohne zu erschlagen. Die Brauerei selbst ist ein Schmuckstück, dass auch besichtigt werden kann. Irre gut auch, kraftvoll und tief, dabei von erfreulich hohem Trinkfluss: das L’Arogante Stout-Ish der Mikrobrauer von L’Arogante – Echte Entdeckung.

Bio Flönz

Flönz bezeichnet eine leicht rauchige Blutwurst aus dem Rheinland, Seit 2016 ist die Flönz auch als geschützte Herkunftsbezeichnung bei der Europäischen Komission registriert und das ist das Verdienst von Astrid Schmitz. Frau Schmitz führt mit zwei weiteren Familienmitglieder in dritter Generation die Kölner Familienmetzgerei GS Schmitz,sie ist eine Unternehmerin mit Ideen und Visionen, pflegt dabei aber auch einen durchaus realistischen Blick auf die Branche der Fleisch- und Wurstverarbeitung, im Spannungsfeld zwischen Handwerk und Industrie. Ich empfehle darum ausdrücklich nicht nur die feinwürzige Bio-Blutwurst sondern auch den Artikel „Wir wollen über Wurst auch mal anders sprechen“ aus der FAZ!

Tiefkühl-Pizza – geht auch in richtig gut

Diese beiden Herren sind Boris Kocic und Guido Haugg, sie gehören zum Team von Gustavo Gusto, einem Unternehmen, das gerade dabei ist den Tiefkühl-Pizzen-Markt aufzumischen. Das Rezept ist (vermeintlich) einfach: nur natürliche Zutaten, beste Qualität und Geschmack, Steinofen gebacken. Die Erfolgsgeschichte, (hier in der Süddeutschen Zeitung erzählt) ist gigantisch und für mich ein Paradebeispiel, dass es eben doch geht, handwerkliche Parabelen auch ins Große zu übersetzten – gute Produkte ohne Zusätze und Schnickschnack haben im Handel Zukunft.

BEEsharing – köstliches Marketing für Bienen

Dass Bienen eine Schlüssefunktion im Öko-System haben, dürfte sich rumgesprochen haben – und auch dass es da Probleme gibt – die BEEsharing als „Marketing-Agentur für Bienen“ erfolgreich angeht: „BEEsharing ist ein webbasiertes Netzwerk und bietet Imkern, Landwirten und Bienenfreunden die Möglichkeit, sich nutzenorientiert zu vernetzen, um Dienstleistungen, Produkte und Wissen rund um die Bienen miteinander auszutauschen. Hierbei konzentrieren wir uns vor allem auf die Vermittlung von Bestäubungsangeboten, sowie die damit verbundene Logistik zwischen Imkern und Landwirten.“ Mehr zum großartigen Projekt findet sich auf der Homepage von BEEsharng, die so erfolgreich arbeiten, dass die Früchte ihrer Arbeit mittlerweile Marktreife erlangt haben – die Honigauswahl von ehrlichechterhonig.de ist pointiert im Geschmack.

Insektenburger

Am Stand der Bugfoundation hatte ich die Möglichkeit meinem ersten Insektenburger sowie eine Insektenbratwurst zu probieren. Insekten wie die hier verarbeiteten Buffalowürmer – sind Schlüsse und Zukunft für eine proteinreiche Welternährung mit der alle satt werden. Am Geschmack lässt sich künftig eventuell noch die ein oder andere Stellschraube drehen, was Würzung und Saftigkeit angehen – es ist dem jungen Pionier-Team aber garnicht genug zu danken, dass sie das Thema Insekten jetzt schon groß und für den Handel denken – wir werden das brauchen. Selber probieren? Die Insektenburger gibts bei REWE, hier eine Landkarte der Verkausstellen.

Kombucha – so kann das schmecken!

Kombuch ist zur Hipsterbrause verkommen und in einer solchen Qualität habe ich Kombucha tatsächlich sowiso noch nicht getrunken: YUGEN Kombucha (derzeit leider nur auf Facebook) fermentieren und brauen Bio-Kombucha von einem anderen Stern, frisch, aromatisch, würzig und gehaltvoll, die pure Natur, kein Schnickschnack:

Am Stand habe ich alle drei Sorten pur probiert und auch als Longsdrink und Cocktail – meines Erachtens hochinteressant auch für Mixologen und darüber hinaus, für mich persönlich der überzeugendste Beitrag für eine alkoholfreie Aternative, die auch Erwachsenen Spaß macht. Mein Sommerdrink 2019!

Fachvorträge und Podiumsdiskussion

Hanni Rützler und Lieven Vanlommel auf der Bühne des Symposiums

Überwiegend erhellend waren anderntags die Fachvorträge und Diskussionen, u.a. Hanni Rützler (Future Food Studio), die Zukunftsforscherin höre ich immer wieder mal auf Veranstaltungen und jedesmal bringt sie als Keynote Speakerin pointiert auf den Punkt, wie die Dinge stehen, was ist und was draus für uns als Gesellschaft resultiert, resultieren könnte. Clean Food, Waste-Management und ökologische Verantwortung waren die Top-Themen beim diesjährigen Symposium und Rützler riet: „Schneller, billiger, mehr – macht uns nicht mehr glücklich. Die Phänomene werden immer diverser, vegane Ernährung, Spiritual Food, Peak Meat, Clean Food, Plant Based Food sind Schlagwörter der Stunde. Und es sind nur einige der vielen Entwicklungen, die Handel und Industrie fordern werden. Es kommt eine neue Generation nach, die Essen radikal hinterfragt.

v.l.nr.: Moderator Uwe Schulz (WDR 5), Harald Wohlfahrt, Johann Lafer, Björn Freitag, Stevan Paul, Hilaire Speuwers und Bundesministerin a.D. Renate Künast

Diese neue Generation sei auf diesem Symposium noch nicht so richtig vertreten, beklagte Foodaktivist Hendrik Haase, der als Gast im Publikum saß und sich von dort zu Wort meldete. Das Podium, mit Bundesministerin a.D. Renate Künast, den Sterneköchen Harald Wohlfahrt, Johann Lafer und Björn Freitag, dem flämischen Gastronomieexperten Hilaire Speuwers und mir selbst, musste sich von Haase den Vorwurf einer „Versammlung alter weißer Männer“ gefallen lassen, es säßen schlicht die Falschen auf der Bühne. Haase forderte die Förderung von jungen Start-ups – insbesondere auch von Frauen.

Auf der Bühne selbst wurde dazu erstmal eher allgemein eine neue Wertschätzung von Lebensmitteln gefordert, der Wandel in der Lebensmittelbranche müsse von Gesellschaft, Politik und Bildung gleichermaßen getragen sein.

Mein Beitrag dazu betraf vor allem die Bildung, denn nur wer kochen kann, kann auch kalkulieren, gesund und reell, mit weniger Fleisch, individuell für sich selbst kochen. Zudem forderte ich (Frau Künast hatte Verspätung) ein Ende der Flächensubvention, ein gerechteres Subventionierungssystem und eine erhöhte Inverantwortungnahme der Politik.

Ich stellte auch Leuchtturm-Projekte aus Dänemark vor: angefangen vom Klima-Bilanz-Label auf Nahrungsmitteln bis hin zur Reduktion von Lebensmittelabfällen um 25 % in den letzten Jahren durch Programme der Stop Wasting Food – Initiative. Der House of Food Initiative in Kopenhagen gelang es, den Anteil an Bio-Produkten in den Gemeinschaftsverpflegungen der Stadt auf 60-90 % hochzuschrauben und das beinahe kostenneutral:

Ein guter Weg: öffentliche Einrichtungen die als Vorbild dienen und ihre Kantinen auf nachhaltige und Ressourcen-schonende Produkte und Herstellung umstellen. Auch das ist am Ende: kulinarische Bildung!

*Über das Symposium Feines Essen + Trinken (aus dem Pressetext der Veranstalter)

Seit drei Jahrzehnten ist das Symposium Feines Essen + Trinken ein maßgeblicher Think Tank der Lebensmittelwirtschaft. Erfahrene Persönlichkeiten aus dem LEH, der Industrie und der Gastronomie sind wertvolle Impulsgeber für die Dialogplattform Symposium Feines Essen + Trinken. Als Gestalter der Foodbranche setzt sich das Symposium Feines Essen + Trinken gezielt auch für die Förderung von Nachwuchsführungskräften des Handels ein. Zwei Mal jährlich treffen sich beim Nachwuchskongress Take-off die Führungskräfte aus dem Handel von morgen. Für den ganzheitlichen Austausch gibt es ab 2019 zudem auch eine digitale Plattform: Der „FoodYnsider“ des Symposiums überzeugt mit Fachartikeln zu aktuellen und relevanten Themen als übergreifende Content- und Dialogplattform für Handel und Industrie. Unterstützt wird das Symposium Feines Essen + Trinken bei allen Aktivitäten von einem Expertenkreis aus hochkarätigen Industrie- und Handelspersönlichkeiten. Darüber hinaus zählen Partner wie der Handelsverband Bayern, der Handelsverband Nordrhein-Westfalen sowie 20 Handelspartner aus dem Lebensmittelhandel zu den Impulsgebern des Symposiums Feines Essen + Trinken.



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